Naturwissenschaft

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Naturwissenschaft und Phänomenologie der Natur

Naturwissenschaft Phänomenologie der Natur
Natur, die wir haben Natur, in der wir sind
Fremderfahrung Selbsterfahrung
Haben Darin-Sein
Körper Leib
Suche nach Ursachen und möglichst allgemeinen Naturgesetzen Goethes Farbenlehre: "Man suche nichts hinter den Phänomenen; sie selbst sind die Lehre"
Erklärungen (Dreigliedrige Kausalität) Verzicht auf Erklärungen, oder nur mit zweigliedriger-kausaler Erklärung aus dem Phänomenalen (und nicht dem Nicht-Phänomenalen)
apparative Feststellung von Phänomenen: messbare Daten mit Apparaten. Von Anfang an die Intention, die menschliche Sinnlichkeit auszuschalten. Leibliches Spüren ohne Apparate
analytische Wahrnehmung ganzheitliche, typisierende Wahrnehmung

Die Natur der Naturwissenschaft

Für die Naturwissenschaft wird die Natur nur noch als Produkt der naturwissenschaftlichen Methode betrachtet.

Eigentlich ist die Naturwissenschaft nicht durch die Natur als Gegenstand bestimmt - wer kann schon sagen, was Natur ist, wo sie hingehört? -, sondern durch ihre Methode der schematischen Prognostizierbarkeit, zu deren Gunsten die Erfahrung reduktionistisch abgeschliffen wird (...); überall wo die Methode schematischer Prognostizierbarkeit erfolgreich angewendet wird, handelt es sich um Naturwissenschaft. (S-JdN 36)

Naturwissenschaftliche Prognosen und geregeltes Zaubern

Nun sind die Erfolge des riesigen Intelligenzaufwandes in den Naturwissenschaften in der Tat so überwältigend, dass es vermessen und aussichtslos wäre, ihnen den Erkenntniswert abzusprechen. Dieser besteht darin, dass es mit Hilfe naturwissenschaftlicher Theorien in überraschend vielen Hinsichten gelingt, nach Eingriffen mit Apparaten (z.B. durch Messung) zutreffend vorherzusagen, was Menschen erleben werden, wenn sie sich mit wachen Sinnen zu gewissen Zeiten an gewissen Orten befinden. Auf dieser prognostischen Leistung baut die moderne Technik auf, die einen alten und lange illusorisch gebliebenen Menschheitstraum verwirklicht hat, nämlich, die Kunst zu erlernen, geregelt zu zaubern. (S-WNP 109)

Die Denkweise der modernen Naturwissenschaft beruht auf einer geschickt gewählten, aber der unwillkürlichen Lebenserfahrung hoch entrückten Abstraktionsbasis, die nur solche Merkmalsorten durchlässt, die bequem intermomentan und intersubjektiv identifizierbar, messbar und selektiv variierbar sind und mit Mathematik und passend erdachten Konstrukten wieder so angereichert werden, dass ein alter Menschheitstraum mehr oder weniger in Erfüllung geht: Die Vorarbeit lohnt sich durch enorme Erfolge bei der Prognose von Ereignissen, die in der empirischen Außenwelt nach apparativen Eingriffen stattfinden, und durch diese prognostische Leistung schafft die Naturwissenschaft der modernen Technik freien Raum für geregeltes Zaubern. (S-WNP 360)

Naturwissenschaft und messbares Einzelnes

Die Naturwissenschaft setzt das Einzelne als selbstverständlich voraus und benützt diese Voraussetzung zur Denkform des Konstellationismus, der das Gegebene, im Ideal die ganze Welt, als ein Netzwerk einzelner Faktoren auffasst, das in Gedanken, um alle möglichen Kombinationen zu erproben, und erst recht in der technischen Praxis umgeknüpft werden kann. Sogar die Quantenphysik, die die üblichen Annahmen über Einzelnes z.B. durch die Verschränkung revidiert, dass mehrere Objekte gewisse Eigenschaften nur gemeinsam haben können, beweist diese Verschränkung durch Experimente mit einem einzigen oder numerisch mehreren Lichtteilchen. (S-JdN 37f)

Oft pflegen Naturwissenschaftler etwas, das sich nicht exakt messen lässt, überhaupt nicht gelten zu lassen, selbst wenn es sich, wie der körperliche Leib im Fall vieler Phantomglieder, geradezu brutal aufdrängt. Dann muss man sich mit dem Wunsch begnügen, dass solche Einseitigkeit zu reichen wissenschaftlichen Entdeckungen führen möge. (S-II1 71)

Einfluss der Naturwissenschaft auf die Geistesgeschichte

Dreimal hat die Naturwissenschaft in der europäischen Geistesgeschichte auf das philosophische Denken bestimmend eingewirkt. (S-NP: 28)

Physiologismus

Die erste und vielleicht wichtigste Einflussstelle gehört dem Beginn des Philosophierens im frühen Griechentum an. Alkmaion von Kroton, ein Arzt aus dem Umkreis des Pythagoras, begründete gegen 500 v. Chr. den Physiologismus durch seine Lehre, dass "der Sitz der Seele im Gehirn sei, zu dem sich alle Empfindungen durch die Kanäle fortpflanzen, welche von den Sinneswerkzeugen zu ihm hinführen." (Eduard Zeller, die Philosophie der Griechen I, 7. Aufl. Darmstadt 1963, S. 598). Als Physiologismus bezeichne ich die Lehre, dass Botschaften aus der Außenwelt zum menschen nur auf dem Weg über gewisse Körperteile wie Auge, Ohr, Haut, Nase, Gehirn und peripheres Nervensystem gelangen, und nur in dem Maß, in dem solche Körperteile Reize einfangen, aufnehmen oder durchlassen können. Es leuchtet ein, dass dieses Dogma das Spektrum des Wahrnehmbaren empfindlich beschränkt. (S-NP: 28)

Naturwissenschaftlicher Materialismus

Der naturwissenschaftliche Zugang ist letztlich materialistisch. Für Materie (im naturwissenschaftlichen Sinne) gelten (nur) Naturgesetze, die programmatisch in Kausalerklärungen auf empirisch-experimenteller Basis aufzusuchen sind. (Janich in Sturma, 79)

Ergänzung der naturwissenschaftlichen Erfahrung

Schmitz weiss, dass seine Phänomenologie kaum mehr als eine "Ergänzung der naturwissenschaftlichen Erfahrung" wird erreichen können: "Denken in Situationen" sollte das "Merkmalsdenken" ergänzen, "Sensibilität für Eindrücke" sollte die Überschätzung der Sinne ergänzen. Als Aufgabe der Leibphilosophie erweist sich somit, über die Fähigkeit zu analytischer Wahrnehmung hinaus, "ganzheitliche" Wahrnehmung, "ganzheitliche" Denkweise zu nähren. Schmitz spricht auch von "typisierendem Denken in vielsagenden Eindrücken". (Heubel 42)

Siehe: