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Version vom 12. September 2017, 23:31 Uhr

Einführung

  • Neue Phänomenologie für systemische Praktiker
  • Verbindung und Abgrenzung von Neuer Phänomenologie und Systemtheorie
  • Brückenschlag zwischen Phänomenologie und Konstruktivismus

Ontologie

In der Ontologie geht es um die Frage, was ist. Dazu gibt es drei typische Antworten, die wie folgt unterschieden werden können:

Dingontologie Prozessontologie Situationsontologie
Aussage Es gibt einzelne festkörperliche Dinge, der verbunden sein können. Es gibt Prozesse, in denen Operationen verkettet sind. Es gibt Situationen, in denen sich Lebewesen befinden.
Vertreter Aristoteles, Leibniz, Kant Mach, Whitehead, Wittgenstein Hegel, Dilthey, Heidegger

Dingontologie

Dingontologien gehen davon aus, dass die Welt aus lauter Dingen in Form von Festkörpern besteht, die Eigenschaften haben und in Beziehung zu einander stehen können.

Prozessontologie

Situationsontologie

Die Situationsontologie geht davon aus, dass die Welt aus lauter Situationen besteht, d.h. aus chaotisch-mannigfaltigen Ganzheiten in denen es nicht nur Einzelheiten gibt sondern auch Ganzheitliches. Wenn wir Situationen als grundlegend annehmen, dann sind wir als Lebewesen ebenso darin eingebettet wie die Tiere. Der Unterschied besteht nur darin, dass Menschen dazu verdammt sind, sich auch aus Situationen zu erheben und Konstellationen mit Einzelheiten daraus zu explizieren.


Erkenntnistheorie

Die erkenntnistheoretische Position des systemischen Phänomenologie grenzt sich auf der einen Seite ab gegen einen dingontologischen Realismus der Sachen und auf der anderen Seite gegen einem prozessontologischen Konstruktivismus.

Realismus Konstruktivismus

(als konstruktiven Idealismus)

Explikationismus
Thomas von Aquin, Kant, Schelling Kant, Schopenhauer, Fichte Hegel, Dilthey, Heidegger
Realismus: nur nackte Tatsachen Absoluter Relativismus (in Beliebigkeit, wenn nicht sozial normiert) Moderater Relativismus (Anerkennung nackter Tatsachen in faktischer Betroffenheit)
Metapher Besuch: Es gibt vorgegebene Dinge, denen wir prinzipiell einen Besuch abstatten können. Besuch: Ersatzbefriedigung, da wir den Dingen keinen Besuch abstatten können. Ernte: Wir leben auf Feldern und ernten Früchte.
Spruch Erkenntnis ist das Erkennen des Ding-an-sichs. Erkenntnis wird aus einzelnen Sinneseindrücken synthetisiert und konstruiert. Erkenntnis ist eine Seinsart des In-der-Welt-seins. (Heidegger: SuZ 61)
Vorrangige Ontologie Dingontologie Prozessontologie Situationsontologie

Realismus

Der erkenntnistheoretische Realismus verfolgt das Reise- und Besuchsmodell der Erkenntnis. Erkenntnis kommt demnach wie ein Beutefang auf einer Jagd zustande: der Mensch verlässt die Höhle um auf Beutefang zu gehen und findet in der Außenwelt Kenntnisse über Objekte, die er gleichsam im Rucksack mit nach Hause in die Höhle trägt. Erkennen ist das Ergreifen von festen Dingen und Sachen ("res", die Sachen), die man bei einem Besuch außerhalb des eigenen Wohnortes findet. Die Höhle als eigener Wohnort ist jedoch dunkel und es lassen sich darin keine Sachen erkennen.

Die strenge Variante des Realismus besagt, dass die Dinge als solche erkannt werden können. Häufiger ist die Variante das man davon ausgeht, dass man durch den (aktiven oder passiven) Besuch an den Sachen beschreibende Züge abgelesen und festgestellt werden können (Erkenntnistheoretischer Deskriptivismus). Die Naturwissenschaften gehen methodisch so vor, dass sie nach realistischen Beschreibungen suchen um daraus die Zukunft zu prognostizieren oder gar mit technischem Handwerk zu gestalten. Jedoch kann von einer erfolgreichen Prognose oder einer erfolgreichem Gestaltungsexperiment nicht notwendigerweise auf die Korrektheit der realistischen Beschreibung geschlossen oder gar der Realismus als erkenntnistheoretische Postionen bewiesen werden.

Konstruktivismus

Der Konstruktivismus beschreibt, wie Erkenntnis möglich ist, wenn das Tier die Höhle nicht verlassen kann. Als Ersatzbefriedigung wandert es in der Höhle herum und sucht dort nach einzelnen Dingen aus denen es etwas bauen kann. Das Konstruierte ist dann stets die Neukombination von Einzelnem, das nur von Innen kommen kann. Von Außen könnte maximal die Aufforderung kommen, etwas neues zu suchen und daraus etwas zu bauen. Die gehörte Aufforderung wäre jedoch selbst eine Konstruktion.

