Leib: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Leibhemmung hatte in der chinesischen Philosophie zwei Ursachen: | Die Leibhemmung hatte in der chinesischen Philosophie zwei Ursachen: | ||
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* Mahayana-Buddhismus: transportierte mit der Seelenwanderung eine Form von altindischem Dualismus nach China und verstärkte die Außen-Innen-Trennung | * Mahayana-Buddhismus: transportierte mit der Seelenwanderung eine Form von altindischem Dualismus nach China und verstärkte die Außen-Innen-Trennung | ||
* Neokonfuzianismus | * Neokonfuzianismus | ||
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=== Urchristentum === | === Urchristentum === | ||
− | {{c|Paulus kennt keine Seele; nur in der Schlussparänese des 1. | + | {{c|Paulus kennt keine Seele; nur in der Schlussparänese des 1. Thessalonikerbriefs (5.23) ist von Geist, Seele und Körper die Rede, was sich an dieser formelhaft hervorgehobenen Stelle als Anpassung an das Publikum einer griechischen Großstadt leicht verstehen lässt. Die Hauptfiguren im Drama des Menschseins sind für Paulus der Leib (oder Körper), das Fleisch (die Sünde) und der Geist (das Pneuma, der Hauch, nichts in unserem Sinn Geistiges). Der Gegensatz von Fleisch und Geist hat nichts mit einer platonischen Erhebung des Geistiges über den Körper und die Sinnlichkeit zu tun; es handelt sich vielmehr um atmosphärische Mächte, die um den Leib konkurrieren ...|S-L 151}} |
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+ | {{c|Auch die Ambivalenz der Stellung des Paulus zum Leib, dem er mit Weherufen und Aufforderung zu Kasteiungen abschwört, während er ihn andererseits als Stätte der Verherrlichung Gottes auszeichnet, ergibt sich aus der Mittelstellung des Leibes als neutrales Spielfeld der atmosphärischen Mächte Fleisch und Geist, in denen er, und mit ihm der Mensch ist, während sie in ihm sind.|S-L 151f}} | ||
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+ | === Jakob Böhme === | ||
+ | {{c|Was Jakob Böhme zur leiblichen Dynamik zu sagen weiß, ist ein geniales Tappen im Dunkeln, das mit Tastversuchen auf eine lange Strecke die Orientierung behält. Seine halbmythische Urkraft hat zusammen mit Kants dynamischer Konstruktion der Materie und gewissen Anregungen aus Fichtes Wissenschaftslehre von 1794 die Hochkonjunktur der ursprünglich stoischen Tonoslehre in der Romantik inspiriert, die sich als Leitfaden namentlich durch Schellings Denken in seinen verschiedenen Phasen (außer in den Jahren der Identitätsphilosophie) von Anfang bis Ende hindurch zieht, anfangs mit idealistischer, später mit theosophischer Färbung (z.B. durch Spekulation über das Geschehen in Gott, das zur Erschaffung der Welt führte, in der Weltalterphase).|S-L 154}} | ||
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+ | === Schopenhauer === | ||
+ | {{c|Der Leib ist einerseits die unmittelbare Offenbarung des Dinges an sich, des innersten Wesens der Welt namnes "der Will", eines Vulkans, der im eigenleiblichen Spüren des affektiven Betroffenseins gleichsam brodelnd ausbricht, und andererseits der sicht- und tastbare Körper als die Erscheinung, mit der sich dieser Ausbruch des Willens in der Vorstellung präsentiert.|S-L 155}} | ||
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+ | === Nietzsche === | ||
+ | "Leib bin ich ganz und gar und nichts außerdem." (Nietzsche, aus: S-L 157) | ||
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+ | === Satre === | ||
+ | ... | ||
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+ | === Eingeschränkt: Husserl, Merleau-Ponty, Waldenfels === | ||
== Leib, Körper, Psyche == | == Leib, Körper, Psyche == |
Version vom 20. Februar 2012, 11:25 Uhr
Deutsch: Leib, topischer Körper | Englisch: living body, topic body | Japanisch: 身 (mi)
Wortherkunft
Der Begriff ‚Leib’ leitet sich von ‚lîp’ ab und betont in seiner ursprünglichen Bedeutung von ‚Leben’ den kreativ-schöpferischen Aspekt der menschlichen Existenz.
Kritik am Begriff des Leibes:
Einführung
Der Ausgangspunkt aller unserer Erkenntnis ist die leibliche Existenz.
Über den Leib spüren wir leibliche Regungen und Gefühle. Leiblich sein, heißt erschrecken können. (S-LuG, 219; nach S-WNP 24)
Leiblich ist, was jemand in der Gegend (nicht immer in den Grenzen) seines Körpers von sich selbst, als zu sich selbst gehörig, spüren kann, ohne sich der fünf Sinne, namentlich des Sehens und Tastens, und des aus deren Erfahrungen gewonnenen perzeptiven Körperschemas (der habituellen Vorstellung vom eigenen Körper) zu bedienen. (S-KE 35)
Leib ist die ausgedehnte, raumerfüllende Subjektivität. (Vgl: F-LRP 99)
Der Leib zeichnet sich durch vorallem seine leibliche Dynamik und Räumlichkeit aus.
Geschichtliches
Die Entdeckung des Geistes ist die Verdeckung des Leibes. (S-II1 441)
Chinesische Philosophie
Die Leibhemmung hatte in der chinesischen Philosophie zwei Ursachen:
- Mahayana-Buddhismus: transportierte mit der Seelenwanderung eine Form von altindischem Dualismus nach China und verstärkte die Außen-Innen-Trennung
- Neokonfuzianismus
Vgl: [GL-LoK 308]
Homer
Homer: "So in dichter Brust stöhnte auf Agamemnon von unten her aus dem Herzen, und ihm bebten die Phrenes innerlich." (Homer, aus: S-L 147)
Siehe: Homer
Vorsokratiker
Vorsokratiker: der Eleat Melissos: "Nichts ist stärker als das wahrhaft Seiende" (S-L 147) Für Melissos gehört zum Sein der Raum.
Stoiker
Stoische Schule unter seinem Gründer Zenon (von Kition) und seinem Nachfolger Kleanthes: Wegen ihrer Rede vom Körper als Materialisten verkannt, aber Ausdehnung wird verstanden als dynamische Spannung, Aus- oder Aufspannung des Raumes. Spannung als Tonos mit explansiv-kontraktiver Doppeltendenz.
Urchristentum
Jakob Böhme
Schopenhauer
Nietzsche
"Leib bin ich ganz und gar und nichts außerdem." (Nietzsche, aus: S-L 157)
Satre
...
Eingeschränkt: Husserl, Merleau-Ponty, Waldenfels
Leib, Körper, Psyche
Siehe: Personaler Raum
Körper und Leib
Unterschiede
Körper | Leib | |
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Zugang |
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Körperschema |
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Örtlichkeit |
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Flächigkeit |
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Ausdehnung |
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Dimensionale Stetigkeit |
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Grenze |
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Zusammenfassung:
- Der Leib ist flächenlos, prädimensionales Volumen mit einem Gewoge verschwommener Inseln in einem absoluten Ganzort mit unteilbarer Ausdehnung und absoluter Örtlichkeit des Ganzen wie der Inseln;
- Der sichtbare und tastbare Körper ist flächig begrenzt, dreidimensional stetig und teilbar ausgedehnt und bloß relativ-örtlich (im Sinne relativer Orte, die sich gegenseitig durch Lagen und Abstände bestimmen). (S-WNP 411f)
Der spürbare Leib bildet ein eigenständiges Gegenstandsgebiet, und unterscheidet sich vom sicht- und tastbaren Körper durch (S-WNP 175f):
Örtlichkeit
Die absolute Örtlichkeit des Leibes im Unterschied zur relativen Örtlichkeit des Körpers:
- Absolute Örtlichkeit der Leibesinseln: Der Kopfschmerz setzt sich nicht zusammen aus einem nichtlokalisierten Schmerzempfindung und einer Vorstellung von deren Ursprung. Vielmehr ist dem Schmerz seine Örtlichkeit inhärent, als unabweisbar gespürtes "Hier".
- Absolute Örtlichkeit des ganzen Leibes: Der Leib als ganzer muss absolute Örtlichkeit besitzen, denn wo ich z.B. Müdigkeit empfinde, ist nicht primär durch Bezug zu einem anderen, äußeren Orientierungspunkt bestimmt.
Flächenlosigkeit
Der Leib ist flächenlos und hat unscharfe Umrisse. Im Unterschied dazu wird der Körper vorallem durch die Seh- und Tastsinne wahrgenommen und ist deshalb durch scharfe sichtbare und tastbare Umrisse bestimmt.
Unteilbare Ausdehnung
Der Leib ist im Unterschied zum Körper unteilbar ausgedehnt und damit auch unteilbar voluminös: Leibliche Empfindungen wie Schmerz, Hunger, Völlegefühl oder Müdigkeit sind spürbar und unteilbar ausgedehnt, erfüllen einen Raum oder strahlen aus.
Stetigkeit
Körperschema
Vgl: Hermann Schmitz: Der gespürte Leib und der vorgestellte Körper, in: Michael Großheim (Hg.): Wege zu einer volleren Realität. Neue Phänomenologie in der Diskussion. Berlin 1994. S. 75-91. (Zit.n.: MG-DE 178)
Definition nach Fuchs
Neben der leiblichen Dynamik kommt dem Leib eine spezifische Räumlichkeit zu. Der Leibraum zeichnet sich durch Voluminosität, absolute Örtlichkeit und Meinhaftigkeit aus:
- Voluminosität: s.o.
- Absolute Örtlichkeit: s.o.
- Meinhaftigkeit: Leibliche Empfindungen werden unmittelbar als "zu mir gehörig" oder "meinhaft" erlebt. Schmerz, Hunger oder Durst usw. nehme ich nicht distanziert wahr wie die Warnblinkanlage oder Tankanzeige meines Wagens. (Vgl: F-LRP 98) Diese Meinhaftigkeit darf aber nicht zu dem possessorischen Missverständnis des Introjektionismus führen, dass man als Fühlender zum Besitzer der Gefühle wird.
Wirkungen des Leibes auf den Körper
- autogenes Training
- suggestive und hypnotische Einwirkungen, Suggestion
- Stigmatisierungen
Selbst- und Fremderfahrung
Leib | Körper |
---|---|
Natur, die wir sind. | Natur, die wir haben |
Selbsterfahrung | Fremderfahrung |
- Leib: Natur, die wir sind. Die eigene Natur, insofern sie in Selbsterfahrung gegeben ist.
- Körper: Natur, die wir haben. Die eigene Natur, insofern sie in Fremderfahrung gegeben ist.
Selbsterfahrung muss jedoch erst wieder in besonderen Übungen aufgesucht werden, um dann ein Bewusstsein seiner selbst aufbauen zu können, das auf „betroffener Selbstgegebenheit“ (Böhme) basiere.
Lose Kopplung: Ausfahrt des Leibes
Ich vermag keinen einsichtigen Zusammenhang zu entdecken, der eine unzertrennliche Zusammengehörigkeit von Leib und Körper verbürgen könnte. Die vielfältigen Zeugnisse für Lykanthropie, Heautoskopie und andere Formen der "Ausfahrt" des Leibes (nicht der Seele) aus dem Körper ... haben nichts prinzipiell Unglaubliches an sich. (S-WNP 175f)
Die "Verleiblichung" sinnfälliger Körper über die Brücke der leiblichen Kommunikation geht nach meiner Überzeugung andererseits nicht so weit, dass ein unzertrennlicher Zusammenhang von Leib und Körper (z.B. des leiblichen Blickes und der körperlichen Augen) zum Vorschein käme und phänomenologisch festgestellt werden könnte. Vielmehr ist das leibliche Spürbare durch Merkmale bestimmt, die denen des körperlich Sichtbaren und Tastbaren entgegengesetzt sind. (S-WNP 411f)
Leib als Körper
Sprache, Experiment und Beispiele
Der Leib ist etwas anderes als der Körper. Und ganz im Hintergrund wissen wir das eigentlich:
- Zum Beispiel sagen wir, da habe einer "aus Leibeskräften" geschriehen, die Formulierung "aus Körperkräften" ergäbe keinen Sinn.
- Auch das Verbot, nicht mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, beruht auf dem Wissen vom Leib und davon, dass diese "aufspießende" Geste in ihrer Wirkung weit über den Körper hinausreicht.
- Jedes Kind kennt die Macht des Blickes, wenn es von Wut oder Ekel oder Angst im Blick der Mutter getroffen wird.
Hand-Experiment:
- Heben Sie die Hand, die Finger locker geöffnet, und konzentrieren Sie sich darauf, diese Hand zu spüren. Was nehmen Sie in der "Gegend" der Hand wahr?
- Dann pusten Sie kurz gegen die Hand, und nehmen Sie wahr, was sich verändert.
- Erst durch das Pusten nimmt man eine Fläche wahr. Der spürbare Leib kennt noch keine Flächen, sondern nur diffus ausgedehnte Leibesinseln.
Beispiele:
- Klavierlernen: Vom Suchen der Abständen zwischen den Tasten bis hin zum Spielen.
- Verunsicherter Tennisspieler, der sich auf seine Abstandsverhältnisse besinnt, und die Aufschläge vergibt.
Verhältnis von Körper und Leib
Graduell
- Graduelles Verhältnis, Polares Verhältnis
- Leib als psycho-physisches Kontinuum. Psychisches bleibt Anteil im Leib, daher macht es auch Sinn von Panpsychismus zu sprechen. Alles hat zumindest einen Mindestgrad von psychischen Eigenschaften, sogenannten protomentale Eigenschaften.
- Leib als Verschränkung von Bewusstsein und Körper. (s.u.)
Dual
- Duales Verhältnis im Begriff
- Husserl: naturalistische oder personalistische Einstellung
- Fuchs: Doppelaspekt von Leib und Körper
- Fuchs: subjektiv-leiblicher und objektiv-körperlicher Raum (F-DG 101)
- Fuchs: Aspektdualität, Doppelaspekt (F-DG 106)
- Fuchs: keine zwei Perspektiven, sondern zwei Einstellungen: lebensweltlich-personalistisch (1.+2. Person) und naturalistisch (3. Person).
Biologische Aspektdualität
Gemeinsamer Leib als Einleibung
Siehe:
- Einleibung und Ausleibung
- Verortung als Person im Lebensraum
Leib und Person
Siehe: Personales Verhältnis von Leib und Körper
Leibraum
Struktur des Leibraums bestehend aus:
- leibliche Richtungen (die aus der Enge in die Weite hervorgehen)
- die abgründigen (d.h. einer umschriebenen Quelle baren) Richtungen vieler Halbdinge, darunter der Gefühle
Der Leibraum beinhaltet auch den Gefühlsraum.
Damit gibt es eine Polarität der Räumlichkeit zwischen:
- Leibraum bzw. leiblichem Raum (topischer Raum)
- Ortsraum (dimensionaler Raum)
(Vgl: S-WNP 15)
Leibraum als anisotroper topologischer Raum
Erinnerung im Leibraum
Leibraum als erster Raum
Erweiterter Leibraum
Leibdefinitionen
Leib als Einheit
Leib als Relationsbegriff
Leib als Ausdruck
Leib als Ausdruck der Person
Siehe: Person und Leib
Leib als Ausdruck der Psyche
Leib als Struktur
Leib nimmt sich selbst wahr
Leib als (absoluter) Ort
Kritik: Nicht Leib, sondern der Körper als Ort, von dem wir aus der Wirklichkeit gegenüber stehen?
- In-Sein: Leib
- Gegenübersein: Körper
Leib als Medium
Leib als transparentes Medium und "blinder Fleck":
Siehe: Raum als Medium
Leib als Resonanzboden
Leib als Verschränkung von Bewusstsein und Körper
Leib im Spalt zwischen Körper und Seele
Leib übernimmt Aufgabe der Seele
Leib als innerer Körper, innerer Raum
Leib als Unraum
Leibphilosophie
Die Leibphilosophie ... ist mittlerweile ein wohletabliertes philosophisches Feld. Mit der Thematisierung des menschlichen Leibes steht man heute in keiner Weise am Anfang. (B-Ethik 119)
- Schopenhauer
- Nietzsche
- Satre
- Max Scheler (1874-1928)
- Erwin Straus (1891-1975)
- Helmuth Plessner (1892-1985)
- Maurice Merleau-Ponty (1908-1961)
- Hermann Schmitz (1928*)
Übersicht:
Leiberleben | Körpererleben | |
---|---|---|
Straus | pathisch-präsent | gnostisch-distantisch |
Buytendijk | Ausdruck | Handlung |
Schmitz | Weite- und Richtungsraum | Ortsraum |
Kritik der Leibphänomenologie
Kein ahistorisches leibliches Spüren
Leib, Psyche, Körper
Zitate
Der Leib ist offen zur Welt. Der Beobachter hingegen tut so, als schaut er nur unbeteiligt zu.