Naturwissenschaft: Unterschied zwischen den Versionen
Admin (Diskussion | Beiträge) |
Admin (Diskussion | Beiträge) |
||
(9 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
+ | == Verdienst der Naturwissenschaft == | ||
+ | {{c|Der Naturwissenschaft verdankt die Menschheit eine geradezu überwältigende Erweiterung ihres prognostischen Umblicks. Durch Experimente, Konstrukte und Berechnungen macht die Naturwissenschaft mit der [[Physik]] an der Spitze die Menschen darauf gefasst, was sie nach apparativen Eingriffen in das Geschehen, sei es zur Messung, sei es zur Manipulation, zu erwarten haben. Sie weist damit der modernen Maschinentechnik als der Kunst geregelten Zauberns den Weg, den die Zauberer früherer Zeiten mit ihren Beschwörungen nicht gefunden haben.|S-F 102}} | ||
+ | |||
+ | == Drei Säulen der Naturwissenschaft == | ||
+ | {{c|... die drei Säulen des Verfahrens der modernen Naturwissenschaft - | ||
+ | * die reduktionistische [[Abstraktionsbasis]], | ||
+ | * die [[Mathematik|mathematische]] Modellierung | ||
+ | * und die [[Experiment|experimentelle]] Methode|S-DWdeP2 316}} | ||
+ | |||
+ | === Reduktionistische Abstraktionsbasis === | ||
+ | {{c|* Reduktion der Methode auf das Erzwingen intersubjektiver Übereinstimmung durch standardisierte Prüfverfahren und | ||
+ | * Reduktion der wahrnehmbaren Gegenstände auf Körper, sogar auf feste, die zu wiederholter ablesender Beobachtung taugen.|S-NP 12}} | ||
+ | |||
+ | Siehe: [[Abstraktionsbasis]] | ||
+ | |||
+ | === Mathematische Modellierung === | ||
+ | Siehe: [[Mathematik]] | ||
+ | |||
+ | === Experimentelle Methode === | ||
+ | ... | ||
+ | |||
+ | == Grenzen der Naturwissenschaft == | ||
+ | * Status der Gattungen: Ausgang sind einzelne messbare Merkmale und nicht die Situationen, aus denen sie expliziert werden | ||
+ | * Modalzeit: Sie zieht nur das Seiende in Betracht aber nicht das Nochnichtseiende (Vgl.: S-GedW 123f) | ||
+ | |||
== Naturwissenschaft und [[Lebenswelt]] == | == Naturwissenschaft und [[Lebenswelt]] == | ||
Gemeinsame [[Paradigmen]] von Naturwissenschaft und [[Lebenswelt]]: | Gemeinsame [[Paradigmen]] von Naturwissenschaft und [[Lebenswelt]]: | ||
Zeile 41: | Zeile 66: | ||
Eigentlich ist die Naturwissenschaft nicht durch die [[Natur]] als Gegenstand bestimmt - wer kann schon sagen, was Natur ist, wo sie hingehört? -, sondern durch ihre Methode der schematischen Prognostizierbarkeit, zu deren Gunsten die [[Erfahrung]] [[Reduktionismus|reduktionistisch]] abgeschliffen wird (...); überall wo die Methode schematischer Prognostizierbarkeit erfolgreich angewendet wird, handelt es sich um Naturwissenschaft. (S-JdN 36) | Eigentlich ist die Naturwissenschaft nicht durch die [[Natur]] als Gegenstand bestimmt - wer kann schon sagen, was Natur ist, wo sie hingehört? -, sondern durch ihre Methode der schematischen Prognostizierbarkeit, zu deren Gunsten die [[Erfahrung]] [[Reduktionismus|reduktionistisch]] abgeschliffen wird (...); überall wo die Methode schematischer Prognostizierbarkeit erfolgreich angewendet wird, handelt es sich um Naturwissenschaft. (S-JdN 36) | ||
+ | |||
+ | {{c|Phänomenologisch gesehen wird jedoch nicht eine irgendwie ontologisch-objektiv vorhandene 'Natur' oder 'Materie' erschlossen, sondern diese wird zunächst - als [[Abstraktionsbasis]] - hergestellt. Dies geschieht, indem man den ''leiblichen Raum'' erkenntnistheoretisch von einem seiner Aspekte aus betrachtet, d.h. auf Messbarkeit bzw. Größe und Invarianz hin. Dabei, so muss betont werden, verändert man ihn gestaltkreishaft reduktiv. ... Die Umwandlung des leiblichen Raumes in den naturwissenschaftlichen Ortsraum vollzieht sich auch historisch mit unumkehrbarer Individuationsrichtung.|GR-LS 337}} | ||
== Ordnung der allgemeine Naturgesetze als Regelmäßigkeit == | == Ordnung der allgemeine Naturgesetze als Regelmäßigkeit == | ||
Zeile 50: | Zeile 77: | ||
