Singularismus: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | {{c|Die Lehre, dass alles Einzelne diskret ist, d.h. in dem, was es ist, abgesondert mit sich allein, ergibt zusammen mit dem Axiom, dass alles Seiende einzeln oder (numerisch) Eines ist (omne ens unum), den Grundsatz des Singularismus: Alles ist ohne weiteres einzeln. Dieser Grundsatz ist falsch, ...|S-DWP2 65}} | ||
=== Starke These des Singularismus === | === Starke These des Singularismus === | ||
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* für [[Identität]] die [[leibliche Engung]] im [[vitaler Antrieb|vitalen Antrieb]], auf der Grundlage der Befähigung zu [[primitive Gegenwart|primitiver Gegenwart]], | * für [[Identität]] die [[leibliche Engung]] im [[vitaler Antrieb|vitalen Antrieb]], auf der Grundlage der Befähigung zu [[primitive Gegenwart|primitiver Gegenwart]], | ||
* und für die [[Einzelheit]] die Bereitstellung von [[Gattung]]en aus der [[Bedeutsamkeit]] von [[Situation]]en durch [[satzförmige Rede]].|S-LU 43}} | * und für die [[Einzelheit]] die Bereitstellung von [[Gattung]]en aus der [[Bedeutsamkeit]] von [[Situation]]en durch [[satzförmige Rede]].|S-LU 43}} | ||
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+ | == Beschränkung der Mannigfaltigkeit == | ||
+ | {{c|Zum Singularismus gehört die Beschränkung der Mannigfaltigkeit auf numerische vieler Einzelner, also, falls nicht überschwänglich große Klassen (wie die Allklasse) gewählt werden, auf zahlfähige Mengen. Auch in dieser Hinsicht ist Husserl Singularist, wie z.B. seine mechanistische Vorstellung von der Zusammensetzung des Bewusstseins aus Akten wie aus Maschinen zeigt, verglichen mit der wechselseitigen Durchdringung nach Bergson.|S-DWP 667-8}} | ||
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+ | == Verschärfung zum Absolutismus == | ||
+ | {{c|Eine Verschärfung des Singularismus, nach dessen Grundsatz alles ohne weiteres einzeln ist, ist der Absolutismus, entweder in der krassen Gestalt bei Wilhelm von Ockham, dass es überhaupt nur absolute Sachen (keine Beziehungen) gibt, oder in der Weise einer Degradation der [[Beziehung]]en zu bloßen Anhängseln absoluter Sachen, die mit abgeschlossener Wesenheit den [[Beziehung]]en zugrunde lägen.|S-DWdeP2 560}} | ||
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+ | == Sprachabhängigkeit == | ||
+ | * [[Sprache]]n mit Namen | ||
+ | * Subjektorientierte [[Sprache]]n | ||
== Geschichte == | == Geschichte == | ||
* Thomas von Aquino | * Thomas von Aquino | ||
* Wilhelm von Ockham | * Wilhelm von Ockham | ||
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{{c|Die Scholastiker sind im Allgemeinen Singularisten; sie hängen der falschen Meinung an, dass [[Einzelheit]] oder numerische [[Einheit]] (d.h. die Fähigkeit, eine Anzahl um 1 zu vergrößern) sich von selbst versteht, wie es Abaelard unübertrefflich formuliert, indem er sich auf Boethius für die These beruft: "Alles was eines ist, ist ein Eines in der Zahl nach, d.h. diskret in eigener Wesenheit." Duns Scotus hat vor Denkern wie Thomas von Aquino und Suarez den Vorrang an Tiefe, dass er diesen Singularismus nicht mitmacht.|S-DWdeP2 110}} | {{c|Die Scholastiker sind im Allgemeinen Singularisten; sie hängen der falschen Meinung an, dass [[Einzelheit]] oder numerische [[Einheit]] (d.h. die Fähigkeit, eine Anzahl um 1 zu vergrößern) sich von selbst versteht, wie es Abaelard unübertrefflich formuliert, indem er sich auf Boethius für die These beruft: "Alles was eines ist, ist ein Eines in der Zahl nach, d.h. diskret in eigener Wesenheit." Duns Scotus hat vor Denkern wie Thomas von Aquino und Suarez den Vorrang an Tiefe, dass er diesen Singularismus nicht mitmacht.|S-DWdeP2 110}} | ||
