Konstruktivismus

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Konstruktivismus und Konstruktion

Subjektive Konstruktion als subjektive Tatsache 1. Ordnung

Konstruktion von Einzelnen

Konstruktivismus und Geschlossenheit

Diese Denkweise macht ein Rätsel daraus, wie das Subjekt aus seiner Innenwelt herauskommt, wie es aus dem Hause gehen kann, in dem es Herr und Gefangener zugleich ist; die Einsperrung in eine Monade ohne Fenster ist davon die zu Ende gedachte Konsequenz. Die Einbettung der persönlichen Situation in gemeinsame Situationen wird durch die Abgrenzung des Erlebens in der Innenwelt, die Mauern des Hauses Seele (oder Ufer des Bewusstseinsstroms) gehindert, und der Kontakt in der Wahrnehmung kann nicht mehr als primäres Verstricktsein in gemeinsame Situationen durch leibliche Kommunikation, namentlich wechselseitige Einleibung, verstanden werden, sondern nur noch als Austausch von Signalen über Kanäle, die bei der Afferenz die sogenannten Sinnesorgane passieren, bei der Efferenz die motorischen Nerven und die Muskeln. (S-AHG 36)

Erfundene Inputs

Das System hat nie einen direkten, sondern nur einen indirekten Kontakt mit der Außenwelt. Und es geht mit den Inputs der Außenwelt so um, dass man sagen könnte: Das System erfinden sich seine externe Daten.

Geschlossenheit gegenüber anderen Psychen

Der Konstruktivismus suggeriert dass man nicht in den personalen Raum eines anderen Menschen hineingehen kann. Das ist aber möglich und genau Problem bei Symbiosen. D.h. der Konstruktivismus verschleiert atopische Gefühle.

Konstruktivistischer Idealismus

  • radikaler Konstruktivismus als subjektiver Idealismus.
  • sozialer Konstruktivismus ist als Begriff unzureichend, da nur der konstruktive Aspekt betont wird nicht, der erfahrende Anteil.

Der Konstruktivismus ist ein Ableger des abendländischen Visualprimats. Er baut seine Erkenntnistheorie und Wissenssoziologie auf das Auge. Die These, die Welt sei Vorstellung und wir konstruieren die Wirklichkeit, ist dem Idealismus des Sehens geschuldet. Einher geht damit das intellektuelle Vorurteil des Theorieprimats (inneres Auge). Ausschließlich von "Bildern" handelt sein Denken; nur das, was bildhaft ist, ist ihm wirklich. (MU-DLGG 90)

So gesehen ist der Konstruktivismus nichts anderes als die Fortführung des Kantschen Projekts des transzendentalen Idealismus - und scheitert mit ihm. (...) Es ist interessant, dass in der archaischen Welt der Weise oft blind ist, z.B. Teiresias (...), oder auch einäugig, wie z.B. der germanische Gott Odin. Hier scheint eher die Vorstellung leitend, dass dass Sehen mit den Augen der Weisheit abträglich ist. (MU-DLGG 90)

Siehe: Konstruktiver Idealismus

Vico-Prinzip

Nicht was die Welt sei, sondern wie sie als gemacht gedacht werden kann, um sie innerhalb dieser obersten Gesetze als praktisch veränderlich überhaupt zu denken, interessiert [den positiven Forscher, M.U.]. (Scheler, zit. n. MU-DLGG 91)

"Wir können nur erkennen, was wir machen können". (S-SaP 328)

Spannungsfeld zwischen Selbstwiderlegung und Solipsismus

Wie gesehen führt die theorieimmanente Notwendigkeit zur Behauptung der strukturdeterminierten Kognition die konstruktivistische Wahrnehmungsauffassung stets in das Spannungsfeld zwischen

  • argumentativer Selbstwiderlegung
  • und der Bedeutungslosigkeit eines solipsistischen Standpunktes.

