Persönliche Situation

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Die persönliche Situation ist keine feste Konstellation, sondern ist eher als flexibles Etwas zu denken, das sich, auch noch im Erwachsenenalter, immer weiter bildet und umbildet. Die persönliche Situation wächst von klein auf ein in die gemeinsame Situation der Familie bzw. wird angereichert von dieser Familiensituation mit Erwartungen, Zuschreibungen, Kommunikationsstile usw. Dies alles ist aber nicht im Einzelnen benennbar, sondern umgibt uns als binndendiffuser Bedeutungungshof, of genug widersprüchlich in sich, umgibt uns so selbstverständlich wie der Boden, auf dem wir stehen und der auch zum Beispiel erst bei schlammigem Untergrund oder Glattteis ins Bewusstsein tritt.

Die persönliche Situation kommt für einen selbst nie ganz zum Vorschein. Wie wir auch hin und her überlegen, immer treten nur einzelne Aspekte ins Bewusstsein, die sich durchaus auch widersprechen können. Nur von anderen Menschen - und diese von uns - können wir einen ganzheitlichen Eindruck gewinnen, erfassen ihn so, als würde er in einem Moment ganz zum Vorschein kommen.

Zur persönlichen Situation gehört alles, was ich nicht ohne Schmerzen von mir trennen kann. (GB-BF 191)

Die eigene Persönlichkeit als konfuse Mannigfaltigkeit. (Vgl.: S-KGdM 78)

Skizze

Die persönliche Situation ist

Die persönliche Situation und der Leib sind

Körper Leib Situation.png

Zwei Seiten der persönlichen Situation

Mehrere Dimensionen für Varianz der persönlichen Situation:

  1. die spezifisch personale Dimension der Integration in den persönlichen Charakter (z.B. Neurosen)
  2. die präpersonale Schicht der persönlichen leiblichen Disposition (mit Varianzen z.B. bezüglich der Stärke, Bindungsform, Reizempfänglichkeit und Zuwendbarkeit des vitalen Antriebs),
  3. die Dimension des Übergangs zwischen präpersonalem Leben in primitiver Gegenwart und spezifisch personalem Leben (personale Emanzipation und personale Regression, jeweils mit Stilen und Niveaus) (S-SdG 119)

Personale Dimension

Die persönliche Situation enthält viele partielle Situationen, die in ihr gleiten sich reiben oder anders beeinflussen. (S- 77)

Durch diese Prozesse der Auseinandersetzung mit begegnenden Situationen in leiblicher Kommunikation, ferner der personalen Emanzipation und personaler Regression sowie Explikation und Implikation entwickelt sich in beständiger Metamorphose eine persönliche Situation wie eine zähflüssige Masse, in der lauter zähflüssige Massen (partielle Situationen) gleiten. (S-SdG 108)

In der persönlichen Situation schieben und reiben sich viele partielle Situationen, mehr oder weniger in unspaltbarem Verhältnis mit einander, aber auch fähig, durch Spaltung des Verhältnisses einzeln hervorzutreten und Beziehungen zu einander aufzunehmen, ganz oder in Ausschnitten. (S-ZEdP 157)

Partielle persönliche Situationen: Ego-States

die Erinnerung, [...] die Standpunkte und die Gesinnung eines Menschen, die ihn bestimmten Leit-, Wunsch- und Schreckbilder, [...] Interessen, Lebenstechniker, habituelle Abneigungen usw. (S-1990, 169. Zit. n.: SS-FdS 30)

Kristallisationskerne der Erinnerung, die auch ohne Weckung weiterwirken wie die Erinnerung an einen schönen Urlaub oder eine mühsam überstandene Katastrophe (gebranntes Kind schaut das Feuer), Standpunkte politischer, sozialer, religiöser usw. Art bis hin zu Weltanschauungen, habituelle Interessen, Zu- und Abneigungen, Lebenstechniken (...), die Gesinnung (d.h. die Art und Weise, sich auf das affektive Betroffensein einzulassen), der Entwurf und die prospektiven partiellen Situationen in der persönlichen Situation, d.h. die (oft geheimen, d.h. der Person schwer zugänglichen) Wunsch-, Leit- und Schreckbilder, die keine Bilder sind, sondern Situationen, in denen eine ganzheitliche, aber binnendiffuse, mit Atmosphären des Gefühls geladene Bedeutsamkeit (aus Sachverhalten, Programmen und Problemen) mit mehr oder weniger flüchtigen und blassen Phantasiebildern garniert sein kann. (S-SdG 108f)