− | === Kant === | + | === [[Kant]] === |
− | {{c|Kants Singularismus empfängt dadurch eine eigentümliche Note, dass er unter den großen Singularisten der neuzeitlichen Philosophie der Erste ist, der sich um den Singularismus gar nicht mehr zu bemühen braucht, weil dieser ihm so selbstverständlich geworden ist, dass keine entgegengesetzte Denkweise mehr in seinem Horizont auftaucht.|S-DWdeP2 324 | + | {{c|[[Kant#Singularismus|Kants Singularismus]] empfängt dadurch eine eigentümliche Note, dass er unter den großen Singularisten der neuzeitlichen Philosophie der Erste ist, der sich um den Singularismus gar nicht mehr zu bemühen braucht, weil dieser ihm so selbstverständlich geworden ist, dass keine entgegengesetzte Denkweise mehr in seinem Horizont auftaucht.|S-DWdeP2 324}} |
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− | + | {{c|Kant, der erste fraglos im Singularismus als selbstverständlicher Voraussetzung lebender Denker, ...|S-DRdN 143}} | |
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== Ordinatorischer und permutatorischer Singularismus == | == Ordinatorischer und permutatorischer Singularismus == | ||
=== Ordinatorischer Singularismus === | === Ordinatorischer Singularismus === | ||
+ | {{c|Singularismus, verbunden mit dem Glauben an eine strenge Weltordnung, in der im Wesentlichen alles Einzelne seinen festen bestimmten Platz hat.|S-NWdeP 827}} | ||
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{{c|... weil der Singularismus ''ordinatorisch'' bleibt, mit Einbettung alles Einzelnen in eine strenge, bei Thomas von Aquino sogar linear skalierte Ordnung des Weltgebäudes.|S-DWdeP 190}} | {{c|... weil der Singularismus ''ordinatorisch'' bleibt, mit Einbettung alles Einzelnen in eine strenge, bei Thomas von Aquino sogar linear skalierte Ordnung des Weltgebäudes.|S-DWdeP 190}} | ||
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=== Permutatorischer Singularismus === | === Permutatorischer Singularismus === | ||
+ | {{c|Singularismus, verbunden mit dem Glauben, dass die Plätze der Einzelnen im Wesentlichen vertauschbar sind.|S-NWdeP 827}} | ||
==== Wilhelm von Ockham ==== | ==== Wilhelm von Ockham ==== | ||
− | {{c|Wilhelm von Ockham zersetzt diese Harmonie durch eine Radikalisierung des Singularismus, der die Zusammenhänge kappt und alles in eine Absolutheit als ens a se entlässt, mit Bestreitung der Relationen und Ersetzung aller gegenständlichen Bedeutungen von etwas als etwas durch Projektion von Vorstellungen im Wege sprachlicher Zuschreibung. Zu den Bedeutungen und Relationen, die dabei geopfert werden, gehört auch die Ordnung des Universums. ...An die Stelle des ordinatorischen Singularismus tritt ein ''permutatorischer'', der | + | {{c|Das Revolutionäre der Denkerfigur des Wilhelm von Ockham besteht darin, dass ihm das Axiom des Singularismus "Alles ist ohne weiteres einzeln und abgeschlossen in seinem Wesen" nicht nur als Voraussetzung wie selbstverständlich zur Verfügung steht, sondern zum schonungslos rigoros verteidigten leitenden Thema wird, so dass in dieser Hinsicht erst durch Wilhelm die Scholastik zu sich selbst, d.h. zu ausdrücklich reflektiertem Selbstbewusstsein, kommt, sicherlich in bewusster Antithese zum Denken seines Ordensbruders Duns Scotus.|S-DWP2 79}} |
