Sachverhalt: Unterschied zwischen den Versionen

Aus TopoWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 39: Zeile 39:
 
{{c|Die These, dass Sachverhalte unabhängig von [[Sprache]] und [[satzförmige Rede|satzförmiger Rede]] vorkommen, ...|S-LU 66}}
 
{{c|Die These, dass Sachverhalte unabhängig von [[Sprache]] und [[satzförmige Rede|satzförmiger Rede]] vorkommen, ...|S-LU 66}}
  
==== Un-/ Vorsprachlichkeit [[subjektive Sachverhalte|subjektiver Sachverhalte]] ====
+
==== Un-/ Vorsprachlichkeit [[subjektiver Sachverhalt|subjektiver Sachverhalte]] ====
 
{{c|Der entscheidende Hebel zur Befreiung der Sachverhalte aus den Fesseln der Sprache ist meine Entdeckung der subjektiven Sachverhalte (einschließlich der Tatsachen).|S-NGdE 58f}}
 
{{c|Der entscheidende Hebel zur Befreiung der Sachverhalte aus den Fesseln der Sprache ist meine Entdeckung der subjektiven Sachverhalte (einschließlich der Tatsachen).|S-NGdE 58f}}
  

Version vom 5. August 2012, 18:08 Uhr

Sachverhalte, die meist Programme und/oder Probleme enthalten, sind Gattungen oder Bestimmungen von etwas, das ihr Fall ist. Einzeln müssen sie sein, um eine Menge als den Umfang einer bestimmten, einzelnen Gattung bestimmen zu können.

Sachverhalte können sich durch Explikation einzeln aus Situationen abheben. Sie sind also Abhebungen vom Dasein, die sich ihrerseits von Situationen abheben können. (S-III4, 416f)

Objektive und subjektive Sachverhalte

Ein Sachverhalt ist 'objektiv', wenn jeder ihn aussagen kann, falls er nur genügend viel weiss und genügend gut (in irgend einer Sprache) sprechen kann. Ein Sachverhalt ist 'subjektiv', wenn ihn höchstens Einer, und zwar im eigenen Namen, aussagen kann, obwohl es den Anderen freisteht, den Sachverhalt, den sie nicht aussagen können, eindeutig (...) zu kennzeichnen, so dass sie über ihn, auch ohne ihn auszusagen, sprechen können. Die Existenz subjektiver Sachverhalte zeige ich am affektiven Betroffensein. (S-NGdE 59)

  • objektiver Sachverhalt: "Thomas Latka ist traurig."
  • subjektiver Sachverhalt: "Ich bin traurig."

Sachverhalte als Abhebungen vom Hintergrund

Sachverhalte sind Abhebungen von der Wirklichkeit. (S-NGdE 65)

Sachverhalte sind Abhebungen vom Dasein. (S-III4, 397)

Hintergrund als Dasein, Wirklichkeit, Welt, Situation, worin man sich befindet (Topisches Verhältnis)

Sachverhalte und Sprache

Sprecher Satzausspruch Sachverhalt.png

Siehe: Sprachabhängigkeit, Spruch, Explikation

Sachverhalte in den Fesseln der Sprache

Vereinzelte Sachverhalte sind von der Sprache gefärbt also davon abhängig, aber nicht wesentlich durch Sprache gemacht. D.h. die Färberei baut keine Autos, sondern färbt sie nur. Ich kann dasselbe Auto beliebig häufig neu lackieren, also denselben Sachverhalt in unterschiedlichen Sätzen formulieren. Es bleibt steht dasselbe Auto. Es gibt sogar für Farben Normen, also nicht alle Farben (wie Polizei oder Feuerwehr) dürfen für jedes Auto verwendet werden, oder wenn sie verwendet werden, dann erkennt jeder, dass das nicht erlaubt ist. Die Autos werden also nicht durch die Farbe oder die Färberei gefesselt, sondern bekommen dort nur eine Farbe, mit der sie sich zeigen können.

Die Abhängigkeit von der Sprache, in die die Sachverhalte durch ihre Vereinzelung geraten, geht aber nicht so weit, dass irgend eine Übereinstimmung der sprachlichen Form mit der Struktur der Sachverhalte entstünde. (S-LU 67)

Auch bei Wittgenstein (und im Husserlkreis) können die Sachverhalte nicht aus dem Schatten der Sprache treten, aufgrund der seltsam naiven von Platon ausgehenden elementaristischen Inventartheorie der sprachliche Rede. (Vgl.: S-NGdE 58)

Die Sachverhalte werden psychologistisch subjektiviert und spuken fortan durch die Logiken als vermeintliche Propositionen oder Urteile der Seele oder im Bewusstsein; sie werden - wie noch krass bei Wittgenstein und Husserl sowie dessen Schülern - für zusammengesetzt nach dem Muster eines Satzes und sogar eines ganz bestimmen, bei Philosophen besonders beliebten Satzbauplans (mit dem Hilfsverbum "sein") behalten;... (S-III5 193)

