Explikation ist die Vereinzelung von Bedeutungen aus der binnendiffusen Bedeutsamkeit von Situationen.
Explikation ist nicht das Auspacken des zuvor Vergrabenen (Analyse), sondern die Verleihung der Einzelheit durch hermeneutische Intelligenz.
Wo vieles ist, ist nicht unbedingt Einzelnes versteckt, sondern Einzelnes wird daraus expliziert. Scheinbare Nähe zum Konstruktivismus.
Explikation, Konstruktion, Synthese
Explikation als Alternative
Siehe: Explikationismus und Konstruktivismus
Oder: Explikation als Konstruktion 1. Ordnung
Explikationsergebnisse
Sofern es nicht zu einer völligen Vereinzelung kommt, kann das Ergebnis der Explikation wiederum eine neue Situation sein.
Explikationsformen
Es gibt zwei typische Explikationsformen:
Explikationstypen
Stichwörter: Situation, Persönliche Eigenwelt, Sprache, Satz, Rede, Satzausspruch, Spielerische Identifikation, Sachverhalt, Leib, Einleibung
Sprachliche Explikation
Mithilfe der menschliche Rede werden Wörter und Sätze als Explikate miteinander kombiniert.
Rede, laute oder lautlose (einschließlich der schriftlichen), ist das wichtigste und vielleicht einzige Mittel, Sachverhalte, Programme und Probleme einzeln aus Situationen zu explizieren. ... Solche Explikation durch Rede kommt in zwei Hauptgestalten vor, als poetische und als prosaische. (S-NGdE 237)
Siehe: Explikation aus Situationen durch Rede
Leibliche Explikation
Die Explikate werden durch Personen mit Leibern repräsentiert, besser präsentiert. Es setzt dabei eine repräsentierende Wahrnehmung (leibliche Resonanz) ein.
Wichtige Bedingungen für wirkungsvolle leibliche Explikationen:
- sparsam: nicht zu viele Einzelheiten explizieren
- relevant: nur bewährte Einzelheiten explizieren. Bewährung geschieht aus Erfahrung. Daraus entstehen Modelle für persönliche Situation, Selbst
Die Personen werden als leibliche Symbole für Komponenten aufgestellt.
Leibliche Explikation erlauben die affektive Rückbindung der Explikate an die Situation. Die Explikate brauchen gar kein explizites Wissen über die Situation haben. Es genügt die Leibwahrnehmung, das Anliegen und die Offenheit, für das was sich zeigt.
Beispiel: Aufstellung
Kriterien für gelungene Explikationen
Kriterien für gelungene Explikationen, nicht nur sprachliche Explikationen mittels Rede.
Sparsamkeit
- nur möglichst wenige Elemente nutzen
- mit wenigen Worten vieles zu sagen, ohne alles davon einzeln zu sagen, z.B. beim japanischen Haiku
Relevanz
- nur möglichst aussagekräftige Elemente nutzen
Stärkung
Bei der Explikation einer Situation, einer komplexen Angelegenheit mit unübersichtlicher, binnendiffuser Bedeutsamkeit, kommt es darauf an, von welcher Seite man sie anspricht, welche Sachverhalten, Programme und Probleme mit welcher Gewichtung man herausholt, je nach dem kann sich die Angelegenheit ganz anders darstellen. Das nannte Protagoras: "die schwächere Rede zur stärkeren machen", "über jede Angelegenheit entgegengesetzte Reden führen." (...); um diese Jesuitenkunst zu empfehlen, wird er seinen Homo-Mensura-Satz aufgestellt haben. (S-DWdeP 135)
Homo-Mensura-Satz (nach Schmitz):
"Aller Angelegenheiten Maß ist der Mensch, der stattfindenden, wie sie stattfinden, der nicht stattfindenden, wie sie nicht stattfinden." (S-DWdeP 134)
Erlebte Fülle
Aufrechterhaltung des lebensweltlichen Bezugs der Beschreibung (AB-BuB 65)
In diesem Sinne sind "füllige" Beschreibungen solche, die sich durch eine Vielfalt zur Geltung gebrachter Phänomene auszeichnen, ... (AB-BuB 66)
Die "Wahrheit" fülliger Beschreibungen liegt nicht in objektiv-gewissen Erkenntnissen, sondern in den subjektiven Erlebnissen und Bedeutungen, welche Phänomene und sie einbindende Situationen für den jeweiligen Leibhaber haben. (AB-BuB 67)
Sonstiges
Eindeutigkeit und Widerspruchsfreiheit
Wegen der Binnendiffusion der
Bedeutsamkeit hat die Explikation keine eindeutige Richtschnur, sondern kann verschiedene Akzente setzen, unter Umständen der Situation auch Gegensätzliches abgewinnen.
(S-DWdeP 133)
Relativität
Bei der Explikation einer Situation, einer komplexen Angelegenheit mit unübersichtlicher, binnendiffuser Bedeutsamkeit, kommt es darauf an, von welcher Seite man sie anspricht, welche Sachverhalte, Programme und Probleme mit welcher Gewichtung man herausholt; je nach dem kann sich die Angelegenheit ganz anders darstellen. (S-DWdeP1 135)
Kulturelle Bedingungen
Je nach Kultur kann es "dominante Explikationen von Situationen, insbesondere von Gefühlen" geben. (Vgl. Hilge Landweer in MG-LuG 80)
Es können jeweils nicht beliebige Explikationen akzeptiert werden; es gibt Evidenzen, die kulturspezifisch sind und zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt und nicht überhaupt gelten. (Hilge Landweer in MG-LuG 80)
Siehe: Kultivierte Wahrnehmung, Abstraktionsbasis
Explikation als Entfremdung des Vertrauens
Die Ganzheit geht verloren, wenn wir ihre einzelnen Merkmale explizieren, indem wir unsere Aufmerksamkeit auf sie richten. Man sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. ... Die Explikation führt also zur Entfremdung des Vertrauens und zur Störung des Gewohnten. (F-LuL 267)
Explikation als rhetorische Kunst
Die Verwaltung und Modifikation gemeinsamer aktueller oder zuständlicher Situationen durch redende Explikation ihrer Bedeutsamkeit im Publikum war in der Antike die Aufgabe der Rhetoren. (S-DWdeP1 133)
Der Können einer Kunst soll die Situationen, aus denen der Rhetor unmittelbar schöpfen könnte, in Konstellationen zerlegen; die Feindschaft ad homines gegen die Rhetoren ist zugleich Feindschaft ad rem gegen das Schöpfen aus dem Vielgestaltigen, das methodisch auf das Einfache reduziert werden soll, auch wenn aus dem binnendiffus-ganzheitlichen Mannigfaltigen eines Nomos mit dem Können der Einpflanzung in ihn geschöpft werden könnte. (S-DWdeP 138)
Explikation und Externalisierung
Siehe: Externalisierung
Geschichte der Explikation: Explicatio
Explicatio im Sinne von Entfaltung einer Vielfalt, Fülle (Plotin, Nikolaus von Kues)