Nicht das Denken gibt uns den Zugang zum Leben; es ist das Leben, welches dem Denken den Zugang zu sich erlaubt. (Michel Henry, F-LuL 289)
Menschliches Denken ist diskursiv, d.h. Denken in
Beziehungen von etwas zu etwas.
(S-JDN 30)
Menschen können nicht denken, ohne
Verhältnisse in
Beziehungen aufzuspalten. Wer anders zu denken vermöchte, hätte einen anschauenden Verstand, den Kant ohne ersichtlichen Grund Gott vorbehalten und an dessen Schöpferkraft binden wollte; ein solcher brauchte nicht Netze von
Beziehungen von Knoten zu Knoten zu durchlaufen, um komplexe Verhältnisse bis ins Detail zu durchschauen.
( S-JdN 31)
Menschen können nur in gerichteten Beziehungen (...) denken; ... Erst der Fluss der Zeit auf der modalen Seite der modalen Lagezeit erlaubt den Menschen, zu denken. (S-L 130)
Hauptsätze des Denkens
Erster Hauptsatz des Denkens
Denken ist als Wahrnehmen eine spezifische 'Spiegelung' (Reflexion) (GR-LS 331)
Zweiter Hauptsatz des Denkens
Die reflexive Struktur des Leibes fundiert die Denkbewegung als Reflexion. Als abstrakte, 'reine' oder formale Form erweist sie sich als autoreflexive Denkbewegung. (GR-LS 332)
Dritter Hauptsatz des Denkens
Gedanken sind als individuierte Wahrnehmungen zu Formen fixierte, situative Verhältnisse. (GR-LS 335)
Denken als leiblicher Prozess des Wahrnehmens
Stattdessen soll der Ansatz einer 'Phänomenologie des Denkens' versucht werden, was bedeutet, Denken als leiblichen Prozess zu verstehen. (GR-LS 339)
Nicht das Denken fundiert das Leben, sondern Leib und Leben das Denken. (GR-LS 332)
Vom formalen Denken aus kommt man erkenntnistheoretisch nicht zurück zur Leiblichkeit des Selbst-Bewusstseins. (GR-LS 333)
Denken als semi-autonomer Prozess
[D]as Denken besitzt - wie auch das Fühlen - 'Semi-Autonomie', d.h. 'es denkt', bevor 'ich denke'. Doch dieses 'es' als Denken ist aus phänomenologischer Perspektive betrachtet nicht 'das Gehirn', sondern das Leib-Subjekt - d.h. der denkende Leib -, der auf Wahrnehmung denkend reagiert, indem er mnemonische in rationale Potenz umwandelt. Dass er dies auch auf körperlicher Ebene und 'gehirnlich beobachtbar' tut, sollte nicht dazu verführen, die neuronalen Prozesse mit den gedanklichen Prozessen gleichzusetzen. (GR-LS 329)
Räumlichkeit des Denkens
Wenn also Denken eine spezifische Art der Wahrnehmung ist, dann findet es im leiblichen Raum statt; und aus der Analogie mit anderen Aspekten des Wahrnehmens, insbesondere des Fühlens, muss dann auch ihm eine räumliche 'Ausdehnung' zugestanden werden. Aus dieser Perspektive erscheint ein Gedanke ähnlich wie einem Gefühl als ein 'Gegenstand' - ein 'ausgedehnter Denk-Gegenstand' - im Raum. (GR-LS 327)
Mit dem Postulat einer spezifischen Ausdehnung eines Gedankens ist das Denken nicht, wie der sich auf die platonisch-augustinische Tradition stützende Descartes einfach definierte, eine 'unausgedehnte' 'reine' 'Denk-Sache' (
res cogitans), die einem Körper als einer 'ausgedehnte Sache' (
res extensa) dualistisch gegenüberstünde. Diese Sicht hat zwar ihre Berechtigung darin, dass man wegen der
Unumkehrbarkeit der Individuationsrichtung nicht von der ortsräumlichen 'messbaren' Ausdehnung auf die Ausdehnungsformen des leiblichen Raums bzw. des
Gefühls- und Gedankenraums zurückgehen kann, doch geht sie zu weit, denn deshalb die Existenz von Gedanken und Gefühlen auf 'Ausdehnungslosigkeit' zu reduzieren, nimmt ihnen gerade jene
Räumlichkeit, die für ihr Verständnis wesentlich ist.
(GR-LS 328)
Denken der Gedanken
Durch das Denken 'erkennen' wir Gedanken, wie wir durch das Fühlen Gefühle, durch das Sehen Dinge, Töne (usw.) 'erkennen'. ... In gewisser Weise 'machen' wir Gedanken, wie wir Töne 'machen'; nämlich leiblich. (GR-LS 347)
Denken basiert immer auf satzförmiger Rede.
Ganz ohne
Rede kommt bei
Mensch und
Tier die intelligente Verarbeitung impressiver
Situationen (vielsagender Eindrücke) mit und ohne direkten Eingriff aus, das
sprachlose Denken, das ich als
leibliche Intelligenz bezeichnet habe.
(S-DRdN 213)
Einfluss der Sprache auf das Denken
An dieser Stelle kann deutlich werden, dass eine bestimmte
Sprache das Denken nicht einfach festlegt, sondern bestimmte Gedanken nahelegt und evoziert, die im Denken aufgegriffen und durch Beurteilungen in die eine oder andere Richtung weitergetrieben werden.
(RE-SuS 204)
Siehe: Verführungen der Sprachtypen
Denktypen
Übersicht
Siehe: Logo-Topo, Sprachtypen, Duales und Topisches Verhältnis, Übersicht
Denktypen Klassifizierung nach Level and Mode
Types of Thought Processes Classified by Level and Mode (Zit. n. D-TSC 57):
Level of
Thought Process
|
Mode of Thought Process
|
Visual
|
Verbal
|
Memory
|
Picture-like imagery
|
Exact verbal memory
|
Relational Thought
|
Manipulation of spatial relationships
|
Manipulation of symbolic relationships
|
MacLoad's Verbal-Spatial-Tests
MacLoad's Result Showing Average Amount of Time It Takes Two Groups to Comprehend a Sentence and Then to Verify that It Does or Does Not Describe a Picture. (Zit.n. D-TSC 59)
Groups
|
Length of Time in Seconds
|
Comprehension
|
Verification
|
Verbal coders
|
1.65
|
1.21
|
Spatial coders
|
2.60
|
.65
|
Quelle: MacLeod, Colin M., Hunt, E.B., and Mathews, N.N.: Individual differences in the verification of sentence-picture-relationships. Journal of Verbal Learning and Verbal Behavior, 17:493-507, 1978; Sternberg, R.J., and Weil, E.M.: An aptitude x strategy interaction in linear syllogistic reasoning. Journal of Educational Psychology, 72:226-239, 1980.