Die Landkarte ist (nicht) das Land!

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Einleitung

Ein Konstruktivist und Phänomenologe streiten sich über den möglichen Zugang zur Welt. Ein Konstruktivist behauptet, dass alle Erkenntnis konstruiert ist, und beruft sich darauf, dass unser Gehirn selbstreferentiell funktioniert, also Bedeutung selbst herstellt. Ein Phänomenologe behauptet, dass wir immer schon in einer phänomenalen Welt leben, und daher auch Zugang zu ihr haben.

Der Konstruktivist sagt: "Die Landkarte ist nicht das Land." Der Phänomenologe sagt: "Wir leben auch ohne Landkarte immer schon in einem Land."

Subjektive Wahrheit und subjektive Tatsachen

So sehr die Positionen von Phänomenologen und Konstruktivisten sich scheinbar widersprechen, so einig sind sie sich darin, dass sie die subjektive Qualität von Erkenntnis betonen, allerdings jeder auf seine Art: Es gibt keine objektive Wahrheit, sondern jeder konstruiert sich seine eigene subjektive Wahrheit, sagen die Konstruktivisten. Die subjektiven Tatsachen sind der Ursprung aller objektiven Tatsachen, sagen die Phänomenologen. Beide betonen die Wichtigkeit, das Wahrheit immer abhängig vom Subjekt ist. Der Konstruktivist konstruiert die Tatsachen nach Regeln des Gehirns, der Phänomenologe spürt die Wahrheit am eigenen Leibe.

Intersubjektivität

Da sowohl Konstruktivist und Phänomenologe dem subjektiven Zugang zur Welt betonen, entweder im eigenen Gehirn oder am eigenen Leibe, haben sie Bedarf, die Subjektivität durch Inter-Subjektivität zu ergänzen, um so zu quasi-objektiven Tatsachen zu kommen.

Das Leben in der subjektiven Tatsächlichkeit

Die Konstruktivisten sagen, dass man das Land nicht wirklich erkennen kann. Die Phänomenologen sagen, dass wir immer schon in einem Land leben. Schließt sich das aus? Ich meine nein.

Man kann das Land selbst nicht wirklich erkennen, man kann es aber betreten. (SE-SaL 129)

"Die Landkarte ist das Land!" (von Foerster u. Pörksen 1998, S. 82). Beide Wirklichkeiten sind im Sein identisch, in ihrer Funktion aber verschieden. Genauso verhält es sich mit Ich und Selbst. (SE-SaL 129)

Es wird also nötig werden, von der Position der Landkarte ausgehend, uns wieder der wirklichen Landschaft zu nähern, uns den Boden wieder zum Freund zu machen, wie wir unser therapeutisches Tun seit den Anfängen unserer Arbeit genannt haben. Diese Annäherung an den Boden verstehen wir gleichzeitig als eine Erdung, als ein Erden gegenüber der Verstiegenheit des Denkens, als geerdete Vernunft, wie das beispielsweise in den Arbeiten des Theologen Hermann Timm immer wieder angesprochen wird. Wir verstehen jetzt auch die Aussage Friedrich Nietzsches besser, wenn er fordert: "Denken sollte gelernt werden, wie Tanzen gelernt wird, als eine Art Tanzen." (GE-WHe 17)