Ich-Zustände sind Organisationsmuster von gemachten Beziehungserfahrungen - sie sind sowohl als neuronale Netzwerke als auch psychologisch als Selbstanteile repräsentiert. (JP-HAT 79)

Relative Autonomie der Ego-States

Solche tyrannische Verselbständigung einer partiellen Situation ist das Merkmal der Neurose, d.h. der störenden Unausgeglichenheit durch mangelnde Einordnung partieller Situationen in die persönliche Situation; gleichsam schert ein Schiff aus dem Geleitzug aus und/oder rammt andere Schiffe. (S-SdG 109)

Siehe:

Selbst-Anteile (Ego-States) als Halbdinge

Selbst-Anteile sind als Halbdinge nicht immer aktuell da, daher macht es auch nicht immer Sinn zu fragen, wo sie sich befinden, wenn sie gerade nicht aktualisiert sind.

Reibung partieller Situationen

[E]s handelt sich um Reibungen partieller Situationen in der persönlichen Situation, und man wird annehmen dürfen, dass die Persönlichkeiten der meisten Menschen von solchen Problemen durchzogen sind, wenn auch nicht so aufdringlich, dass eine Heilbehandlung gesucht wird. (S-LU 37)

Typen partieller persönlicher Situationen

Die persönliche Situation wird durchzogen von unzähligen partiellen Situationen, die sich sowohl gegenseitig beeinflussen als auch einander reiben und eventuell verdrängen und beeinträchtigen können. Man kann sie grob in

  • retrospektive,
  • präsentische
  • und prospektive Anteile gliedern. (S-F 112)

Die Grobeinteilung gibt aber keine zulängliche Vorstellung von der Zahl der partiellen Situationen; genau besehen sind alle oder wenigstens sehr viele Wortbedeutungen im Wortschatz einer Person partielle Situationen in ihrer persönlichen Situation. (S-F 113)

Retrospektive Anteile

Retrospektive partielle Situationen sind Erinnerungen, an die sich vieles anlagern kann, selbst wenn sie nicht mehr bemerkt werden. (S-F 113)

Retrospektiv sind die Erinnerungen, namentlich die auch ohne Weckung weiterwirken und ausstrahlenden Kristallisationskerne der Erinnerung. (S-BE 105)

Präsentische Anteile

Präsentische partielle Situationen sind die Standpunkte, die habituellen Interessen, die Lebenstechnik (d.h. die gewohnte Weise der Auseinandersetzung mit Problemen der Lebensführung), die Gesinnung und die Fassung, wodurch die Person sich im Spielraum von personaler Emanzipation und personaler Regression stabilisiert; sie ist das was man verliert, wenn man die Fassung verliert. (S-F 113)

Prospektive Anteile

Prospektive partielle Situationen sind solche, die die Person auf etwas aus sein lassen oder von etwas wegtreiben; man könnte sie als Wunsch- Leit- und Schreckbilder bezeichnen, wenn das Wort "Bild" nicht fehl am Platz wäre. (S-F 113)

Personale Integration

Die Integration aller dieser partiellen Situationen in die persönliche Situation ist also eine sehr anspruchsvolle Aufgabe; wenn sie ganz oder teilweise disharmonisch ausfällt, entstehen Neurosen, und zwar nicht nur, wie die Psychoanalytiker lehren, durch störende Einwirkung retrospektiver Anteile, sondern auch von den präsentischen und prospektiven her. (S-NIII 202)

Präpersonale Dimension: Leibliche Disposition

Leiblicher und körperlicher Ausgangszustand.