Diese Abhängigkeit der Sachverhalte als einzelner von der Sprache ist der Anlass für das Missverständnis, dass die Sachverhalte selbst und überhaupt aus der Sprache hervorgingen, z.B. als Konstrukte, oder auf Sprache oder Rede zurückgeführt werden können. (S-LU 67)

Sachverhalte als vorsprachliche Gegenstände

Gegen alle diese Einschränkungen will ich die Sachverhalte mündig sprechen; ich will zeigen, dass sie keiner Anlehnung an die Sprache bedürfen, sondern vorsprachliche Gegenstände eigenen Rechts sind, und auch nicht abstrakte Entitäten, die erst durch Operationen intellektueller Verarbeitung des Gegebenen zu Stande kommen oder zugänglich werden und insofern weniger elementar oder natürlich wären als Farben, Dinge oder gar Substanzen, sondern nächstliegende Bestandteile unmittelbarer Lebenserfahrung. (S-NgdE 58)

Sachverhalte sind hiernach Gegenstände eigener Art, nicht an Sprache und Sprachfähigkeit gebunden und nicht als begleitende Gebilde aus sprachlichen Strukturen konstruierbar. Ihre enge Verknüpfung mit der Sprache, wodurch sich Aussagen zur Darstellung und Identifizierung von Sachverhalten eigenen, wird durch diese Eigenständigkeit nicht angetastet; sie beruht auf der explikativen Leistung der Rede, Sachverhalte (sowie Programme und Probleme) aus Situationen hervorzuheben und einzeln festzuhalten. (S-NGdE 63)

Die These, dass Sachverhalte unabhängig von Sprache und satzförmiger Rede vorkommen, ... (S-LU 66)

Un-/ Vorsprachlichkeit subjektiver Sachverhalte

Der entscheidende Hebel zur Befreiung der Sachverhalte aus den Fesseln der Sprache ist meine Entdeckung der subjektiven Sachverhalte (einschließlich der Tatsachen). (S-NGdE 58f)

Mit der Aufdeckung der subjektiven Sachverhalte (und damit der subjektiven Tatsachen) am affektiven Betroffensein ist das Nötige für den Nachweis der vorsprachlichen Natur der Sachverhalte schon getan. (S-NGdE 60)

Die Unsprachlichkeit der subjektiven Sachverhalte (sowie Programme und Probleme) des affektiven Betroffenseins lässt sich aber nicht nur an solchen noch nicht zur Sprachfähigkeit gediehenen Lebewesen erhärten. Wer in Trauer wenigstens noch sagen kann "Ich bin traurig", ist schon nicht mehr ganz so traurig wie ein in tiefe Trauer versunkener Mensch, ... (S-NGdE 61)

Es ist offensichtlich, dass viele Bewussthaber affektiven Betroffenseins fähig sind, ohne eine Sprache und satzförmige Rede mächtig zu sein, z.B. Tiere und Säuglinge. (S-LU 67)

Keine Isomorphie zwischen Sachverhalt und Satzausspruch

Sachverhalte haben mit sie darstellenden Satzaussprüchen keinerlei strukturelle Ähnlichkeit. (S-NGdE 243)

Siehe: Isomorphie, Ähnlichkeit, Isomorphiemodell der Wahrheit

Sachverhalte sind nicht aus Sachen zusammengesetzt

Axiom von Schnelle: Dass die Bedeutung von Sätzen sich irgendwie aus der Bedeutung der Wörter zusammensetzt, die der Satz enthält ..., diese syntagmatische Bestimmung erscheint als nahezu trivial. (Helmut Schnelle, zit. n. S-III4, 384f)

Wittgenstein erhebt die Zusammensetzung von Sachverhalten aus Sachen zu einem grundlegenden Dogma seiner frühen, im Tractatus logico-philosophicus niedergelegten Lehre. (S-III4, 385)

Argumente gegen die These, dass Sachverhalte aus einzelnen Sachen zusammengesetzt sind:

  • Möglichkeit, dieselben Sachverhalte durch Sätze ganz verschiedener Struktur zu beschreiben. Z.B. gibt es auch Sprachen mit ganz anderer Struktur, z.B. das Japanische.
  • Es kann keinen Gegenstand geben, der aus Teilen, die es nicht gibt, besteht. Sehr wohl gibt es aber Sachverhalte, sogar Tatsachen, für die angemessene Beschreibungen existieren, in denen Gegenstände, die es nicht gibt, z.B. durch Satzsubjekte genannt werden.
  • Wenn alle Sachverhalte durch Zusammensetzung von Sachen gebildet wären, müsste jeder Überschuss eines Sachverhaltes über einen anderen dadurch gebildet werden können, dass zu diesem eine ihm fehlende, in jedem vorhandene Sache hinzugefügt würde. Der Überschuss der subjektiven Tatsache über die entsprechende objektive Tatsache kann jedoch nicht durch einer in dieser noch fehlenden Sache aufgeholt werden: keine additive "Ichtönung" erzeugt aus einer objektiven einen subjektive Tatsache.

(S-III4, 386ff)