Mannigfaltigkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 11. August 2012, 18:51 Uhr

Übersicht

numerische Mannigfaltigkeit instabile Mannigfaltigkeit chaotische Mannigfaltigkeit
Identität als Relation identisch mit etwas ... als absolute Identität, selbst zu sein
Bestimmtheit
Identität und Verschiedenheit schließen sich aus möglich möglich, können aber auch wegbleiben
Einzelheit Nur Einzelheiten Einzelheiten möglich Mangel an Einzelheit

Übergänge

Vom chaotischen Mannigfaltigen zur Menge

Durch den Übergang vom chaotischen Mannigfaltigen zur Menge numerischer Einheiten gewinnt die Identität neue Züge. Die absolute Identität, selbst zu sein, wird zur Relation, identisch mit etwas zu sein. (S-LU 47)

Die Bestimmtheit als Fall einer Gattung konserviert in der vorhin angegebenen Weise die Teile eines chaotischen Mannigfaltigen so, dass ihre Integrität als Elemente geschützt ist, da sie von der Menge aus, die der Umfang der Gattung ist, eindeutig feststehen, während das Ganze einer Situation keinen eindeutigen Leitfaden zur Aussonderung gerade dieser Teile bereitstellt und diese auch nicht vor Verschmelzung in hinlänglich weitem Sinn des Wortes schützt. (S-LU 48)

Geschichte der Mannigfaltigkeit

Bis zu Plotin hat man das Mannigfaltige immer additiv oder multiplikativ gesehen, als ein so und so Vielfaches (eventuell Unendlichfaches) elementarer Einheiten. Dieses elementaristische Konzept der Mannigfaltigkeit hält sich vom Altertum bis zu Occam, Leibniz und den modernen Konstellationisten durch. (S-DWdeP1 323f)

Der Philosoph Plotin ist groß als erster Theoretiker des Unterschiedes von Typen der Mannigfaltigkeit, der dem konstruktiven, von einzelnen Teilen zum Ganzen aufsteigenden Denken das Leitbild des innig integrierten Ganzen entgegensetzt und sich an das instabile oder ambivalente Mannigfaltige herantastet, in dem mehrere Sachen um Identität mit derselben Sachen konkurrieren (nach Plotin: das eine Ganze und die vielen Teile um Identität mit dem vieleinigen Ganzen, das der Geist sowie die ihm nicht entfremdete Seele ist); der von da aus in die zerstreute Mannigfaltigkeit der zeitlichen Erstreckung und der Körperwelt absteigt, ohne sich beim Abstieg die Vieleinigkeit ganz nehmen zu lassen, so dass er sich dem irreführenden Erbe Demokrits und Platons - der psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistischen Vergegenständlichung - weiter als fast alle nachplatonischen Denker entziehen kann. (S-DWdeP1 346f)

Plotin ist nach unserem Wissensstand der Entdecker des Mannigfaltigkeitstypus der Vieleinigkeit (...) oder instabilen Mannigfaltigkeit, der darin besteht, dass verschiedene Gegenstände um Identität mit demselben Gegenstand konkurrieren, die Dame und Puppe im Fall der Husserl'schen Puppe, Verwirrung und Übersicht beim Kapieren eines Witzes, absoluter und relativer Augenblick im Fluss der Zeit, Selbstzuschreibung und affektives Betroffensein ohne sie im personalen Selbstbewusstsein. (S-DWdeP1 397)

Typen der Mannigfaltigkeit

Numerische Mannigfaltigkeit

Instabile Mannigfaltigkeit

  • auch: ambivalente oder multivalente Mannigfaltigkeit, Vieleinigkeit
  • verschiedene Sachen konkurrieren konkurrieren um Identität mit derselben Sache.

Beispiel:

  • Beziehungsbewusstsein, wo Einfachheit des Bewussthabens der Beziehung und Mannigfaltigkeit des Bewussthabens ihrer Glieder um Identität konkurrieren, z.B. Bewussthabens der Verschiedenheit des Mondes von der Sonne
  • am Beispiel des Flusses der modalen Lagezeit, dass die Gesamtvergangenheit wächst, die Gesamtzukunft schrumpft und die Gesamtgegenwart wechselt, in dem sie sich in die Zukunft gleichsam einfrisst. (S-DWdeP 473)

Geschichte:

  • von Plotin und seinen neuplantonischen Nachfolgern (Proklos, Damaskios, Scotus Eriugena) aufgebracht
  • Hegels einziger Typ der Mannigfaltigkeit:

Plotin beschreibt die instabile Mannigfaltigkeit des Geistes vertikal, vom Geist als ganzem her, der sich in die vielen Ideen so entfaltet, dass sie mit einander um die Identität mit ihm konkurrieren, wie er mit ihnen um Identität mit ihnen. Ähnlich sieht Duns Scotus die Identität der verschiedenen Perfektionen mit der sie in continentia unitiva verschmelzen Essenz. Auch Hegel bemüht sich vielfach, wenngleich nicht durchgängig, um eine ganzheitliche Sicht, die wie bei Plotin vom Geist ausgeht und diesem das Bewusstsein der Individuen bis zur Deckung etwa so anordnet, wie Scotus die Perfektionen der Essenz; ... (S-DWdeP 476)