Der Konstruktivismus tritt in verschiedenen Formen auf, und hat deutliche Überschneidungen mit dem erkenntnistheoretischen Realismus und Explikationismus:

  • Der Radikale Konstruktivismus ist eine Extremposition und leugnet die Erkenntnis einer unabhängigen Realität. Da alle Erkenntnis als Konstruktion angesehen wird, kann es daher auch kein Erkenntnissubjekt als sich erlebenden Konstrukteur mehr geben. Als Extremposition ist diese Position nur im Rahmen einer konsequenten Prozessontologie denkbar, in der es nur nur Operationen als objektive Sachverhalte gibt.[1]
  • Der Neurokonstruktivismus (z.B. G. Roth) beruft sich auf die naturwissenschaftliche Hirnforschung, und geht damit eine Koalitation mit dem reduktionistischen Realismus ein. Er kombiniert damit auf seltsame Weise den konstruktivistischen Antirealismus gegenüber der Welt mit dem Realismus der (Neuro-)Naturwissenschaft und widerspricht sich damit letztlich selbst. Von den meisten systemischen Praktikern wird dieser Widerspruch zwischen Konstruktivismus und neurowissenschaftlichem Realismus gar nicht als solcher erkannt oder letztlich fahrlässig in Kauf genommen, da man sich von einer in Mode gekommenen neurowissenschaftlichen Argumentation Legitimations- und Marktvorteile verspricht. Im Therapiekontext scheint es legitim, die Neurowissenschaft im Interesse eines besseren Compliance zu utilisieren, aber als wissenschaftstheoretische Position ist diese Kombination nicht haltbar.
  • Der sozialer Konstruktivismus (z.B. Gergen) beruft sich auf auf die sozialen Abstimmungsprozesse der Konstruktionen und rückt damit in die Nähe des Explikationismus, der ebenso von einer grundlegenden Einbettung alles Seins in Situation ohne Identität und Einzelheit ausgeht. Ein so verstandener sozialer Konstruktivismus deckt sich aber erst dann mit dem erkenntnistheoretischen Explikationismus, wenn er die zentrale singularistische Annahmen des Konstruktivismus fallen lässt, dass die Welt aus lauter Einzelnem besteht.

Explikationismus

So unterschiedlich Realismus und Konstruktivismus sind, so einig sind sie sich darin, dass Einzelnes existiert, entweder innerhalb oder außerhalb der Höhle. Auf die Idee, dass es Einzelnes überhaupt nicht gibt, kommen sie nicht. Der erkenntnistheoretische Explikationismus ist in diesem Sinn daher systemischer, wenn er davon ausgeht, dass Einzelnes nicht per se existiert, sondern selbst wieder eine Erkenntnis- und Explikationsleistung ist. Er geht daher davon aus, dass Menschen und alle Lebewesen primär in Situationen leben, wo es noch nichts Einzelnes gibt, sondern Einzelnes erst geerntet werden muss. Anstatt Erkenntnis als Besuch oder Reise innerhalb oder außerhalb der Höhle zu beschreiben, wird Erkenntnis als Ernte verstanden, bei der wir auf und in freien Feldern leben und zugleich dort ernten. Erkenntnis ist nicht das innerliche Kombinieren oder Sammeln von Einzelnem auf einer Reise, sondern das Ernten von Einzelnem aus und auf dem Feld auf und in dem mal lebt. Erkenntnis ist kein Suchen oder Besuch von etwas, sondern eine Seinsart des In-der-Welt-Seins.[H-SuZ 61]

Die angemessene Metapher zur Versinnlichung der Erkenntnis ist von diesem Standpunkt aus nicht mehr die Reise, sondern die Ernte; die Situation ist der Acker, die durch Explikation für das Wissen abfallende Tatsache die Frucht und das personale, erkennende Subjekt der Bauer, der auf diesem Acker zu Hause (glebae adscriptus) ist. (S-NGE 219f)

Im Explikationismus geht es nicht um Passung des Explikats mit der Situation, aus der dieses geschöpft wurde. Das traditionelle Leitbild der Adäquation oder Korrespondenz zielt an der Natur der Erkenntnis vorbei.

Haltungen

Systemische Praxis im Lichte der Phänomenologie

Systemisch-Konstruktivistische Therapie

Systemisch-phänomenologische Therapie

Hypnosystemik

PEP

Systemische Naturtherapie

Fazit

Glossar

  1. "Wissen heißt fähig sein, in einer individuellen oder sozialen Situation adäquat zu operieren." Humberto B. Maturana: Erkennen. Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit, Braunschweig 1985. S. 76. Maturana gilt als Stifterfigur des Radikalen Konstruktivismus.