Intentionalität

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Intentionalität wird gewöhnlich nach dem Vorbild des Blickstrahls gedacht, so als ob es eine aktiv aussendende Seite und eine passive empfangende Seite gibt. Diese Vorstellung von Intentionalität beruht auf der fälschlichen Annahme des Singularismus. Intentionalität ist hingegen als Relation nur eine Spezialform der Richtung und geht stets aus ganzheitlichen Situationen hervor.

... die dem Singularismus verfallene Vorstellung von Intentionalität, wie sie sich bei Brentano und Husserl findet,... (S-BW 7)

Seit Franz Brentano 1873 als auszeichnendes Merkmal der "psychischen Phänomene" ihren "intentionalen" Charakter bestimmte, "Bewußtsein von etwas" zu sein, hat das Schlagwort von der Intentionalität oder vom Bewußtsein als Bewußtsein von etwas einen Siegeszug angetreten, mit dem sich in der Geschichte der Philosophie unseres Jahrhunderts vermutlich kein anderes Schlagwort messen kann. Schon 1928 mußte Martin Heidegger die wohlberechtigte Warnung aussprechen, der Ausdruck "Intentionalität" sei "kein Losungswort, sonder der Titel eines zentralen Problems." (S-Sub 1)

Wenn dagegen ein Gedanke uns kommt oder einfällt, eine Sachlage uns klar wird, eine Erinnerung uns rührend oder siedend heiß ans Herz greift, Schwermut uns erfüllt, Neid schleichend in uns aufsteigt, und in vielen anderen Fällen ist das Erleben in einer Weise charakterisiert und auch schon im Sprachgebrauch ausgeprägt, die sich dem Schema des intentionalen Willensaktes nur schlecht fügt. Somit scheint eine Revision der vom Begriff der Intentionalität bestimmten Bewußtseinstheorie erforderlich zu sein, um der Frage nachzugehen, ob durch diesen Begriff wirklich ein homogener Grundzug des Bewußtseins getroffen oder Unzusammengehöriges unter einen Hut gebracht worden ist. (S-Sub, 3)

Typen der Intentionalität

Operative Intentionalität

Simms räumt der operativen Intentionalität eine Vorrangstellung vor der Handlungsintensionalität ein, was sich aus der leib-körperlichen Präsenz des Säuglings herleiten lässt und welche die Unterscheidung zwischen moral agent und moral patient, die ja erst eine der Handlungsintentionalität ist, als sekundäre ausweist. (AB-Bub 259)

Handlungsintentionalität

s.o.

Zwei Stufen

Proto-Intentionalität

Proto-Intensionalität ist antagonistische Einleibung in Halbdinge wie den Schmerz. Man kann Schmerz nicht erleiden, ohne sich mit ihm auseinanderzusetzen. (S-DWP2 665)

Intentionalität im Vollsinn

Er für den Übergang von solcher Proto-Intentionalität zur Intentionalität im Vollsinn entscheidende Schritt ist die Geburt der Einzelheit – der Fähigkeit, eine Anzahl um 1 zu vermehren, d.h. Element einer endlichen Menge zu sein – durch die stabilisierende Kraft satzförmiger Rede, die statt der Rufe und Schreie, die ganze Situation heraufbeschwören, modifizieren und beantworten, aus den Situationen einzelne Sachverhalte, einzelne Programme, einzelne Probleme heraushebt und unter einander vernetzt. Dadurch wird die Bestimmtheit als etwas, ein einzelner Sachverhalt, möglich, wodurch sich die Identität, dass etwas es selbst ist (schon in der Proto-Intentionalität vorhanden) zur Einzelheit bereichert, aber nur auf dem unausgeschöpften Hintergrund verbindender Situationen, dem die satzförmige Rede die einzelnen Sachverhalte, Programme und/oder Probleme entnimmt. Von da ab ist Intentionalität das Bewussthaben einzelner und vernetzter Bedeutungen (d.h. Sachverhalte, Programme, Probleme), die etwas Einzelnes betreffen, das in satzförmiger Darstellung der betreffenden Bedeutungen zur Sprache kommen kann. Nicht also muss erst die Sache erst intendiert sein, damit anschließend sie betreffende Bedeutungen erfasst werden können, sondern umgekehrt: Eine Sache kann einzeln erst sein und als einzelne intendiert werden, wenn solche Bedeutungen expliziert sind, und damit ist sie auch schon intendiert. Einer Richtung abzielender Akte bedarf es dafür nicht, stattdessen aber der Explikation von einzelnen Sachen aufgrund der Explikation einzelner Bedeutungen auf dem Hintergrund geordneter Situationen, die den Zusammenhang stiften, der dann nicht mehr der Suche nach Zielen für die Richtung von Akten überlassen werden muss. (S-DWP2 666)

Trennung von Subjekt und Objekt

Dabei gilt es, dem rätselhaften Scheitern des Versuchs einer Scheidung von Subjekt und Objekt ... gerecht zu werden, im Gegensatz zur Intentionalitätstheorie, die es nicht lassen kann, Akt und Gegenstand der Wahrnehmung zu trennen. (S-Sub 9)

Der Grundfehler des Intentionalitätskonzeptes der älteren Phänomenologie seit Bretano und Husserl und schon ihres mittelalterlich-scholastischen Vorlaufs besteht darin, das Bewussthaben nach Art eines Brückenschlages von einem einzelnen Subjekt zu einem einzelnen Objekt zu verstehen, statt als Schöpfen einzelner Bedeutungen aus der binnendiffusen Bedeutsamkeit gemeinsamer Situationen, die auf der Grundlage leiblicher Kommunikation von vornherein Subjekte und (aufgrund leibnaher Brückenqualitäten auch nicht selbst leibliche) Objekte verbinden, einschließlich des Konservierens und Vernetzens solcher Bedeutungen. Diesem Missverständnis des Bewussthabens als Brückenschlag oder Ausstrecken der geistigen Hand zu einzelnen Zielen liegt das Vorurteil des Singularismus zugrunde, womit die Scholastik die Neuzeit infiziert hat. (S-DWP2 667)

Kritik an Husserls intentionalen Leibbegriff

Siehe: Intentionaler Leibbegriff bei Husserl

Kritik an Husserls Aktintentionalität

Für Schmitz hat dieses zentrale Problem der gesamten Phänomenologie seinen Ursprung im Singularismus, d.h. in der Privilegierung der Einzelheit vor den Relationen. Anhand dieser Diagnose ist er in der Lage, das Konzept der Intentionalität, das seit Brentano und vollends bei Husserls zum Grundthema der Phänomenologie geworden ist, zu hinterfragen und die Abkunft der Intentionalitätsproblematik aus dem Singularismus zu zeigen. Dabei steht vor allem die bei Husserl zugespitzte Aktintentionalität und die Vorstellung der Bezugnahme auf einheitliche Gegenstände in isolierten Akten sowie die Zuordnung einzelner Subjekte zu einzelnen Objekten in der Kritik. Demgegenüber steht eben die Entstehung von Sinn und Bedeutung und die Bezugnahme auf Objekte in der Gesamtheit der Situation (in die die Atmosphären eingelassen sind). (Andermann, Kerstin in: AE-GaA 90)

Schmitz setzt seine Kritik der Figur der Intentionalität an der Annahme einer Aktintentionalität an, wie er sie bei Husserl findet. Bei dieser drehe es sich um eine Form von Reduktionismus, die nicht allein von der Dominanz des Bewusstseinsprimats ausgeht, sondern die dieses Bewusstsein auch stets als ein intentionales Bewusstsein auslegt und dadurch weite Teile des möglichen Wahrnehmens aus dem Blick verliert. So muss im Ausgang von der Figur der Intentionalität alles, was zur Wahrnehmung und zur Erfahrung gelangen kann, in der Anpassung an diese aufgehen und dabei wird jede Irritation, alles Befremdende, das sich dem Subjekt als Abweichung in der Umgebung zeigt, in das Schema intentionaler Wahrnehmung eingefügt. Man könnte also meinen, die Analyse der Intentionalität erschöpft sich leider häufig in der Analyse dessen, was intentional zur Geltung kommt. (A-SdE: 259)

An die Stelle der Seele, setzt er [Husserl] das Bewußtsein, mit dem er das traditionelle Innenweltdogma weiterschleppt, sogar in idealistisch potenzierter Verkünstelung als sogenanntes reines Bewußtsein, von wo aus dann Strahlen der Intentionalität mit dem Leitbild des Blickstrahls die Welt entdecken oder gar konstituieren sollen. Das ist ein einseitiger, allenfalls durch Affektion von der Gegenseite ebenso einseitig ergänzter Zugang an Stelle der primären Verstrickung in leiblicher Kommunikation, die nicht in Leistungen der Subjekt- und Objektseite [...] zerlegt werden kann, sondern von vorn herein, so etwas wie spontane Rezeption oder rezeptive Spontanität ist. (S-WNP 366f)

In diesem Zusammenhang muss auch das die ältere Phänomenologie leitende Konzept der Intentionalität revidiert werden. Es ist im Kern singularistisch und rechnet nur mit dem Einzelnem, in der Weise, dass sich einzelne Akte des Bewusstseins darstellend, urteilend, wollend, liebend oder hassend auf einzelne intentionale Objekte richten. Dem liegt nach meiner Einsicht ein Zutunhaben in antagonistischer und solidarischer Einleibung mit affektiv Betreffendem in der Ganzheit von Situationen zu Grunde;... (S-DWÜ 14f)

Explikation statt Intentionalität

Das Konzept der Intentionalität sollte durch das der Explikation ersetzt werden. Diese Differenzen, verstärkt durch Abweichungen bezüglich der phänomenologischen Methode, veranlassten mich, der Traditionsbefangenheit der älteren Phänomenologie eine neue Phänomenologie entgegenzusetzen. (S-DWÜ 15)

Stichwörter

Quellen: A-SdE 259: "Die Figur der Intentionalität in der Kritik"