Plotins multivalente Mannigfaltigkeit des Geistes, die sich im Zuge der Emanation vom Einen zum Vielen entfaltet, ist horizontal (in der Dimension des Vielen) und vertikal (im Verhältnis zwischen den vielen Geistern und dem einen ganzen Geist) ausgewogen; Hegel setzt dagegen die Dialektik immer horizontal an, bei als numerischen Einsen imponierenden Polen, und schraubt sie durch Vermittlung empor zur Integration, die das Wahre als das Ganze mehr oder weniger vorläufig erreicht. (S-DWdeP 477)

Mit seinem Bekenntnis zur ausschließlich instabilen Mannigfaltigkeit weicht Hegel vom im neuzeitlichen Denken herrschenden Singularismus ab, dem Erbe der durch Wilhelm von Ockham in dieser Hinsicht radikalisierten Scholastik. ... Im Gegensatz zu den Neuplatonikern, die außer dem instabilen oder multivalenten Mannigfaltigen in der Welt des Geistes auch das numerische Mannigfaltige der Sinnenwelt (als Schwächezustand durch Lockerung intensiver Integration) gelten lassen, will Hegel dem numerischen Mannigfaltigen allen legitimen Boden entziehen. Da er aber in einer vom Singularismus geprägten Umgebung lebt, muss er beim numerisch Mannigfaltigen ansetzen und dieses mit dem Werkzeug des logischen Widerspruchs in instabiles Mannigfaltiges konvertieren. Dazu kommt, dass er vom chaotischen Mannigfaltigen ... gar nichts wissen will und insofern mit dem Konstellationismus übereinstimmt, der statt der Situation mit ganzheitlich binnendiffuser, chaotisch-mannigfaltiger Bedeutsamkeit aus Sachverhalten (Überzeugungen), Programmen und Problemen nur Konstellationen, d.h. Vernetzungen einzelner Faktoren, zulässt. Der Unterschied Hegels von den modernen Konstellationisten besteht nur darin, dass deren Konstellationen stabil sein sollen, die Hegels aber instabil. (S-DWdeP 475f)

Die Struktur der instabilen Mannigfaltigkeit, dass zwei Sachen um Identität mit einem Dritten konkurrieren, ist erst in der dreipoligen Dialektik dadurch voll ausgeprägt, dass das Dritte als eigener Pol fassbar wird, während es in der zweipoligen gleichsam flüssig bleibt als Schluss der Vermittlung, in der jeder dem anderen Mite der beiderseitigen Aufhebung und Rückkehr in sich ist, ... (S-DWdeP 479)

Vgl. Shimizus Kritik an dem dialektischen Verständnis von 場 (ba) bei Nishida. [TL-TS 75]

Instabile Mannigfaltigkeit als Prozessontologie?

Chaotische Mannigfaltigkeit

Chaotische Mannigfaltigkeit steht der prägnanten Geschlossenheit des Eindrucks aber keineswegs im Wege. (S-LGK 12)

Eine chaotisch-mannigfaltige Ganzheit, zu der mindestens Sachverhalte gehören, bezeichne ich als eine Situation. (S-LGK 12)

Primär ist chaotische Mannigfaltigkeit (...) und Individuation, wodurch etwas einzeln ist, muss ihr erst abgewonnen werden, als etwas, das sich ereignet. (S-Hegels Logik 55)

[1]

Diffuse Mannigfaltigkeit

Die individuelle Eigenart soll sich entfalten können, aber straff eingebunden in das sie umschließende Ganze. (S-DWdeP1 346, über Plotins Vieleinigkeit)

Beispiele:

  • Sprache für einen kompetenten Sprecher. Der Vorrat an Regeln und Rezepten besitzt schon genügend Verschiedenheit (also auch Identität), um eine treffende Auswahl zu gestatten. Zur Einzelheit können die verfügbaren Sätze beim Hineingreifen aber noch nicht gediehen sein, denn als einzelner kann ein Satz nur gefunden werden, wenn man ihn (eventuell verkürzt) ausspricht oder eher noch - schon ausgesprochen hat.
  • geführte Gliederbewegung, z.B. beim Gehen, Laufen, Springen, Tanzen. Die eigenen Glieder können nur koordiniert werden, wenn man sie nicht verwechselt, aber sobald sie als einzelne vorkommen, ist es mit der flüssigen Bewegung vorbei. (S-DWdeP II, 472f)

Alles unwillkürlichen motorischen Kompetenzen sind diffus chaotisch-mannigfaltige Situationen, z.B. die Kompetenz zum Kauen fester Nahrung, die sich als mit absoluter Identität und Verschiedenheit vertraut dadurch erweist, dass die eigene Zunge nicht mit zerkaut wird. (S-DRdN 239f)

Konfuse Mannigfaltigkeit

Beispiel:

  • das räumliche oder zeitliche Kontinuum, z.B. eine durchdöste Frist, in der sich viele Phasen flüssig überschneiden, ohne dass sich eine Spur von Verschiedenheit abzeichnete
  • erlebt als Schwimmer im Wasser