Verhältnis: Unterschied zwischen den Versionen

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Verwechslung mit der Identität.
 
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== Topisches Verhältnis ==
 
== Topisches Verhältnis ==

Version vom 13. Mai 2011, 21:45 Uhr

Richtungslosigkeit

Verhältnisse sind richtungslos; sie können gewöhnlich in gerichtete Beziehungen gespalten werden, und zwar zunächst in zweistellige, aus denen sich aller höherstelligen Beziehungen zusammensetzen lassen. (S-BW 57)

Verhältnisse sind ungerichtet; deswegen macht es z.B. beim Potenzverhältnis keinen Unterschied, ob von der Beziehung der Wurzel zum Quadrat oder von der Beziehung des Quadrats zur Wurzel gesprochen wird. In beiden Fällen ist dasselbe Verhältnis gemeint, einmal von dieser und einmal von jener Seite anvisiert. Diese Indifferenz wird besonders auffällig, wenn man sie mit der entgegengesetzten Differenz bei gerichteten Prozessen vergleicht. (S-JDN 31)

Siehe: Richtung

Spaltbarkeit

Menschen, wie auch Tiere, können komplexe Verhältnisse im Umgang ganzheitlich auffassen und durch ihr Verhalten erfolgreich beantworten, aber für ein ins Einzelne eindringendes Verständnis benötigen sie die Aufspaltung der Verhältnisse in Beziehungen. Die ist aber nicht ohne Weiteres möglich. Sie muss bei zweistelligen Beziehungen ansetzen; für diese bedarf es einer Richtung vom ersten zum zweiten Beziehungsglied. Damit entsteht ein Zirkel: Die Unterscheidung der Richtungen setzt die der Beziehungen voraus, und umgekehrt. An einem bloßen Verhältnis findet das schlichte Auffassen kein Merkmal zur Unterscheidungen von Richtungen, die ihm gestatten könnten, eine Beziehung von etwas zu etwas herauszufiltern. Um dafür einen Anfang zu finden, muss ohne eigenes Zutun zusätzlich zum Verhältnis eine Richtung vorgegeben werden. Dazu gibt es nur eine einzige Gelegenheit, nämlich die Richtung des Flusses der Zeit, die verbraucht wird, um z.B. ... von der Wurzel zur Potenz oder vom c zum g der Quinte zu gelangen, ohne dieselbe Zeit zum Abstieg in der umgekehrten Richtung nutzen zu können. Der Fluss der Zeit hat eine Richtung, die man nicht zu suchen braucht; ... (S-JDN 32)

Spaltbares Verhältnis

Gerichtete Beziehung. Duales Verhältnis.

Unspaltbares Verhältnis

Z.B. das Sägen.

Partiell unspaltbares Verhältnis

z.B. Ausleibung.

Absolut unspaltbares Verhältnis

Verwechslung mit der Identität.

Topisches und Duales Verhältnis

Topisches Verhältnis Duales Verhältnis
Sein In-Sein (Durchdringungs-Metapher) An-Sein, Innen-Außen (Trennungs-Metapher)
Metapher Durchdringung Trennung
Vertikale Verbundenheit Horizontale Getrenntheit
Modell Feld-Modell Ding-Modell
Raum Durchdringung von Kraft im leiblichen Raum Flächige Trennung im objektiven Raum
Elemente Ton und Korpus (Kraft und Raum) Ding und Ding (Körper und Körper)
Zeitigkeit Schwingung und Korpus gleichzeitig an dergleichen Stelle (Gleichzeitigkeit) Stoß und Zug von zwei Körpern. Ein Körper an dergleichen Stelle nur in Nachzeitigkeit.

Topisches Verhältnis

  • 1 in ∞ (unendlich = situativ)
  • Auch chaotisches Verhältnis genannt. (S-Sub 13)
  • Leibliches In-Sein in Situationen
  • Unterscheidung von Schwingung und Resonanzkörper

Im topischen Verhältnis (oder auch chaotischen Verhältnis) sind zwei verschiedene Sachen durch ihre Orthaftigkeit miteinander verbunden, ab so chaotisch, dass weder diese Sachen noch diese Beziehung vereinzelbar ist.

Unentschiedenheit bzgl. der Identität oder der Verschiedenheit aufgrund des chaotischen Verhältnisses.