{{c|Die Denkweise der modernen Naturwissenschaft beruht auf einer geschickt gewählten, aber der unwillkürlichen Lebenserfahrung hoch entrückten Abstraktionsbasis, die nur solche Merkmalsorten durchlässt, die bequem intermomentan und intersubjektiv identifizierbar, messbar und selektiv variierbar sind und mit Mathematik und passend erdachten Konstrukten wieder so angereichert werden, dass ein alter Menschheitstraum mehr oder weniger in Erfüllung geht: Die Vorarbeit lohnt sich durch enorme Erfolge bei der Prognose von Ereignissen, die in der empirischen Außenwelt nach apparativen Eingriffen stattfinden, und durch diese prognostische Leistung schafft die Naturwissenschaft der modernen Technik freien Raum für geregeltes Zaubern.|S-WNP 360}} | {{c|Die Denkweise der modernen Naturwissenschaft beruht auf einer geschickt gewählten, aber der unwillkürlichen Lebenserfahrung hoch entrückten Abstraktionsbasis, die nur solche Merkmalsorten durchlässt, die bequem intermomentan und intersubjektiv identifizierbar, messbar und selektiv variierbar sind und mit Mathematik und passend erdachten Konstrukten wieder so angereichert werden, dass ein alter Menschheitstraum mehr oder weniger in Erfüllung geht: Die Vorarbeit lohnt sich durch enorme Erfolge bei der Prognose von Ereignissen, die in der empirischen Außenwelt nach apparativen Eingriffen stattfinden, und durch diese prognostische Leistung schafft die Naturwissenschaft der modernen Technik freien Raum für geregeltes Zaubern.|S-WNP 360}} | ||
− | == Naturwissenschaft und | + | == Naturwissenschaft und einzelne messbare Merkmale == |
− | Die Naturwissenschaft setzt das [[Einzelheit|Einzelne]] als selbstverständlich voraus und benützt diese Voraussetzung zur Denkform des [[Konstellationismus]], der das Gegebene, im Ideal die ganze Welt, als ein Netzwerk einzelner Faktoren auffasst, das in Gedanken, um alle möglichen Kombinationen zu erproben, und erst recht in der technischen Praxis umgeknüpft werden kann. Sogar die Quantenphysik, die die üblichen Annahmen über Einzelnes z.B. durch die Verschränkung revidiert, dass mehrere Objekte gewisse Eigenschaften nur gemeinsam haben können, beweist diese Verschränkung durch Experimente mit einem einzigen oder numerisch mehreren Lichtteilchen. | + | {{c|Die Naturwissenschaft setzt das [[Einzelheit|Einzelne]] als selbstverständlich voraus und benützt diese Voraussetzung zur Denkform des [[Konstellationismus]], der das Gegebene, im Ideal die ganze Welt, als ein Netzwerk einzelner Faktoren auffasst, das in Gedanken, um alle möglichen Kombinationen zu erproben, und erst recht in der technischen Praxis umgeknüpft werden kann. Sogar die Quantenphysik, die die üblichen Annahmen über Einzelnes z.B. durch die Verschränkung revidiert, dass mehrere Objekte gewisse Eigenschaften nur gemeinsam haben können, beweist diese Verschränkung durch Experimente mit einem einzigen oder numerisch mehreren Lichtteilchen.|S-JdN 37f}} |
+ | |||
+ | {{c|Oft pflegen Naturwissenschaftler etwas, das sich nicht exakt messen lässt, überhaupt nicht gelten zu lassen, selbst wenn es sich, wie der körperliche [[Leib]] im Fall vieler Phantomglieder, geradezu brutal aufdrängt. Dann muss man sich mit dem Wunsch begnügen, dass solche Einseitigkeit zu reichen wissenschaftlichen Entdeckungen führen möge.|S-II1 71}} | ||
− | + | {{c|An der Naturwissenschaft rächst sich, dass sie von messbaren Merkmalen als der grundlegenden Gegebenheit ausgeht und nicht von bedeutsamen Situationen.|S-GedW 123f}} | |
== Einfluss der Naturwissenschaft auf die Geistesgeschichte == | == Einfluss der Naturwissenschaft auf die Geistesgeschichte == | ||
Zeile 66: | Zeile 95: | ||
{{c|Die erste und vielleicht wichtigste Einflussstelle gehört dem Beginn des Philosophierens im frühen Griechentum an. Alkmaion von Kroton, ein Arzt aus dem Umkreis des Pythagoras, begründete gegen 500 v. Chr. den [[Physiologismus]] durch seine Lehre, dass "der Sitz der Seele im Gehirn sei, zu dem sich alle Empfindungen durch die Kanäle fortpflanzen, welche von den Sinneswerkzeugen zu ihm hinführen." ''(Eduard Zeller, die Philosophie der Griechen I, 7. Aufl. Darmstadt 1963, S. 598)''. Als ''[[Physiologismus]]'' bezeichne ich die Lehre, dass Botschaften aus der Außenwelt zum Menschen nur auf dem Weg über gewisse Körperteile wie Auge, Ohr, Haut, Nase, Gehirn und peripheres Nervensystem gelangen, und nur in dem Maß, in dem solche Körperteile Reize einfangen, aufnehmen oder durchlassen können. Es leuchtet ein, dass dieses Dogma das Spektrum des Wahrnehmbaren empfindlich beschränkt.