Paradigmen: Unterschied zwischen den Versionen

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{{c|In empirischen Studien zum mimischen Austausch zwischen Mutter und Kind (Beebe u. Lachmann 1994) zeigt sich, wie beide sich an einem Dritten ausrichten und einen gemeinsamen Rhythmus erzeugen, der sich nicht auf ein Schema Aktion/Reaktion reduzieren lässt, bei dem einer aktiv und der andere passiv ist oder einer vorgibt und der andere nachzieht. ... Aktion und Reaktion charakterisieren in ihrer Einseitigkeit den Erfahrungsmodus komplementärer Zweiheit, während ein ''geteiltes Drittes'' als Gemeinschaftsleistung erlebt wird.|Jessica Benjamin in: AT-DvS 77}}
 
{{c|In empirischen Studien zum mimischen Austausch zwischen Mutter und Kind (Beebe u. Lachmann 1994) zeigt sich, wie beide sich an einem Dritten ausrichten und einen gemeinsamen Rhythmus erzeugen, der sich nicht auf ein Schema Aktion/Reaktion reduzieren lässt, bei dem einer aktiv und der andere passiv ist oder einer vorgibt und der andere nachzieht. ... Aktion und Reaktion charakterisieren in ihrer Einseitigkeit den Erfahrungsmodus komplementärer Zweiheit, während ein ''geteiltes Drittes'' als Gemeinschaftsleistung erlebt wird.|Jessica Benjamin in: AT-DvS 77}}
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=== Übertreibungen ===
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Bei allem Intersubjektivismus geht es darum, den ''relational turn'' auch nicht zu übertreiben, d.h. ein ausgewogenes Verhältnis von inter- und intra-psychischem Geschehen zu betrachten.
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Übliche Übertreibungen des interpsychischen und damit intersubjektiven Geschehens sind:
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* Das Selbst ist nur Produkt der Interaktion
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Gegen die relationalen Übertreibungen ist zu betonen:
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* [[Sozialapriorismus]]
  
 
== topological turn ==
 
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Das "Dritte" als vorsprachliche [[Situation]].
 
Das "Dritte" als vorsprachliche [[Situation]].

Version vom 23. August 2011, 12:13 Uhr

Übersicht

Paradigma Dualistisches Paradigma Relationales Paradigma Topisches Paradigma
Individuum-Modell Individuum und Außenwelt Individuum und Relationen mit der Außenwelt/Anderen Individuum und topische Relationen mit der Welt
Philosophie Demokrit, Platon, Aristoteles, Leibniz, Psychologismus, Introjektionismus, Naturalismus, Dualismus Meads Symbolischer Interaktionismus, Wittgensteins Sprachphilosophie Leib-Phänomenologie, Topologie, Topisches Verhältnis, Situation, Feldontologie,
Phänomenologie Unterscheidung durch Grenze Bezogenheit durch Beziehungen Bezogenheit durch Durchdringung
Psychologie
  • einsame Seele: Bedürfnisbefriedigung im Außen, Freuds dualistische Triebtheorie, Monadentheorie
  • vernetzte Seele: Relationale Psychoanalsyse, systemischer Ansatz
  • Säuglingsforschung, Bindungsforschung
Biologie System-Umwelt-Modell Neurobiologie: Spiegelneuronen Bio-Phänomenologie: Bio-Photonen
Soziologie Operative Systemtheorie von Luhmann Simmel, Netzwerktheorie Sozio-Phänomenologie, Topische Systemtheorie
Gesellschaft Schichten Netzwerke Felder
Physik Beobachterunabhängigkeit Beobachterabhängigkeit Beobachter als kontextuell Betroffener
+ Neues Individuum und Andere + Beziehungen (relational turn) +Topische (=vertikale) Beziehungsqualität (topological turn) Achsen

relational turn

Psychoanalyse:

Der Mensch wendet sich dem anderen Menschen nicht nur zu, weil er ein Kommunikations- oder Triebbedürfnis zu befriedigen hat, weil er Schutz braucht oder Hunger verspürt oder weil ihm langweilig ist, sondern weil er sich dadurch als Mensch erst konstituiert. (AT-DvS 17)

Hypostasierung der Intersubjektivität als Drittes

Die relationale Intersubjektivität wird als eigenständiges Drittes hypostasiert, z.B. als Sprache.

Intersubjektivität als Sprache bei Lacan:

Aber Lacans Vorstellung von Sprache lässt jenen vorsprachlichen Teil der Verständigung außer Acht, den die Säuglingsforschung zum unverzichtbaren Bestandteil psychoanalytischer Theorie gemacht hat. (Jessica Benjamin in: AT-DvS 76)

Kritik, Intersubjektivität als vorsprachlicher gemeinsamer Rhythmus:

Nach meinem Triangulierungskonzept konstituiert sich Anerkennung nicht erst in der Vermittlung durch Sprache, sondern bereits in einem frühen, nonverbalen Entwicklungsstadium, das dem Kind in der Interaktion mit der Mutter (oder mit einer anderen Bezugsperson) die emergente Erfahrung eines miteinander geteilten Verhaltensmusters, eines gemeinsamen Rhythmus vermittelt. Deshalb habe ich vorgeschlagen, ein "emergentes" oder "synergetisches" Drittes anzunehmen, das sich vom intrapsychischen Dritten der Mutter unterscheidet (Benjamin 2007). Diese Form des Dritten ist bereits in jenem frühesten, gestisch vermittelten Austausch zwischen Mutter und Kind wirksam, der der so genannten symbiotischen Phase angehört. Ich sehe darin bereits eine Form der Triangulierung und schlage vor, das Prinzip der Affektresonanz, das Mutter und Kind miteinander verbindet und sich buchstäblich in der symbiotischen Einheit konstituiert, die "Gemeinschaft im Dritten" (one in the third) zu nennen. (Jessica Benjamin in: AT-DvS 76)

In seiner Auseinandersetzung mit der Säuglingsforschung hat Sander (2002) das der Affektresonanz zugrunde liegende rhythmische Prinzip als "Rhythmizität" bezeichnet; es ist für ihn eines von zwei Prinzipien menschlicher Interaktion (das andere Prinzip nennt er "Spezifität"). (Jessica Benjamin in: AT-DvS 76)

In empirischen Studien zum mimischen Austausch zwischen Mutter und Kind (Beebe u. Lachmann 1994) zeigt sich, wie beide sich an einem Dritten ausrichten und einen gemeinsamen Rhythmus erzeugen, der sich nicht auf ein Schema Aktion/Reaktion reduzieren lässt, bei dem einer aktiv und der andere passiv ist oder einer vorgibt und der andere nachzieht. ... Aktion und Reaktion charakterisieren in ihrer Einseitigkeit den Erfahrungsmodus komplementärer Zweiheit, während ein geteiltes Drittes als Gemeinschaftsleistung erlebt wird. (Jessica Benjamin in: AT-DvS 77)

Übertreibungen

Bei allem Intersubjektivismus geht es darum, den relational turn auch nicht zu übertreiben, d.h. ein ausgewogenes Verhältnis von inter- und intra-psychischem Geschehen zu betrachten.

Übliche Übertreibungen des interpsychischen und damit intersubjektiven Geschehens sind:

  • Das Selbst ist nur Produkt der Interaktion

Gegen die relationalen Übertreibungen ist zu betonen:

topological turn

Das "Dritte" als vorsprachliche Situation.