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+ | {{c|Wilhelm von Ockham zersetzt diese Harmonie durch eine Radikalisierung des Singularismus, der die Zusammenhänge kappt und alles in eine Absolutheit als ens a se entlässt, mit Bestreitung der Relationen und Ersetzung aller gegenständlichen Bedeutungen von etwas als etwas durch Projektion von Vorstellungen im Wege sprachlicher Zuschreibung. Zu den Bedeutungen und Relationen, die dabei geopfert werden, gehört auch die Ordnung des Universums. ...An die Stelle des ordinatorischen Singularismus tritt ein ''permutatorischer'', der alle beliebigen Vertauschungen zulässt.|S-NWdeP 190f}} | ||
{{c|Der permutatorische Singularismus, das Erbe Wilhelms, ist, wie das Beispiel zeigt, ein fast ebenso wichtiger Beitrag wie die psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistische Vergegenständlichung zum Dienst der Wissenschaft an der technisch vermittelten Weltbemächtigung, worauf Bacon ihre Daseinsberechtigung reduziert.|S-NWdeP 251}} | {{c|Der permutatorische Singularismus, das Erbe Wilhelms, ist, wie das Beispiel zeigt, ein fast ebenso wichtiger Beitrag wie die psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistische Vergegenständlichung zum Dienst der Wissenschaft an der technisch vermittelten Weltbemächtigung, worauf Bacon ihre Daseinsberechtigung reduziert.|S-NWdeP 251}} |
Aktuelle Version vom 1. Oktober 2023, 01:54 Uhr
Definition
Starke These des Singularismus
Starke These, dass alles ohne Weiteres einzeln ist; das Weitere besteht im Element- und Fallsein. Seit Wilhelm von Ockham radikal durchgesetzt. Widerlegung: Einzelnes kann nur als Element einer Menge und Fall einer Gattung sein.
Schwache These des Singularismus
Schwache These, dass alles einzeln ist, d.h. alles Element einer Menge ist. Widerlegung: empirisch (Beispiel "durchdöste Frist") oder logisch (Fehler in der Voraussetzung, dass jede Bestimmung einzeln ist, denn: Alle einzelnen Bestimmungen sind in einem Nebel nicht vereinzelter eingebettet.) Darauf stützt sich der Konstellationismus, die Auffassung der Welt als Netzwerk einzelner Faktoren.
Siehe: Elementarismus, Monadisches Paradigma
Verwandt: Projektionismus, Explikationismus
Bedingung der Möglichkeit von Einzelnem
Der Singularist übersieht aber, dass zwar das Handgreifliche mit seiner massiven Widerstandsleistung einen sehr konkreten Eindruck macht, die Identität und erst recht die Einzelheit daran sich aber keineswegs von selbst verstehen; wenn er sich auch nur darauf besinnt, was er mit seiner These, das alles von vorn herein einzeln ist, meint, muss er, wie sich gezeigt hat, Objekte, die er für abstrakte hält, Anzahlen und endliche Mengen, zu Hilfe rufen. Es ist naiv, zu glauben, dass den Dingen gleichsam ins Gesicht geschrieben stünde, dass sie diese Dinge sind und Anzahlen um 1 vermehrten;... Statt dass ein Ding seine Identität und Einzelheit als etwas Selbstverständliches von sich aus versichern könnte, muss es diese Eigenschaften aus einem Hintergrund undinglicher Voraussetzungen übernehmen. Welche es sind, hat sich ergeben:
- für Identität die leibliche Engung im vitalen Antrieb, auf der Grundlage der Befähigung zu primitiver Gegenwart,
- und für die Einzelheit die Bereitstellung von Gattungen aus der Bedeutsamkeit von Situationen durch satzförmige Rede. (S-LU 43)
Beschränkung der Mannigfaltigkeit
Verschärfung zum Absolutismus
Sprachabhängigkeit
Geschichte
- Thomas von Aquino
- Wilhelm von Ockham
- Kant
Kant
Ordinatorischer und permutatorischer Singularismus
Ordinatorischer Singularismus
Permutatorischer Singularismus
Wilhelm von Ockham
- Neuzeit: Wissenschaft als Magd der Technik
- Mittelalter: Philosophie als Magd der Theologie