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{{c|Es handelt sich um einen eigenständigen Fernsinn, der aber nicht, wie die bekannten Fernesinne des Sehens und Hörens, von anschaulich feststellbaren Sinnesorganen (wie Auge und Ohr) abhängt. Ob das Klima in der freien [[Natur]] - das sogenannte Wetter - oder in einem umbauten Raum warm oder kalt, feucht oder trocken ist, ob die [[Atmosphäre]] schwül oder rein ist, das merken wir mit verblüffender, schlagartiger Sicherheit in der Weise, die zugleich eigenleibliches Spüren und Wahrnehmen einer den Raum des eigenen Körpers umfassenden und unbestimmt weit übertreffenden Ausdehnung ist: In der eigenleiblichen Affektion, aber ohne dass sich diese als besonderes Objekt herausheben müsste, werden wir dessen innen, wie es gerade im Ganzen der Landschaft oder des Zimmers mit dem Klima steht. Bezeichnend dafür sind Gretchens Worte im ''Faust'', als sie beim Nachhausekommen ihr Zimmer betritt:|S-Sub: 12}} | {{c|Es handelt sich um einen eigenständigen Fernsinn, der aber nicht, wie die bekannten Fernesinne des Sehens und Hörens, von anschaulich feststellbaren Sinnesorganen (wie Auge und Ohr) abhängt. Ob das Klima in der freien [[Natur]] - das sogenannte Wetter - oder in einem umbauten Raum warm oder kalt, feucht oder trocken ist, ob die [[Atmosphäre]] schwül oder rein ist, das merken wir mit verblüffender, schlagartiger Sicherheit in der Weise, die zugleich eigenleibliches Spüren und Wahrnehmen einer den Raum des eigenen Körpers umfassenden und unbestimmt weit übertreffenden Ausdehnung ist: In der eigenleiblichen Affektion, aber ohne dass sich diese als besonderes Objekt herausheben müsste, werden wir dessen innen, wie es gerade im Ganzen der Landschaft oder des Zimmers mit dem Klima steht. Bezeichnend dafür sind Gretchens Worte im ''Faust'', als sie beim Nachhausekommen ihr Zimmer betritt:|S-Sub: 12}} | ||
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+ | {{c|Das eigenleibliche Befinden unter dem Einfluss des Klimas und das Klima selbst, wie es draußen in der Weite der Landschaft oder im Zimmer ist, sind bei bloßer, schlichter klimatischer Wahrnehmung nicht unterscheidbar, sondern das leibliche Subjekt und das Wahrgenommene Objekt - das Klima - verschmelzen dann im zweideutigen, chaotischen Verhältnis, ohne dass das Subjekt eines intentionalen Aktes der Wahrnehmung bedürfte, um zu seinem Objekt zu kommen.|S-Sub: 13}} | ||
== Gnostische und pathische Wahrnehmung == | == Gnostische und pathische Wahrnehmung == |
Version vom 7. März 2011, 12:50 Uhr
Wahrnehmen ist nicht ein Registrieren von Empfindungen, sondern ein Bemerken, was los ist. (S-WNP 334)
Wahrnehmung als leibliche Kommunikation
Wahrnehmen ist keine Bewegung vom physikalischen Raum in den Bewußtseinsraum, sondern eine Beziehung von Leib und Gegenstand in einer gemeinsamen Welt - eine Form von Kommunikation. (F-LRP 95)
Phänomenologisch ist Wahrnehmung nicht Verarbeitung physischer Reize mit mysteriösem Umspringen von Gehirnprozessen in Seelenzustände, sondern leibliche Kommunikation über die Brücke der Bewegungssuggestionen und synästhetischen Charaktere. (S-WNP 254)
Wahrnehmung als Einleibung
Die Normalform der Wahrnehmung ist die antagonistische Einleibung mit primärem Eingespieltsein beider Seiten auf einander durch einen sie zusammenschließenden vitalen Antrieb .... (S-WNP 390)
Spannbreite des Wahrnehmens
Ein Gefühl braucht nicht ergreifend zu sein, um wahrgenommen zu werden. Es kann auch bloß wahrgenommen werden.