... auf die präpersonale Vorstufe entfalteter Gegenwart, in der die Tiere und Säuglinge leben. Das geschieht in routinierten Vollzügen leiblicher Dynamik und leiblicher Kommunikation, die ohne Explikation von Einzelnen ablaufen und auch in allem personalen Tun und Lassen die Grundschicht dessen bilden, was von selbst geschieht, ferner im Dösen, Einschlafen und Schlafen und dann, wenn die Person die Fassung verliert oder von etwas so gefesselt und fasziniert ist, dass sie nicht mehr bei sich ist (zu sich kommt). (S-F 113)

Übergänge zwischem Personalem und Leiblichem

Aus der persönlichen Situation heraus und in ständiger Auseinandersetzung mit ihr sowie den anderen sie einbettenden oder ihr begegnenden Situationen entwickelt sich die Person, vielleicht könnte man sogar sagen: Die Person besteht in eben dieser Auseinandersetzung. (SS-FdS 30f)

Siehe: Die personal-präpersonale Zwischenstellung der Person

Persönliche Situation und Seele

Von der Seele unterscheidet sich die persönliche Situation in drei Hinsichten:

(Vgl.: NGdE 192)

Von der Seele unterscheidet sich die persönliche Situation in drei Hinsichten:

  • erstens dadurch, dass ihr Material nicht aus lauter auf- und abstrebenden, auch einander verdrängenden "Vorstellungen" (Herbart) gleich Seelenatomen (Demokrit) mit Namen wie perceptions, ideas, Empfindungen, Trieber oder Triebbündel, intentionale Akte usw. besteht, sondern großenteils wiederum aus Situationen, in denen Bedeutsamkeit – enthaltend Sachverhalte, Programme und Probleme – mit Gegenständen anderer Art chaotisch-mannigfaltig integriert ist.
  • ...
  • ... (S-NGde 192)

Diese drei Merkmale grenzen die persönliche Situation auch gegen die von einigen Autoren um 1900 (James, Husserl) vorgenommene Umdeutung der Seele zum Bewusstseinsstrom ab, wobei das Modell des festen Körpers (Seele als Haus) mehr oder weniger konsequent durch das Modell einer Flüssigkeit abgelöst wurde. (S-NGdE 192)

Hülle und Partner

Die persönliche Situation ist Hülle und Partner, d.h. er lebt in ihr und zugleich ist sie ein Gegenüber, ja ein Gegenspieler, mit dem er sich auseinandersetzen muss, wenn es darum geht, wichtige Lebensentscheidungen zu treffen. Das kann quälend sein, da solche Entscheidungen nicht mal eben rational "auszurechnen" sind, sondern sie müssen "stimmen". Und dieses Stimmen sollte, wenn die Entscheidung fällt, in affektiver Betroffenheit leiblich spürbar sein.

Zugang zur Ganzheit der Person

Die Person ist als Vorgestalt, vor allen Selbstzuschreibungen, im Leben eines jeden angelegt. Die Vorgestalt ist "eine Art allgemeiner Generalentwurf der individuellen Existenz". "Das Selbst, das in der Situation der existenziellen Unorientiertheit fassbar wird, ist eine Art Vorgestalt individueller Daseinsführung [...], komplexqualitiv, diffus, ganzheitlich, dennoch lenkend und ordnend." (Hans Thomae)

Persönliche Eigenwelt und persönliche Situation

Die persönliche Situation entspringt der personalen Emanzipation, d.h. der Objektivierung oder Neutralisierung, dass von einem Teil der erlebten Bedeutungen (d.h. der Sachverhalte, Programme und Probleme) die Subjektivität abfällt und damit eine Sphäre des Fremden sich auftut, von der sich der subjektiv verbleibende Rest als das Eigene abhebt. Dieses Eigene im Gegensatz zum Fremden deckt sich aber nicht mit der persönlichen Situation (der eigenen Persönlichkeit), sondern ist umfassender. (S-SdG 122)

Abgrenzung

Nicht ganz einfach ist die Abgrenzung der persönlichen Situation innerhalb der persönlichen Eigenwelt. (S-SdG 125)

(Nicht eindeutig zitierte Stellen zitiert aus: NGdE 192)