Explikationismus: Unterschied zwischen den Versionen
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Es führt ebenso in die Irre, bloß das Subjekt als "absolute Substanz" zu betrachten (Idealismus), wie von Subjekt und Objekt anzunehmen, dass "diese beiden Seiten an und für sich bestehen", also zwei Substanzen – Dinge an sich im Sinn von Kant – seien, ...
und vollkommen lächerlich wird die Auffassung des Subjekts als Substanz in einem Idealismus, der dieses Subjekt gemäß dem Kant'schen Modell ontologischer Dreischichtigkeit nur locker an dem äußeren Verhältnis zum Objekt beteiligen und insofern davon als "von einer Äußerlichkeit für dasselbe befreien will".|S-HL 360f}}
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+ | * und vollkommen lächerlich wird die Auffassung des Subjekts als Substanz in einem Idealismus, der dieses Subjekt gemäß dem Kant'schen Modell ontologischer Dreischichtigkeit nur locker an dem äußeren Verhältnis zum Objekt beteiligen und insofern davon als "von einer Äußerlichkeit für dasselbe befreien will".|S-HL 360f}} | ||
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Version vom 12. September 2017, 13:16 Uhr
Der erkenntnistheoretische Explikationismus geht davon aus, dass Erkenntnis die Explikation von Tatsachen aus Situationen sind.
Hintergrund
Unentbehrlich für Erkenntnis ist ein Subjekt, unentbehrlich auch ein Sachverhalt, der eine Tatsache ist, ein Objekt aber nur in dem strikt formalen Sinn, des Bewusstgehabten, nicht im Sinne eines Objekts, "über" das etwas erkannt wird; ein solches Objekt kann in vollwertiger Erkenntnis fehlen, ... (S-DuG 212)
Die These, dass Tatsachen, die aus einer Situation (oder allenfalls einem chaotisch-mannigfaltigen Haufen, dem zur Situation die Ganzheit fehlt, ...) hervortreten, den Gegenstand der Erkenntnis bilden, will ich mit etwas gewagter Neubildung als erkenntnistheoretischer Explikationismus bezeichnen, bloß um den beiden von mir abgelehnten Auffassungen (erkenntnistheoretischer Realismus bzw. Holismus) eine bessere mit einem entsprechenden Schlagwort gegenüberstellen zu können. Die Sorge, wie das Subjekt zum Objekt kommen oder gar noch aus dem Gefängnis einer bloß privaten Innenwelt ausbrechen kann, stellt sich in dieser Perspektive als ganz und gar abwegiges Bedenken dar und wird ersetzt durch Ernstnehmen der Aufgabe, Situationen Tatsachen abzugewinnen. (S-DuG 214)
Gemäß dem erkenntnistheoretischen Explikationismus besteht Erkenntnis nicht in richtiger Beschreibung von Sachen, sondern in der Explikation von Tatsachen aus der Bedeutsamkeit von Situationen. Diese Gebundenheit des Erkennens an einen kontingenten Hof der Bedeutsamkeit schließt übrigens die relativistische Gestalt der Skepsis vielmehr aus statt ein, weil es für die Wahrheit einer Behauptung lediglich auf die Entscheidung zwischen kontradiktorischen Annahmen ankommt, die immer demselben "Hof" entnommen sind, so dass dessen Unterschied gegen andere solche Höfe für die Wahrheit nicht ins Gewicht fällt. Allerdings ist das immer Wahrheit in beschränkter Perspektive, nicht in der allumfassenden eines imagninären Alleskenners. Diese Beschränktheit lässt sich potentiell ad infinitum (wenn auch nicht vollständig) ausgleichen durch die Anpassungs- und Erweitungsfähgikeit solcher Höfe der Bedeutsamkeit. (S-Replik Pos 213)
Ernte statt Reise
Die Explikation von Sachverhalten, die Tatsachen sind, aus Situationen ist eher, als einer Reise, einer Ernte vergleichbar, wofür die Situationen den Acker bilden. Das Erkenntnisbemühen hat es, um im Bilde zu bleiben, einerseits mit dem Acker, andererseits mit der Frucht zu tun; es muss sich den ganzheitlichen Situationen, aber auch den Explikaten und ihrem Verhältnis unter einander zuwenden. (S-DuG 214)