Bsp eines bloß wahrgenommenen Gefühls: Wie atmet rings Gefühl der Stille, Der Ordnung, der Zufriedenheit (Faust Vers 2691 f.)
Spannbreite:
- gegenständliche Atmosphäre
- ...
- von der Atmosphäre mit einer Spur affektiven Betroffenseins gestreift und angerührt.
- ...
- Atmosphäre als ergreifende Macht
(Vgl.: S-WNP 178)
Keine Trennung von Wahrnehmungsakt und Gegenstand
Viele Sprachen neigen durch ihre Aktiv-Passiv-Struktur dazu, diese Trennung von Wahrnehmungsakt und Gegenstand zu betonen. Neben dem Aktiv und Passiv ist das Medium ein Modi, dass uns alternative Strukturen vorstellbar werden lässt.
Wahrnehmung als Wahrnehmung von Situationen
Alle Wahrnehmung ist Wahrnehmung von Situationen; es führt in die Irre, sie als sinnliche Wahrnehmung zu bezeichnen, die sich hauptsächlich auf die von den Sinnesorganen vermittelten Qualitäten bezöge. Wahrnehmung ist in erster Linie Wahrnehmung was los ist an Sachverhalten, Programmen und Problemen, so schon beim Säugling als Wahrnehmen von Situationen mit Programmen der Anziehung und Abstoßung, mit Legierung von Sachverhalten und Programmen in Gestalt der Lust. Gründlich verkehrt ist die Unterstellung, dass solche Bedeutungen erst in einer Serie einzelner bloß sinnlicher Erfahrungen hinzugelernt würden; vielmehr gibt es einzelne Erfahrungen nur als Fälle von Bedeutungen. Jede sinnliche Erfahrung ist auch unsinnlich. ... Was dem Säugling fehlt, ist nicht das Baden in Bedeutungen, sondern die Explikation der für ihn noch absolut chaotisch-mannigfaltigen Bedeutsamkeit der erlebten Situation. Aber auch die feinste intellektuelle Explikation führt nicht über Situationen hinaus. ... (S-JdN 42)
Zusammenhang von Wahrnehmung und eigenleiblichem Spüren
Phänomenologische und naturwissenschaftliche Wahrnehmung
Die Phänomenologie der Wahrnehmung steht in Konkurrenz mit anderen Disziplinen, die beanspruchen Experten für Wahrnehmungen zu sein: die Sinnesphysiologie, Neurophysiologie etc.
Gemessen an dem Erfolg der letzteren [der Sinnes- und Neurophysiologie] und insbesondere ihrer technischen und therapeutischen Anwendbarkeit scheint es nötig, das Unternehmen einer Phänomenologie der Wahrnehmung zu legitimieren und in ein Verhältnis zur Neurophysiologie zu setzen. (B-LaA 41)
Ebenso wie bei der Natur, besteht Auslegungskonkurrenz.
Klimatische Wahrnehmungsweise
Gnostische und pathische Wahrnehmung
Gnostische Wahrnehmung | Pathische Wahrnehmung |
kognitives System | pathisches System |
Objektivität ensteht aus dem Zusammenspiel des affektiven und des kognitiven Systems, aus der Komplementarität des pathischen und des gnostischen Wahrnehmens. (F-LRP 244)
Gnostische Wahrnehmung
im kognitiv und rational strukturierten Raum dauerhafter Sachverhalte
Pathische Wahrnehmung
Resonanzphänomene im präsentisch geprägten Stimmungsraum.
Beispiel Natur: Naturdinge und -räume gleichen Saiten, die durch den Menschen in seiner Gestimmtheit erst zum Klingen gebracht werden. (F-LRP 239)