Siehe: In-Sein, Darin-Sein, Feld, Feldontologie, Ort, Topologie, Sphärologie, Mitwelt (statt Innen- und Außenwelt wie beim dualen Verhältnis), Dualismus

Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung

In diesem Fall stehen sich Subjekt und Objekt also nicht als verschiedene Wesen gegenüber, zwischen denen ein intentionaler Akt des Wahrnehmens vermitteln müsste. Auf der subjektiven Seite befindet sich dann vielmehr der spürbare Leib, auf der objektiven der Schall, und beide Seiten sind dann noch gar nicht so auseinandergekommen, dass es nötig wäre, sie erst wieder zusammenzuführen, damit Wahrnehmung geschehen kann. (S-Sub: 11)

An Stelle eines intentionalen Aktes, der vom Subjekt zum Objekt die Brücke schlüge, gibt es beim schlichten Wahrnehmen also vielmehr chaotisches Verhältnis zwischen dem Leiblichen und dem Sinnlich-Objektiven. (S-Sub: 11)

Sloterdijks Sphären, soviel lässt sich ohne Übertreibung sagen, ist der bislang bedeutungsvollste Beitrag der Philosophie zum Verständnis einer menschlichen Grunderfahrung, die man bislang sträflich vernachlässigte, obwohl sie doch so elementar ist: dass wir nicht einer Welt gegenüberstehen, wie es das traditionellen Subjekt-Objekt-Denken behauptet, sondern immer schon in etwas enthalten sind. Sloterdijk spricht Sinne, Empfindungen und Verstand an, um sie für die Erkundung des Naheliegenden zu gewinnen. Das Naheliegende? Es ist das, was von der Philosophie häufig übersehen wird: der gelebte und erlebte Raum. Wir leben stets in Räumen, in Sphären, in Atmosphären. Raumerfahrung ist die primäre Existenzerfahrung. (Safranski in VDU 75)

Eine Fundierung in radikaler Innerlichkeit muss also ebenso vermieden werden wie die Fundierung in reiner Äußerlichkeit. (KA in AE-GaA 93)

Die im Bereich konventioneller emotionstheoretischer Überlegungen vorfindbarer Bezugsfelder zwischen erkennendem (oder fühlendem) Subjekt und den Umgebungsbedingungen (Objekten) werden größtenteils dichotomisch gedacht bzw. wird diese Dichotomie völlig unreflektiert vorausgesetzt. (Wimmer in AE-GaA 119)

Duales Verhältnis

  • 1+1 oder 2+1
  • Ein duales Verhältnis ist ein Verhältnis mit zwei Einzelnen (1+1) und einer vereinzelbaren Relation (2+1).
  • Kausales Verhältnis und Kausalität
  • 1+1: Trennung als (pathogener) Ausschluss oder (heilsame) Unterscheidung.
  • 2+1: Verbindung als (pathogene) Vermengung oder (heilsame) Einbeziehung.
  • (Ausschluss) -> Unterscheidung - Einbeziehung <- (Vermengung)

Der Spuk fällt weg, wenn wir mit der Zwei beginnen. Mit dem Denken der Zwei beziehe ich den Standpunkt einer minimal-pluralistischen Ontologie. Was ich die Sphäre nenne, ist von Anfang an nur als dyadische Form, als Zweieinigkeitsstruktur gegeben. (Sloterdijk in SH-DSudT 14)

Wenn ich die Dichotomien, die ich ausgewählt habe, ablehne, ist dem nicht so, weil ich ihre intuitive Überzeugungskraft nicht wahrnehme oder weil die intuitive Überzeugungskraft in meinen Augen nicht zählt. Es ist eher so, weil diese Dichotomien so etwas wie störende Sehlinsen sind, die eher verhindern dass wir die wirklichen Phänomene - die Phänomene, die ich beschrieben haben - in ihrem vollem Umfang und Bedeutung sehen. (Putnam 1995, 30. Zit.n. FV-OW 347)

Sinn und Zweck der Dualität ist die Liebe. (Siegfried Essen)

Außen - Innen

Auch das Außen-Innen-Verhältnis ist ein typisch duales Verhältnis. Im Unterschied zum In-Verhältnis als topischen Verhältnis. Siehe In-Sein.

