Hermann Schmitz: Unterschied zwischen den Versionen
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=== Keine statische sondern genetische Phänomenologie === | === Keine statische sondern genetische Phänomenologie === |
Aktuelle Version vom 3. September 2017, 22:30 Uhr
Hermann Schmitz ist der Begründer der Neuen Phänomenologie, die der Ausgangspunkt für die in diesem Wiki dargestellte Lehre der philosophischen Topologie ist.
Lebensaufgabe
Details siehe unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Schmitz_(Philosoph)
Zitate
Kritik und Gegenkritik
Im folgenden sollen Kritiken der Neuen Phänomenologie von Hermann Schmitz zur Sprache kommen und deren kritische Reflexion.
Überhebliche Formulierungen
Schwer anschlussfähiges Vokabular
Die Leibphänomenologie von Schmitz bedient sich zudem leider eines Vokabulars, das die Rezeption in den bzw. Anschlussfähigkeit an die Sozial- und Kulturwissenschaften erschwert. Um diese Anknüpfung zu leisten müsste meiner Meinung nach
- eine Methodologie zur vergleichenden Erfassung und Beschreibung von Leiberfahrung mittels teilnehmender Beobachtung und teilstandardisierter Interviews, und
- eine Terminologie zu ihrer Dokumentation entwickelt werden.
Keine statische sondern genetische Phänomenologie
Hermann Schmitz konzentriert sich darauf, die phänomenologische Frage statisch zu behandeln, und wehrt sich dagegen auch die genetische Frage phänomenologisch zu beantworten. Siehe die Genetische Phänomenologie von Gernot Böhme.
Überzogene Einmaligkeit der je-eigenen Erfahrbarkeit
Apersonale Gefühlstheorie
Schmitz wird vorgeworfen eine apersonale Gefühlstheorie zu vertreten, d.h. die Subjektivität bzw. Inter-Subjektivität von Gefühlen nicht hinreichend zu würdigen. Kritik entzündet sich insbesondere an seiner Redeweise, dass "Gefühle genauso objektiv sind, wie Landstraßen". Mit dieser zumindest verbalen Objektivierung von Gefühlen wird Schmitz der Subjektabhängigkeit von Gefühlen nicht gerecht. Kritiker: Fuchs, Demmerling, Brenner.
Fehlende Indizien für den objektiven Charakter von Gefühlen
Nicht nur ausschließlich affektives Betroffensein
Unhaltbarkeit der ausnahmslosen Kritik an der Privatheitsvorstellung der Gefühle
Kritik der Leibphänomenologie
Naturferne der Leibphänomenologie
Im leiblichen Ich ist mehr das Selbst-sein (der Natur) als das Natur-sein ausgesagt. (Vgl: Thomas-SNs 140)
[Festzustellen ist] ..., dass die bisherige Leibphilosophie den Leib u.a. deshalb nicht als Natur verstanden hat, weil bei Lebensvollzügen wie z.B. dem Atmen die Luft nicht mit thematisch geworden ist. Erst die Thematisierung des Mediums zeigt, dass "der Mensch als Atmender quasi ein Luftwesen ist, ein Wesen, das im Durchzug des Luftmediums existiert." (Böhme: Leib 84) (Thomas-SNs 169, Fußnote 16)
[D]as leibliche Ich bezeichnet nur für den Fall ein Natursein, indem die Phänomene des Leiblichen eben fraglos als Phänomene betrachtet werden, die die menschliche Natur betreffen. Genau dies, nämlich das Leibliche mit dem Natürlichen zu identifizieren, kann man wohl mit guten Gründen vertreten. Schmitz selbst aber hat dies nicht getan. Das eigenleibliche Spüren, das Leibsein, ist für Schmitz keine Erfahrung von Natur und kein Natursein. (Thomas-Sns 140f)
Die Naturferne der Schmitzschen Philosophie scheint mir typisch für alle Phänomenologie. Diese wird von einem antiwissenschaftlichen und antimetaphysischen Impetus getragen, der es schwierig macht, von so etwas wie 'Natur' überhaupt noch zu sprechen. Dem phänomenologischen Beschreiben, Aufweisen und Rekonstruieren erscheint der Begriff Natur sehr schnell als eine eben wissenschaftliche oder metaphysische Konstruktion, deren reduktionistischer Charakter aufgewiesen werden muss. (Thomas-Sns 140)