(Konstruktivistische Pädagogik – eine viable Konstruktion? Von Reinhard Keßler, S. 126)

Formen des Konstruktivismus

Radikaler Konstruktivismus

  • Alles ist radikal Einzeln. (Singularismus)
    • Alles ist radikal von jedem Einzelnen konstruiert.
  • Die Welt in mir. (Introjektionismus)
    • Es gibt lauter einzelne Welten.
  • Die Welt da draußen, wird mit Projektionen überdeckt. (Projektionismus)

Radikale Konstruktivisten leugnen die Erkenntnis einer unabhängigen Realität. Dass dies keine sinnvolle Behauptung ist, solange man nicht nackte Tatsachen an sich gelten lässt und den Anspruch, sie zu erkennen, zurückbehält, wurde in Kapitel 3 gezeigt. So viel "unabhängige Realität" muss man also zugeben. Wenn aber die unabhängige Realität in einer einzigen, die ganze Welt umfassenden Füllung dieser Welt mit Inhalt und die Erkenntnis nur im genauen Nachzeichnen des Inhalts bestehen soll, ist die Verwerfung gerechtfertigt. Nur wird das von den radikalen Konstruktivisten nicht so gesagt, sondern, nach der Redensart, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. (S-GedW 139)

Die Wendung "Das erscheint mir so" ist ja offenbar so zu verstehen, dass die behaupteten Tatsachen keine Tatsachen an sich sind, sondern Tatsachen für ihn, in seiner Perspektive, sind, hinter denen sich entzieht, was an sich ist, sogar, wenn es sich um den eigenen Zustand des Autors etwas seiner Meinungen und Intentionen, handelt. Dann wird alles unglaubwürdig. V. Glasersfeld scheitert beim Behaupten daran, dass er unter dem, was er behauptet, keine nackten Tatsachen an sich gelten lässt. (S-GedW 44)

Maturana gilt als Stifterfigur des radikalen Konstruktivismus. (S-GedW 18)

Gegenargument: Evidenz im Augenblick, z.B. "der leichtsinnige Läufer, der sich mit gebrochenem Bein eingestehen muss, dass ihm eben doch etwas passieren kann." (S-GedW 139)

Ausprägung des Idealismus: Konstruktiver Idealismus.

Leibphänomenologie als radikaler Konstruktivismus

  • Radikalismus der je eigenen Wirklichkeit auch in der je eigenen Leiblichkeit gegeben:

Eigene Wirklichkeit bedeutet dabei die Artikulation der Leiblichkeit auf der Höhe eines präreflexiven Bewusstseins. (AB-BuB 81)

Sozialer Konstruktivismus

Die Konstruktionen sind nicht allzu individuell, sondern richten sich nach gemeinschaftlichen, zuständlichen Situationen, in denen man lebt und aus denen heraus in spezifischer Weise expliziert wird.

Dem sozialen Konstruktivismus entspricht in meiner Terminologie der erkenntnistheoretische Explikationismus (Hermann Schmitz: Replik Phänomenolgie als Anwalt der unwillkürlichen Lebenserfahrung, Pos 200)

Erkennt der soziale Konstruktivismus auch subjektive Tatsachen zweiter Ordnung an?

Konsequenter Konstruktivismus

  • Die Welt wird konstruiert und besteht aus gegenseitiger Interdependenz.
  • Ausnahme von der generellen Interdependenz: Die Erkenntnis der Interdependenz ist unabhängig feststellbar.

Vertreter: Matthias Varga von Kibéd

Konstruktivismus als wissenschaftlicher Realismus und lebensweltlicher Antirealismus

Wenn man den Konstruktivismus ernst nimmt, dann verfährt man antirealistisch gegenüber der Welt, aber gleichzeitig realistisch gegenüber der Wissenschaft, der Forschergruppe und ihren Traditionen. (Vgl: Theoretische Philosophie, HfPh, 27)

Konstruktivismus Phänomenologie
Antirealismus gegenüber der Welt Vertrautheit der phänomenalen Welt
Realismus gegenüber der Wissenschaft Szientismus-Kritik

Antirealismus gegenüber der Welt

Die Welt in mir.PNG

Was Sie erleben, ist nicht Realität, sondern virtuelle Realität - eine Möglichkeit. Natürlich existiert der physische Körper, und natürlich gibt es eine Außenwelt. Aber genau genommen - und nur auf der Ebene des bewussten Erlebens selbst - leben Sie Ihr Leben in einem virtuellen Körper und nicht in einem wirklichen. (TM-DET 172)

