Sprache: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 2. Juli 2012, 14:24 Uhr

Natürliche Sprachen als Situation aus Regeln

Sprachen sind teils

  • natürliche Sprachen,
  • teils Kunstsprachen.

Natürliche Sprachen sind Situationen, in die man entweder (besonders in der Kindheit) ganzheitlich hineinwächst oder schrittweise und willkürlich eindringt, bis man sie "kann" oder "beherrscht", wie Schwimmen oder Tanzen oder ein Instrument (Klavier, Schreibmaschine, Auto usw.) (S-NGdE 240f)

[Sprache ist] ein Gesamtprogramm oder Verhaltensmuster, bestehend aus Regeln (d.h. Programmen für möglichen Gehorsam, denen unbestimmt häufig gehorcht werden kann), die mit im Allgemeinen unverbindlicher (d.h. vom Belieben des Adressaten, hier des jeweiligen Sprechers, abhängiger) Geltung Rezepte dafür angeben, wie man sich zu benehmen hat, um redend Sachverhalte, Programme und Probleme darzustellen und dabei nach Bedarf Sprechakte zu vollbringen. (S-NGdE 239f)

Die jeweilige Sprache ist ein Regelsystem, nämlich eine Situation mit diffus chaotisch-mannigfaltiger Bedeutsamkeit aus Regeln, nämlich Sätzen. (S-Weg 584)

Einbettung in der Sprache

Die Einbettung befähigt den Sprecher, mit ihr [der Sprache] redend umzugehen. (S-NGdE 260)

Das Kind wächst ganzheitlich in eine Sprache hinein, dringt in sie ein.

Sprache und Rede

Gegen Wittgensteins Aussage: "Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache."

In der Sprache wird nicht gesprochen und daher nichts gebraucht; mit der Sprache wird geredet, und diese Rede wird zu allerlei Zwecken, u.a. zur Verständigung mit anderen, gebraucht. Die Bedeutung von Worten und anderen sprachlichen Ausdrücken gehört zur Sprache, nicht zur Rede, und hat daher mit Gebrauch nichts zu tun. Wohl kann man, wenn man die Sprache kennen lernen will, ihr System aus dem beobachteten Gebrauch in der Rede erschließen, aber der Könner, der die Sprache gelernt hat oder von Kind auf in sie hineingewachsen ist, hat das nicht nötig, sondern er ist entweder in sie als Muttersprache mit seiner persönlichen Situation eingepflanzt (implantiert) oder er kann in diese Situation leicht hineinschlüpfen, wenn er eine Fremdsprache beherrscht. (S-Weg 584f)

Inventartheorie der Sprache

Siehe: Elementarismus

Gebrauchstheorie der Sprache

Insofern betrifft die Gebrauchstheorie der Sprache nicht die Rede, aber sie bleibt trivial und sagt nicht mehr als die volkstümliche Rede vom Sprachgebrauch. Nicht trivial ist freilich die Unterscheidung des sinnvollen Sprachgebrauchs vom Missbrauch der Sprache (z.B. durch Sprachverhunzung, Blödeleien, Missgriffe eines Sprachunkundigen), aber gerade dazu ist die Gebrauchstheorie nicht in der Lage, denn sie setzt ja Bedeutung (ist gleich) Gebrauch oder Verhalten, und Missbrauch ist so gut Gebrauch wie sinnvoller Gebrauch. (S-NGdE 242)

Verführungen der Sprachtypen

Subjekt, Prädikat, Objekt

Die indogermanische Syntax verführt z.B. dazu, die Welt als ein Geflecht von Substanzen, die durch kausale Beziehungen verbunden sind, aufzufassen. (S-WNP 364)

Die Berufung auf ein angeblich normale Sprache genügt nicht. Abgesehen davon, dass die Alltagssprache in nicht geringem Umfang "gesunkenes Kulturgut" früherer philosophischer Prägungen ist, über jede Sprache durch ihre Syntax und ihren Wortschatz bestimmte Suggestionen aus, die einer Auszeichung als normal im Wege stehen. Es handelt sich z.B. um die Formen von Subjekt und Prädikat, Subjekt und Objekt (Nominativ und Akkusativ), die dazu verführen, Relationen für selbstverständlich zu halten und sich über ihre Ablösung aus komplexen, gleichermaßen von mehreren Seiten ablesbaren Verhältnissen keine Gedanken zu machen, ferne dazu, alles für identisch und einzeln zu halten, als Gegenstand möglicher Aussagen. (S-DWdeP2 608)

Aktiv, Passiv und Medium

Unsere Sprache macht es uns allerdings schwer, diesen ganz schlichten Tatbestand [der vorausgesetzten Subjekt-Objekt-Einheit in der Wahrnehmung] zu formulieren, weil sie uns dazu zwingt, jedes Geschehen mit Hilfe von Verben im Aktiv oder Passiv als ein Tun oder Leiden auszugeben, wodurch sich der Unterschied zwischen Akt und Gegenstand der Wahrnehmung als etwas ganz Selbstverständliches und vom Sprecher jeweils schon Zugegebenes aufzudrängen scheint. (S-Sub 8)

Siehe:

Sprache ohne Namen

In einer Sprache ohne Namen, die mit Verben im Infinitiv, Adverbien und einem kompliziertem System von Adverbialsuffixen sowie Satzverbindungen auskäme, könnte alles gesagt werden, was wir in unserer Sprache an Sachverhalten, Programmen und Problemen darstellen können, aber von keiner einzelnen anderen Sache wäre dabei die Rede; unsere impersonale Konstruktionen wie "Es regnet" oder "Hier ist gut sein" geben eine Ahnung von der Möglichkeit einer solchen Sprache, mehr noch die grönländische Sprache, wie Finck sie geschildert hat. (S-BW 47)

Eine Sprache ohne Namen, die sich auf Infinitive, Adverbien mit einem reich entwickelten Anhang von Adverbialsuffixen zur grammatischen Steuerung und satzbildende Operatoren (der Negation, Satzverknüpfung, Quantifizierung und Modalität) beschränkte, könnte ebenso elegant, bequem und ausdrucksfähig wie die unsrige sein, aber ihre Einzelwesen wären nicht Körper und Personen, Farben und Geräusche, sondern Sachverhalte, Programme und Probleme. In einer solchen Sprache würde nicht Beziehungen einer Sache zu anderen Sachen dargestellt werden, sondern komplexe Verhältnisse vor der Aufspaltung in Relationen. Das zum Sprechen dieser Sprache gehörige Denken wäre nicht diskursiv, sondern müsste von einem ganzheitlichen Geschehen her differenzieren und nuancieren. Weil wir das nicht können, bleibt eine solche Sprache uns versagt. Die grönländische Sprache scheint aber in diese Richtung zu tendieren. (S-DWdeP2 620)

Sprachvergleich

  • ohne Namen
  • nur mit Verben
  • Sätze um einen zentralen Vorgangsausdruck herum gebaut: S->O->[P]
  • Adverbien, Adverbialsuffixe: adverbiale statt nominale Äquivalente
  • Konjunktionen zur Sätzeverbindung

Beispiele auf Deutsch:

  • Es regnet
  • Hier lässt sich's leben
  • Hier ist gut sein

Beispiele auf Japanisch:

  • liebend sein (愛してる)
  • essend sein (食べてる)
Deutsch Japanisch Grönländisch
Thema/Subjekt/Objekt/Prädikat [S]<-P<-O T/S->O->[P]
Verb-Konjugation 1.-3 Person Singular + Plural keine personale Konjugation keine personale Konjugation

Sprache und Intentionalität

Neben der Betonung leiblicher Kommunikation verweist Schmitz auch immer wieder darauf, dass die Sprache uns die Annahme intentionaler Strukturen suggeriert, obwohl sie dem Vorgang vollkommen äußerlich ist. (A-SdE 261f)

Man kann sich darüber wundern, wie die im Grunde billige und triviale sprachliche Gelegenheit, mit der Rede von einem Bewußtsein die von einem Gegenstand dieses Bewußtseins zu verbinden, als sicherer und fruchtbarer Leitfaden wissenschaftlicher Forschung ausgegeben werden konnte. Unsere Sprache legt es uns nahe,

  • jede Freude als Freude über etwas,
  • jeden Haß als Haß gegen etwas,
  • jedes Wollen als Wollen eines Ziels,
  • jeden Gedanken als Gedanken an etwas,
  • jede Erwartung als Erwartung von etwas

u. dgl. mehr zu verstehen; diese sprachliche Bequemlichkeit hängt mit dem Unterschied des Aktivs und des Passivs in den indogermanischen Sprachen zusammen. (S-Sub 2)

Die in unsere Sprachen eingelassene Unterscheidung von Aktiv und Passiv erschwert es, so die Argumentation von Schmitz, Wahrnehmungen unabhängig vom aktiven oder passiven Subjekt thematisieren zu können. Die Formulierung eines passiven und anonymen Wahrnehmungsvorgangs, indem nicht bereits die Unterscheidung von Subjekt und Objekt, von Wahrnehmendem und Wahrzunehmendem vorausgesetzt ist, ist nicht so naheliegend. Viel eher geben wir die Ereignisse als ein Tun oder Erleiden, im Aktiv oder Passiv an, so dass der Unterschied zwischen dem Wahrnehmungsakt un dem, worauf die Wahrnehmung sich richtig, bereits vorausgesetzt wird. (A-SdE 262)

Solche grammatische Suggestion darf aber nicht den Umstand verdecken, daß z.B. bei schlichter optischer Wahrnehmung außer dem optisch dargeboteten Gehalt nicht auch noch ein davon verschiedenes Sehen als Bewußtsein dieses Gehalts vorzufinden ist. (S-Sub 8)

Die Kritik der Intentionalität ist immer auch eine Auseinandersetzung mit den sprachlichen Strukturen der Bindung vorpersonaler Ereignisse an personale Strukturen der Aktivität und der Passivität eines transzendentalen Subjekts. (A-SdE 262)


Zitate

Wie soll unsere Sprache, die eine Subjekt- und Objektsprache ist, etwas erfassen, was sich jenseits solcher Bezüge ereignet? (H-PS 182)

Verweise