Beschreibt Phänomenologie dann solches, das klassischerweise Gegenstand von Metaphysik oder Wissenschaft war und ist, wie z.B. den Körper qua Natur (metaphysisch: Substanz, wissenschaftlich: Organismus), so nennt sie es nicht mehr Natur, also nicht mehr Körper, sondern Leib und weist daran Phänomene auf, die klassischerweise übersprungen werden, etwa die Ichhaftigkeit des Leibes. Damit ist aber das Problem der Natur nicht gelöst. Vielmehr ist die Frage, inwiefern der Mensch Natur sei, eben keine Scheinfrage, kein Scheinproblem, das sich etwa aus den Konstruktionen von Metaphysik und Wissenschaft erst künstlich ergibt, sondern diese Frage speist sich aus konkreten Erfahrungen des Lebens, die Anlass zur Rede von der eigenen Natur geben. Dies sind, z.B. Erfahrungen im Bereich der Lebensvollzüge, wie das Atmen, oder der Kreatürlichkeit, wie das Krankwerden. (Thomas-Sns 140)
Fehlender Außenbezug der Leibphänomenologie
Essentialistische Leibphänomenologie
Leibliche Relevanz der Begrenzungserfahrung des eigenen Körpers
Umgang mit Hitler und dem Nationalsozialismus
Durchaus affirmativ bezieht er [Hermann Schmitz] sich dabei auf Paul Natorps, so Schmitz, von aggressiven Zügen freigehaltenen "reinen Nationalsozialismus", wobei jedoch in Schmitz' Darstellung die Abgrenzung zum realen Nationalsozialismus häufig erschreckend schwammig ausfällt; die Lektüre von Schmitz' Hitler-Buch streift und überschreitet immer wieder die Grenze des Erträglichen, insbesondere wo er seitenlang in affirmativem Sprachgestus Sympathien zu hegen scheint. Die Grenze des Erträglichen wird insbesondere überschritten, wo Schmitz das Wort "Holocaust" für die "Materialschlachten des ersten Weltkrieges" verwendet, während es als Inbegriff der nationalsozialistischen Judenvernichtung im gesamten Buch nicht einmal Erwähnung findet, zu schweigen von "Shoah" oder "Auschwitz" als alternativen Bezeichnungen. Dazu passt der haarsträubende Euphemismus, wonach "das deutsche Volk mit der Idee der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft, der es zeitweise verfiel, schlechte Erfahrungen gemacht" habe. Mit solchen Sätzen stellt sich Schmitz in die alles andere als ruhmreiche Reihe politisch obskurer Vertreter deutscher Phänomenologie. Als sei dies noch nicht genug bezieht Schmitz sich des weiteren, vergleichsweise skurril, auf die Perspektive eines "neuen Christentums" im Gefolge von Novalis Die Christenheit oder Europa, wobei er meint, dass sich mit Novalis "das berechtigte Desiderat der Gegenaufklärung" anmelde nämlich: "die Überwindung der Zersetzung, der solche Situationen (i.e.: umfassend implantierende gemeinsame Situationen) in der modernen Aufklärung als einem Gipfel der autistischen Verfehlung des abendländischen Geistes verfallen sind." Am Schluss des Buches phantasiert er von der "Wiedervereinigung des römischen Reiches", für die seiner Neuen Phänomenologie eine erhebliche Bedeutung zukommen soll; jene Wiedervereinigung soll darin bestehen, dass "der auf dem Boden des weströmischen Reiches entsprungene, explosiv sich überschlagende Fortschrittsdrang an der still beharrenden Fülle des oströmischen Erbes" sich sättigen möge, ohne zu verlöschen.
Hat sich die neue Phänomenologie damit erledigt? Das Hitler-Buch lässt sich nicht als Entgleisung eines sich verkannt wähnenden Professors entschuldigen, denn Andeutungen ähnlicher Positionen finden sich bereits im System der Philosophie. Dieses führt Individuelles und Allgemeines zusammen, indem Schmitz vom Selbst bzw. der Persönlichkeit als "persönlicher Situation" spricht, welche aus der umfassenden gemeinsamen Situation "hervorwachsen" soll. Nachdem "Individualismus" inzwischen allgemein, selbst unter den Verfechtern philosophischer Lebenskunst wenn nicht zum Schimpfwort geworden, so doch mit Distanz bedacht wird und die Rehabilitation von "Gemeinschaft" auch in Deutschland fortgeschritten ist, ist Schmitz' Position durch das Ausmaß ausgezeichnet, in dem unter einem dürftigen Schleier der Kritik sich revisionistische Affirmation des Nationalsozialismus kundgibt. ( Heubel 45f)