Alle empirischen Daten deuten mittlerweile darauf hin, dass der phänomenale Gehalt lokal determiniert wird, nicht einmal ansatzweise durch die Umwelt, sondern allein durch innere Eigenschaften des Gehirns. Außerdem sind die relevanten Eigenschaften immer dieselben, ganz gleich, ob Sie eine rote Rose betrachten, sich vorstellen oder davon träumen. Das subjektive Erleben von Sandelholz und Ambra erfordert kein Räucherstäbchen, man braucht dazu nicht einmal eine Nase - prinzipiell lässt es sich auch dadurch auslösen, dass man die richtige Kombination der den Riechzellen nachgeschalteten Glomeruli im Riechkolben stimuliert. (TM-DET 28f)

Realismus gegenüber der Wissenschaft

Ich und Welt.PNG

In der systemischen Psychotherapie breit rezipiert wurden jedoch die naturwissenschaftlichen Varianten des Konstruktivismus. Deren Herkunft aus den "harten Wissenschaften" kommt wohl eher dem impliziten Wunsch von psychotherapeutischen Praktikern entgegen, den ihnen anhängenden Vorwurf des Subjektivismus zu überwinden, und befriedigt zugleich die Steuerungsphantasien der Profession. (OK-F 205)

Konstruktivismus und Projektionismus

Siehe: Projektionismus

Konstruktivismus und Explikationismus

Siehe: Explikationismus und Konstruktivismus

Konstruktivismus und Phänomenologie

Siehe: Phänomenologie und Konstruktivismus

Varianten des Konstruktivismus

Naturwissenschaftlicher Konstruktivismus

  • Begründung mit neurobiologischen Erkenntnissen, insbesondere von Maturana und Varela.
  • keine korrespondenztheoretische Bezugnahme auf die Ergebnisse der Gehirnforschung
  • Methodologisches Prinzip ist nicht (realistische) Korrespondenz, sondern interne Kohärenz

Siehe: #Realismus gegenüber der Wissenschaft, Neurokonstruktivismus

Phänomenologischer Konstruktivismus

Der sozialwissenschaftliche Konstruktivismus stellt sich bewusst in die Tradition der Phänomenologie. (Vgl.: OK-F 205)

Konstruktivismus und Geltungsanspruch

Aber wo autopoietische, systemtheoretische oder (angeblich) nicht reduktionistisch verfahrende, physikalistische Ansätze vertreten werden (Gerhard Roth, H. Schwegler), liegen Formen eines radikal-konstruktivistischen Zugangs zur Kognition vor, die einem prinzipiellen Einwand offenstehen: Sie alle stützen sich auf Ergebnisse von Naturwissenschaften in Interpretationen, die deren eigenen Wahrheitsanspruch nicht mehr einholen können. Ob im Biologismus von Maturana und Varela, im Physikalismus Roths oder in systemtheoretischen Versuchen, dann die Erkenntnisleistungen der investierten Biologie, Chemie und Physik ihrereseits als Konstruktionsleistungen von Gehirnen, Beobachtern, und eventuell höheren Systemen ganzer scientific communities zu rekonstruierten, wird prinzpiell übersehen, dass sich der Anspruch auf Geltung dieses Ansatzes selbst innerhalb dieses Ansatzes nicht mehr einholen lässt. Wer so redet, dass er per definitionem systemtheoretisch nur noch die Beobachterperspektive einnehmen kann, hat sich selbst endgültig die Teilnehmerperspektive verbaut. Er kann nicht mehr auf der kognitionswissenschaftlichen Ebene einen Anspruch auf Geltung der kognitionswissenschaftlichen Behauptungen erheben, da er diese selbst zum Gegenstand einer systemtheoretischen Deskription gemacht hat. Damit wird a fortiori der Anspruch auf Geltung von Kognitionsresultaten auf der Objektebene der Kognitionswissenschaften verfeht. Das heißt, die gesamte systemtheoretische Raffinesse der radikal-konstruktivistischen Ansätze hat mit ihrer gelungenen Naturalisierung die spezifisch menschliche Kulturleistung von Wahrheit und Geltung, von Kognition und Erkenntnis aufgegeben. (Janich MPK 380f)