Primitive Gegenwart: Unterschied zwischen den Versionen

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Bedeutung: Ich fühle hier und jetzt Dinge, die gar nicht zu mir gehören.
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{{c|Ich stehe zum ersten Mal in einer Familienaufstellung. Ich spiele einen mir unbekannten jungen Mann. Ich sehe keine Ähnlichkeiten zwischen ihm und mir. Plötzlich werde ich vom Leiter aufgefordert, etwas zu tun: Ich soll einem andern Mann, – ich hab ihn noch nie gesehen, aber jetzt spielt er meinen Vater, -in die Augen schauen. Ich schaue nicht gern so lange in die Augen von Leuten. Ich denke noch, es wird mir unendlich peinlich sein. Aber ich tu´s halt. Es ist ja nicht mein Problem. Und zu meiner Überraschung muss ich feststellen, dass es mir überhaupt nicht peinlich ist, sondern dass ich Tränen in die Augen bekomme, und mich sagen höre: „Ich hab dich vermisst.“ Und es stimmt. Etwas in mir weiß, dass das genau die Wirklichkeit zwischen diesem Sohn und diesem Vater ausdrückt, ihre und nicht meine. Wie konnte ich das wissen und spielen und sein, mit meiner ganzen Figur? Dass ich so was tue, das passt nicht zu mir. Vielleicht war es Zufall oder ein seelischer Ausrutscher oder etwas Unbewusstes. (Das Unbewusste soll ja zu allem Möglichen gut sein.) Aber dann passiert es mir ein zweites und ein drittes Mal in ganz unterschiedlichen Rollen, einmal sogar muss ich eine Frau spielen, was ich wirklich nicht erlebt haben kann, auch noch so unbewusst nicht. Und jedes Mal habe ich etwas Neues und mir bisher Fremdes ganz in mir selbst gefühlt. Wer bin ich denn überhaupt? Bin ich so leer, dass ich beliebige fremde Eigenschaften aufnehmen und die eigenen ebenso beliebig loslassen kann?|Siegfried Essen: Leibliches Verstehen, S. 3}}
 
{{c|Ich stehe zum ersten Mal in einer Familienaufstellung. Ich spiele einen mir unbekannten jungen Mann. Ich sehe keine Ähnlichkeiten zwischen ihm und mir. Plötzlich werde ich vom Leiter aufgefordert, etwas zu tun: Ich soll einem andern Mann, – ich hab ihn noch nie gesehen, aber jetzt spielt er meinen Vater, -in die Augen schauen. Ich schaue nicht gern so lange in die Augen von Leuten. Ich denke noch, es wird mir unendlich peinlich sein. Aber ich tu´s halt. Es ist ja nicht mein Problem. Und zu meiner Überraschung muss ich feststellen, dass es mir überhaupt nicht peinlich ist, sondern dass ich Tränen in die Augen bekomme, und mich sagen höre: „Ich hab dich vermisst.“ Und es stimmt. Etwas in mir weiß, dass das genau die Wirklichkeit zwischen diesem Sohn und diesem Vater ausdrückt, ihre und nicht meine. Wie konnte ich das wissen und spielen und sein, mit meiner ganzen Figur? Dass ich so was tue, das passt nicht zu mir. Vielleicht war es Zufall oder ein seelischer Ausrutscher oder etwas Unbewusstes. (Das Unbewusste soll ja zu allem Möglichen gut sein.) Aber dann passiert es mir ein zweites und ein drittes Mal in ganz unterschiedlichen Rollen, einmal sogar muss ich eine Frau spielen, was ich wirklich nicht erlebt haben kann, auch noch so unbewusst nicht. Und jedes Mal habe ich etwas Neues und mir bisher Fremdes ganz in mir selbst gefühlt. Wer bin ich denn überhaupt? Bin ich so leer, dass ich beliebige fremde Eigenschaften aufnehmen und die eigenen ebenso beliebig loslassen kann?|Siegfried Essen: Leibliches Verstehen, S. 3}}
 
http://www.siegfriedessen.com/publikationen.php?DOC_INST=7
 
http://www.siegfriedessen.com/publikationen.php?DOC_INST=7

Version vom 18. September 2013, 22:07 Uhr

Ich - Hier - Jetzt

Erfüllt Nicht erfüllt
Ich
  • Eigenes, unterschieden vom Fremden
  • Fremde Gefühle, Empfindungen, Gedanken
Jetzt
  • in der beobachtenden Rolle
  • als aktueller Beobachter
  • in früheren Zeiten: kindliche, jugendliche Anteile
  • in zukünftigen Zeiten: Angst vor Gefahren
Hier
  • meine Leibeserfahrungen
  • Ausleibung
  • Immersion

Hier + Jetzt

Bedeutung: Ich fühle hier und jetzt Dinge, die gar nicht zu mir gehören.

