Paradigmen
Übersicht
Paradigma | Monadisches/ Dualistisches Paradigma | Relationales Paradigma | Topisches Paradigma |
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Individuum-Modell | Individuum und Außenwelt | Individuum und Relationen mit der Außenwelt/Anderen | Individuum und topische Relationen mit der Welt |
Philosophie | Demokrit, Platon, Aristoteles, Leibniz, Psychologismus, Introjektionismus, Naturalismus, Dualismus | Meads Symbolischer Interaktionismus, Wittgensteins Sprachphilosophie | Leib-Phänomenologie, Topologie, Topisches Verhältnis, Situation, Feldontologie, |
Phänomenologie | Unterscheidung durch Abgrenzung | Bezogenheit durch Beziehungen | Bezogenheit durch Durchdringung |
Psychologie |
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Biologie | System-Umwelt-Modell | Neurobiologie: Spiegelneuronen | Bio-Phänomenologie: Bio-Photonen |
Soziologie | Operative Systemtheorie von Luhmann | Simmel, Netzwerktheorie | Sozio-Phänomenologie, Topische Systemtheorie |
Gesellschaft | Schichten | Netzwerke | Felder |
Physik | Beobachterunabhängigkeit | Beobachterabhängigkeit | Beobachter als kontextuell Betroffener |
+ Neues | Individuum und Andere | + Beziehungen (relational turn) | +Topische (=vertikale) Beziehungsqualität (topological turn) Achsen |
relational turn
Psychoanalyse:
Der Mensch wendet sich dem anderen Menschen nicht nur zu, weil er ein Kommunikations- oder Triebbedürfnis zu befriedigen hat, weil er Schutz braucht oder Hunger verspürt oder weil ihm langweilig ist, sondern weil er sich dadurch als Mensch erst konstituiert. (AT-DvS 17)
Hypostasierung der Intersubjektivität als Drittes
Die relationale Intersubjektivität wird als eigenständiges Drittes hypostasiert, z.B. als Sprache.
Intersubjektivität als Sprache bei Lacan:
Aber Lacans Vorstellung von Sprache lässt jenen vorsprachlichen Teil der Verständigung außer Acht, den die Säuglingsforschung zum unverzichtbaren Bestandteil psychoanalytischer Theorie gemacht hat. (Jessica Benjamin in: AT-DvS 76)
Kritik, Intersubjektivität als vorsprachlicher gemeinsamer Rhythmus:
Nach meinem Triangulierungskonzept konstituiert sich Anerkennung nicht erst in der Vermittlung durch Sprache, sondern bereits in einem frühen, nonverbalen Entwicklungsstadium, das dem Kind in der Interaktion mit der Mutter (oder mit einer anderen Bezugsperson) die emergente Erfahrung eines miteinander geteilten Verhaltensmusters, eines gemeinsamen Rhythmus vermittelt. Deshalb habe ich vorgeschlagen, ein "emergentes" oder "synergetisches" Drittes anzunehmen, das sich vom intrapsychischen Dritten der Mutter unterscheidet (Benjamin 2007). Diese Form des Dritten ist bereits in jenem frühesten, gestisch vermittelten Austausch zwischen Mutter und Kind wirksam, der der so genannten symbiotischen Phase angehört. Ich sehe darin bereits eine Form der Triangulierung und schlage vor, das Prinzip der Affektresonanz, das Mutter und Kind miteinander verbindet und sich buchstäblich in der symbiotischen Einheit konstituiert, die "Gemeinschaft im Dritten" (one in the third) zu nennen. (Jessica Benjamin in: AT-DvS 76)
In seiner Auseinandersetzung mit der Säuglingsforschung hat Sander (2002) das der Affektresonanz zugrunde liegende rhythmische Prinzip als "Rhythmizität" bezeichnet; es ist für ihn eines von zwei Prinzipien menschlicher Interaktion (das andere Prinzip nennt er "Spezifität"). (Jessica Benjamin in: AT-DvS 76)
In empirischen Studien zum mimischen Austausch zwischen Mutter und Kind (Beebe u. Lachmann 1994) zeigt sich, wie beide sich an einem Dritten ausrichten und einen gemeinsamen Rhythmus erzeugen, der sich nicht auf ein Schema Aktion/Reaktion reduzieren lässt, bei dem einer aktiv und der andere passiv ist oder einer vorgibt und der andere nachzieht. ... Aktion und Reaktion charakterisieren in ihrer Einseitigkeit den Erfahrungsmodus komplementärer Zweiheit, während ein geteiltes Drittes als Gemeinschaftsleistung erlebt wird. (Jessica Benjamin in: AT-DvS 77)
Relationale Übertreibungen
Bei allem Intersubjektivismus geht es darum, den relational turn auch nicht zu übertreiben, d.h. ein ausgewogenes Verhältnis von inter- und intra-psychischem Geschehen zu betrachten.
Übliche Übertreibungen des interpsychischen und damit intersubjektiven Geschehens sind:
- Das Selbst ist nur Produkt der Interaktion
Gegen die relationalen Übertreibungen ist zu betonen:
topological turn
Das "Dritte" als vorsprachliche Situation.