Doch schon die räumliche Metapher des Gegenübers ist fragwürdig ... (FV-OW 202)

Subjekt - Objekt: Gedanke - Körper

Die Aufteilung zwischen Subjekt auf der einen Seite und Objekt auf der anderen Seite knüpft an eine tief sitzende Intuition an, die unser Verhältnis zur Welt als ein Gegenüber beschreibt. Wir haben Erfahrungen mit den Erscheinungsweisen der Wirklichkeit als Gedanke und Körper und wir wissen um die Unterschiede zwischen den Erscheinungsweisen. Wir leben in einer Kultur, die die Absonderung des Bewusstseins von der zu beobachtenden Welt zu einem Grundpfeiler ihrer Interpretation der Wirklichkeit gemacht hat. ... In unserer Kultur ist nun die Unterscheidung in eine Trennung übergangen. Ihre kategoriale Trennung bei Descartes aber ist eine dramatische Verkürzung in der Beschreibung der Wirklichkeit, die zu Fehlinterpretationen führt und die in der Regel dazu neigt, der Ortlosigkeit des Subjekts Vorschub zu leisten. (FV-OW 192f)

Identitätsverhältnis

Aristoteles:

... bei wirklich geschehender Wahrnehmung seien Wahrnehmendes und Wahrgenommenes, z.B. Gehör und Schall, geradezu identisch. Das geht freilich zu weit. Hören ist kein Fremdbewusstsein; Subjekt und Objekt sind dann nicht identisch, aber auch nicht verschieden, sondern realiter unentschieden hinsichtlich der Frage, ob sie dies oder jenes seien. (S-Sub: 11)

Sloterdijk:

Wenn man die Eins an den Anfang stellt, ist man gezwungen, darüber nachzudenken, wie dieses Eine sich derart selbst teilen konnte, dass es aus sich den Übergang in die Zwei- und Mehrzahl schaffte. Die klassische spekulative Metaphysik ist ein einziges Phantasieren über die Selbstzerreißung und Selbstbegattung des Einen, über seine Ur-Teilung oder Ur-Entzweiung und seine Wege zur Wiedervereinigung - hier liegt die Matrix der sogenannten Großen Erzählungen. Auch was das 19. Jahrhundert philosophisch unter Geschichte versteht, bleibt diesem Schema unterworfen. (SH-DSudT 147)

Graduelles Verhältnis

  • 1 bis n ( = 1 Gattung )
  • Gradmesser für z.B. mehr oder weniger Körperlichkeit, mehr oder weniger Gedanke
  • Gattungsmäßige Einheit von heterogenen Phänomenen wie Gedanke und Körper: Einheitserfahrung der Person

Ausdruck eines Grades ist immer der Ausdruck von demselben, das als Gattung genannt werden sollte. Z.B. Leib als Gattung für das psycho-physische Kontinuum, siehe auch Panpsychismus.

subjektiv - objektiv

Wir nutzen die Begriffe objektiv und subjektiv im Sinne von graduellen Unterschieden. Die substantivierte Form als "Subjekt" oder "Objekt" ist wegen der genannten Doppeldeutigkeiten und Gefahren der Reifizierung außerhalb grammatikalischer Verwendungen besser zu vermeiden. (FV-OW 196)

Deshalb bleibt es möglich, die Adjektive subjektiv und objektiv auf das Schema nicht in einer absoluten, aber in einer komparativen Weise zu verwenden. Die Erscheinungsweisen des Leibes haben nach dem herkömmlichen Gebrauch dieser Begriffe einen mehr subjektiven oder einen mehr objektiven Charakter. Meine Gedanken sind eher subjektiv, mein Fuß eher objektiv. (FV-OW 193)

Anschlussverhältnis

Realisationsverhältnis

  • A wird durch B realisiert (nicht exklusiv: A kann daher auch durch C realisiert werden)
  • Mittelding zwischen einem Identitätsverhältnis und einem dualen Verhältnis.
  • Beispiel: Das Verhältnis von Person und Leib ist eine Realisationsrelation. Die Person wird durch den Körper leiblich realisiert.
  • Siehe: Realisationsrelation


Diskussion

Erfahrungsgrundlagen:

  1. Erfahrung: topisches Verhältnis (Leib)
  2. Erfahrung: duales Verhältnis (Leib und Körper)
  3. Erfahrung: graduelles Verhältnis (Körper ... Psyche)