Die idealistisch-monadistische Sorge, ob das erkennende Subjekt aus seiner Höhle oder Schale herauskommen könne, um dem Ding an sich einen Besuch zu machen, entfällt mit der Reisemetaphorik; das Erkennen kommt ohne Rücksicht auf Dinge an sich aus und benötigt nur noch Situationen. (S-NGE 220)
Siehe: Modelle der Erkenntnis
Zwei Haupttypen der Erkenntnisweise
Das Bild der Erkenntnis als Ernte im Sinne des erkenntnistheoretischen Explikationismus gibt obendrein Gelegenheit zur Unterscheidung zweier Haupttypen der Erkenntnisweise,
- des Erkenntnisinteresses und
- der Intelligenz im Sinne der Geschicklichkeit zum Erkennen. (S-NGE 221)
Explikationismus und Konstruktivismus
Unterschiede
Explikationismus | Konstruktivismus | |
---|---|---|
Ontologie | ||
Kreis-Symbolik | ||
Ontologie | Situationsontologie | Singularismus |
Ausgangspunkt |
|
Die Einzelheiten als neutrale Tatsache |
Prozess | Ex-Prozess: Explikation als
von Einzelnen zu einer Konstellation, die zuvor nicht vergraben waren, sondern im Prozess als abstrakte Objekte entstehen. |
Kon-Prozess: Konstruktion als
|
Anthropologie | Person zwischen leiblichem Betroffensein und personaler Emanzipation | Person als Körper und Psyche (+Seele?) |
Verstehen | leibliches Verstehen möglich als Einfühlung bzw. Einleibung in eine Situation, als kultivierbares Talent | unmöglich, da jedes psychische System (Psyche) operational abgeschlossen ist. |
Skepsis | provisorische Gültigkeit: "Die Tatsächlichkeit objektiver (und vieler subjektiver) Sachverhalte kann nicht endgültig (für immer und alle), sondern nur provisorisch (durch "Evidenz im Augenblick", Buchtitel von Manfred Sommer) gesichert werden. | ontologische Skepsis: "Etwas ist nicht wirklich, sondern etwas gilt als wirklich." |
Vernunft | Explikative Vernunft | Konstruktive Vernunft |
- Konstruktivistische Wahrnehmung ist stets physiologisch (Physiologismus)
Der physikalische Konstruktivismus darf nicht mit ontologischem Explikationismus verwechselt werden, denn die schonenden Abhebungen der Sachverhalte aus Situationen, wie sie die alten Eindrucksdenker - egal ob Griechen oder Chinesen - vornahmen, verlieren in jedem Fall ... ihren lebensweltlichen Erklärungswert, wenn sie auf atomare Strukturen oder innerseelische Abläufe hinabgestuft werden. Solche Konstrukte setzen nicht mehr ein Spüren des Leibes und die eigene Erfahrung voraus, sondern sind nur noch mittelbar und logozentrisch erfaßbare Denksysteme. (GR-AL 437)
Gemeinsamkeiten
Siehe: Gemeinsamkeiten von Phänomenologie und Konstruktivismus
Vergleich
- Explikationismus als das Herausheben aus einer (je eigenen) ganzheitlichen Bedeutsamkeit
- Konstruktivismus als Herstellung von Ganzheit durch Zusammenfügen
- Explikationismus und Realismus
Geschichte
Hegel als Begründer
Hegel als Begründer des erkenntnistheoretischen Explikationismus (S-HL 358)
- Die Totaltität als Mitte des Subjektiven und Objektiven in Empfindung, Anschauung und Begriff ... ist nicht zusammengesetzt aus Anteilen beider Seiten, ... (S-HL 360f)
... aber der Durchbruch zum erkenntnistheoretischen Explikationismus ist Hegel grundsätzlich gelungen, indem er auf diese Weise die Erkenntnis im Sinne des Adäquationsidelas in eine fortschreitende Bildungsgeschichte des Bewusstseins umdeutet. (S-HL 363)
Schon dort lehnt Hegel das Modell des Besuchs oder der Berührung an sich (substantiell) seiender Partner für die Erkenntnis ab und ersetzt es durch die Totalität einer spannungsreich gegliederten Situation namens "Geist" oder "Bewusstsein". (S-HL 363)
Er benützt die Kulissen des erkenntnistheoretischen Realismus, um das Drama des Explikationismus aufzuführen. (S-HL 362)
Einem Philosophen kann auch einmal etwas Neues einfallen. (S-HL 358)