|S-NP: 28}} | {{c|Die erste und vielleicht wichtigste Einflussstelle gehört dem Beginn des Philosophierens im frühen Griechentum an. Alkmaion von Kroton, ein Arzt aus dem Umkreis des Pythagoras, begründete gegen 500 v. Chr. den [[Physiologismus]] durch seine Lehre, dass "der Sitz der Seele im Gehirn sei, zu dem sich alle Empfindungen durch die Kanäle fortpflanzen, welche von den Sinneswerkzeugen zu ihm hinführen." ''(Eduard Zeller, die Philosophie der Griechen I, 7. Aufl. Darmstadt 1963, S. 598)''. Als ''[[Physiologismus]]'' bezeichne ich die Lehre, dass Botschaften aus der Außenwelt zum Menschen nur auf dem Weg über gewisse Körperteile wie Auge, Ohr, Haut, Nase, Gehirn und peripheres Nervensystem gelangen, und nur in dem Maß, in dem solche Körperteile Reize einfangen, aufnehmen oder durchlassen können. Es leuchtet ein, dass dieses Dogma das Spektrum des Wahrnehmbaren empfindlich beschränkt.|S-NP: 28}} | ||
− | {{c|Homer hat für das Wahrnehmen von Sachverhalten und Situationen noch ein eigenes Wort (noein), und es ist ja auch klar, dass für die Helden im trojanischen Krieg oder den abenteuerlichen Irrfahrer Odysseus mehr darauf ankommt, kritische und verheißungsvolle Situationen und Tatsachen mit ''einem'' Schlag - ohne Nachdenken - zu erfassen, als auf das Sehen von Farben und Formen. Empedokles konstatiert so unbefangen wie das Sehen von Stoffen auch das Sehen der räumlich ausgedehnten Liebe, wohl im Sinne einer Atmosphäre, wie wir sie von Atmosphären der Ausgelassenheit, des feierlichen Ernstes oder der Verlegenheit, in die wir "hineinplatzen", kennen. Spätestens bei Demokrit, der nur noch kleine feste, von scharfen Oberflächen | + | {{c|Homer hat für das Wahrnehmen von Sachverhalten und Situationen noch ein eigenes Wort (noein), und es ist ja auch klar, dass für die Helden im trojanischen Krieg oder den abenteuerlichen Irrfahrer Odysseus mehr darauf ankommt, kritische und verheißungsvolle Situationen und Tatsachen mit ''einem'' Schlag - ohne Nachdenken - zu erfassen, als auf das Sehen von Farben und Formen. Empedokles konstatiert so unbefangen wie das Sehen von Stoffen auch das Sehen der räumlich ausgedehnten Liebe, wohl im Sinne einer Atmosphäre, wie wir sie von Atmosphären der Ausgelassenheit, des feierlichen Ernstes oder der Verlegenheit, in die wir "hineinplatzen", kennen. Spätestens bei Demokrit, der nur noch kleine feste, von scharfen Oberflächen begrenzte Körper als Reizquelle in der Außenwelt gelten läßt, ist der Physiologismus vollendet, und Platon bringt diesen im Theätet zuerst mit dem Rationalismus zusammen, indem er einerseits durch Einführung der Rede von Sinnesorganen, die der Seele die Sinnesqualitäten als den Inhalt der [[Wahrnehmung]] lieferten, dem [[Physiologismus]] das seither selbstverständliche Stichwort liefert, andererseits im selben Gedankenzug alle Sachverhalte aus der [[Wahrnehmung]] herauslöst und der denkenden Seele anvertraut. Die wahrgenommenen [[Sachverhalt]]e und [[Situation]]en werden in Urteile umfrisiert, durch die Verstand das Wahrgenommene deutet.|S-NP: 29f}} |
=== Mathematisch-experimenteller Einfluss im Barockzeitalter === | === Mathematisch-experimenteller Einfluss im Barockzeitalter === |
Aktuelle Version vom 24. Juli 2017, 23:38 Uhr
Verdienst der Naturwissenschaft
Drei Säulen der Naturwissenschaft
... die drei Säulen des Verfahrens der modernen Naturwissenschaft -
- die reduktionistische Abstraktionsbasis,
- die mathematische Modellierung
- und die experimentelle Methode (S-DWdeP2 316)
Reduktionistische Abstraktionsbasis
- Reduktion der Methode auf das Erzwingen intersubjektiver Übereinstimmung durch standardisierte Prüfverfahren und
- Reduktion der wahrnehmbaren Gegenstände auf Körper, sogar auf feste, die zu wiederholter ablesender Beobachtung taugen. (S-NP 12)
Siehe: Abstraktionsbasis
Mathematische Modellierung
Siehe: Mathematik
Experimentelle Methode
...