Ich stehe zum ersten Mal in einer Familienaufstellung. Ich spiele einen mir unbekannten jungen Mann. Ich sehe keine Ähnlichkeiten zwischen ihm und mir. Plötzlich werde ich vom Leiter aufgefordert, etwas zu tun: Ich soll einem andern Mann, – ich hab ihn noch nie gesehen, aber jetzt spielt er meinen Vater, -in die Augen schauen. Ich schaue nicht gern so lange in die Augen von Leuten. Ich denke noch, es wird mir unendlich peinlich sein. Aber ich tu´s halt. Es ist ja nicht mein Problem. Und zu meiner Überraschung muss ich feststellen, dass es mir überhaupt nicht peinlich ist, sondern dass ich Tränen in die Augen bekomme, und mich sagen höre: „Ich hab dich vermisst.“ Und es stimmt. Etwas in mir weiß, dass das genau die Wirklichkeit zwischen diesem Sohn und diesem Vater ausdrückt, ihre und nicht meine. Wie konnte ich das wissen und spielen und sein, mit meiner ganzen Figur? Dass ich so was tue, das passt nicht zu mir. Vielleicht war es Zufall oder ein seelischer Ausrutscher oder etwas Unbewusstes. (Das Unbewusste soll ja zu allem Möglichen gut sein.) Aber dann passiert es mir ein zweites und ein drittes Mal in ganz unterschiedlichen Rollen, einmal sogar muss ich eine Frau spielen, was ich wirklich nicht erlebt haben kann, auch noch so unbewusst nicht. Und jedes Mal habe ich etwas Neues und mir bisher Fremdes ganz in mir selbst gefühlt. Wer bin ich denn überhaupt? Bin ich so leer, dass ich beliebige fremde Eigenschaften aufnehmen und die eigenen ebenso beliebig loslassen kann? (Siegfried Essen: Leibliches Verstehen, S. 3)

http://www.siegfriedessen.com/publikationen.php?DOC_INST=7

Siehe: Präsenz

Einführung

In der primitiven Gegenwart wird ohne Identifizierung der gefunden, für den die Tatsachen subjektiv sind.

Die Selbstfindung ist aber nicht auf die primitive Gegenwart eingeschränkt.

Tatsächlich ist aber die primitive Gegenwart in der Welt das Einzige, das durch sich selbst einzeln oder eindeutig dieses ist. (S-H 39)

In dem Leben aus primitiver Gegenwart kommt keine Abgeschlossenheit vor, vielmehr Empfänglichkeit für den Einbruch des Neuen und ein Dialog, der sich zum Spiel mit verteilten Rollen aufspreizt, im Kanal des vitalen Antriebs. (S-KE 45)

Wir personalen Menschen leben zum großen Teil aus primitiver Gegenwart, nämlich bei allen routinierten, unwillkürlich ablaufenden Verrichtungen, die wir zum großen Teil mit den Tieren gemein haben. (S-KE 42)

Primitive Gegenwart.png

Fünf Dimensionen der Entfaltung der primitiven Gegenwart:

  • 1. Hier: absoluter Ort und Weite
  • 2. Jetzt: absoluter Augenblick und Dauer
  • 3. Sein: Sein und Nichtsein
  • 4. Dieses: absolute Identität
  • 5. Ich: das Eigene und das Fremde

Entfaltete Gegenwart.png

Siehe: Ich und Es, unwillkürlich

Hier

vom absoluten Ort zum Ortsraum über Lagen und Abstände, die zu sagen gestatten, wo etwas ist; (S-DRdN 240)

Jetzt

vom absoluten Augenblick zur modalen Lagezeit mit Fluss der Zeit (S-DRdN 240)

Sein

vom Sein der exponierten Gegenwart gegenüber dem Nichtmehrsein der zerrissenen Dauer zur Gegenüberstellung des Seienden und Nichtseienden mit Projektion der Einzelheit in das Nichtseiende, wodurch es möglich wird, die Situationen zu überholen; (S-DRdN 240)

Dieses

von der absoluten Identität zur relativen, wodurch das Identische vielseitig (von vielen Gattungen her als das selbe bestimmbar) wird (S-DRdN 240)

Ich

vom absolute identischen Bewussthaber zum einzelnen Subjekt mit Gegenüberstellung des Eigenen und Fremden. (S-DRdN 240)

Siehe: Personale Emanzipation