Grenzen der Naturwissenschaft
- Status der Gattungen: Ausgang sind einzelne messbare Merkmale und nicht die Situationen, aus denen sie expliziert werden
- Modalzeit: Sie zieht nur das Seiende in Betracht aber nicht das Nochnichtseiende (Vgl.: S-GedW 123f)
Naturwissenschaft und Lebenswelt
Gemeinsame Paradigmen von Naturwissenschaft und Lebenswelt:
Siehe: Naturwissenschaft und Lebenswelt
Naturwissenschaft und Phänomenologie der Natur
Naturwissenschaft | Phänomenologie der Natur |
---|---|
Natur, die wir haben | Natur, in der wir sind |
Fremderfahrung | Selbsterfahrung |
Haben | Darin-Sein |
Körper | Leib |
Suche nach Ursachen und möglichst allgemeinen Naturgesetzen | Goethes Farbenlehre: "Man suche nichts hinter den Phänomenen; sie selbst sind die Lehre" |
Erklärungen (Dreigliedrige Kausalität) | Verzicht auf Erklärungen, oder nur mit zweigliedriger-kausaler Erklärung aus dem Phänomenalen (und nicht dem Nicht-Phänomenalen) |
apparative Feststellung von Phänomenen: messbare Daten mit Apparaten. Von Anfang an die Intention, die menschliche Sinnlichkeit auszuschalten. | Leibliches Spüren ohne Apparate |
analytische Wahrnehmung | ganzheitliche, typisierende Wahrnehmung |
Die Natur der Naturwissenschaft
Für die Naturwissenschaft wird die Natur nur noch als Produkt der naturwissenschaftlichen Methode betrachtet.
Eigentlich ist die Naturwissenschaft nicht durch die Natur als Gegenstand bestimmt - wer kann schon sagen, was Natur ist, wo sie hingehört? -, sondern durch ihre Methode der schematischen Prognostizierbarkeit, zu deren Gunsten die Erfahrung reduktionistisch abgeschliffen wird (...); überall wo die Methode schematischer Prognostizierbarkeit erfolgreich angewendet wird, handelt es sich um Naturwissenschaft. (S-JdN 36)
Ordnung der allgemeine Naturgesetze als Regelmäßigkeit
Naturwissenschaftliche Prognosen und geregeltes Zaubern
Naturwissenschaft und einzelne messbare Merkmale
Einfluss der Naturwissenschaft auf die Geistesgeschichte
- Der Physiologismus schränkt das Wahrnehmbare auf Reizquellen ein, die sich als korrespondierende Gegenpole zu körperlichen Aufnahmeorganen konstruieren lassen;
- die mathematisch-experimentelle Naturwissenschaft gibt den Philosophen die Neigung ein, von solchen Reizquellen nur noch die gelten zu lassen, die im Experiment isolierend gestellt und mit Messwerten belegt werden können;
- der Evolutionismus reduziert alle Manifestationen des Lebens und der Kultur auf Umbildungen elementarer Faktoren, die schon in primitiven Zuständen wirksam sind. (S-NP 32)
Physiologismus im frühen Griechentum
Mathematisch-experimenteller Einfluss im Barockzeitalter
Evolutionismus des 19. Jahrhunderts
Naturwissenschaftlicher Materialismus
Der naturwissenschaftliche Zugang ist letztlich materialistisch. Für Materie (im naturwissenschaftlichen Sinne) gelten (nur) Naturgesetze, die programmatisch in Kausalerklärungen auf empirisch-experimenteller Basis aufzusuchen sind. (Janich in Sturma, 79)
Naturwissenschaftliche Ideologisierung
Naturwissenschaftliche Erfahrung
Naturwissenschaftliche Begleitmusik
Naturwissenschaftlich beschreibbare Prozesse sind eine notwendige und zureichende Begleiterscheinung.
Naturwissenschaft bringt Begleitmusik hervor für die Bühne, auf der sich die Gefühle abspielen.
Ergänzung der naturwissenschaftlichen Erfahrung
Siehe: