Gefühle: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Mein Gefühl ===
 
=== Mein Gefühl ===
* Wenn die Rede von "meinem Gefühl" ist, darf das adjektivistische Personalpronomen "mein" nicht im possessiven Sinn als Besitzanzeige verstanden werden, sondern im subjektivierenden Sinn. (Vgl: S-WNP 181)  
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* Wenn die Rede von "meinem Gefühl" ist, darf das adjektivistische Personalpronomen "mein" nicht im possessiven Sinn als Besitzanzeige verstanden werden, sondern im subjektivierenden Sinn. (Vgl: S-WNP 181) Mit dem Personalpronomen "mein" darf nur die Meinhaftigkeit des Gefühls zum Ausdruck kommen.
 
* Einem Gefühl muss keine Meinhaftigkeit zukommen, z.B. im Fall einer fremden oder "anonymen" Trauer kann diese Beziehung sehr viel lockerer sein. (Vgl: S-WNP 183)
 
* Einem Gefühl muss keine Meinhaftigkeit zukommen, z.B. im Fall einer fremden oder "anonymen" Trauer kann diese Beziehung sehr viel lockerer sein. (Vgl: S-WNP 183)
  

Version vom 30. Dezember 2010, 11:09 Uhr

Gefühle sind leiblich spürbar und daher im topischen Raum existent. Gefühle sind keine unräumlichen privaten Seelenzustände, sondern räumlich und zwar topisch-räumlich präsent, sie können daher auch in Aufstellungen durch Stellvertreter erfahren werden.

Gefühle sind Kräfte, die uns spürbar bewegen ("motivieren"), zu Ausdrucksgesten veranlassen und in bestimmte Richtungen ziehen ("Affekte", "Emotionen"). (F-LRP 194)

Gefühle stellen eine bestimmte Form intenionaler Zuwendung dar, die leibliche Empfindung, äußere Wahrnehmung und Bewertung zu einer Einheit integriert. Sie sind nicht aus körperlichen und kognitiven Elementarerlebnissen zusammensetzbar, sondern einheitliche Erlebnisformen mit neuen phänomenalen Charakteristika, die in jenem Elementen nicht enthalten sind. (F-LRP, 233)

Die übliche Trennung von Gefühlen, Körperempfindungen und Sinneseindrücken lässt sich nicht aufrechterhalten; sie haben im Begriff des Fühlens schon sprachlich eine gemeinsame Wurzel. (F-LRP 235)

Beispiel in der Sprache

  • "die Wut packt einen"
  • "von Trauer übermannt werden"
  • "von Kummer niedergedrückt werden"
  • "Neid oder Eifersucht nagen an einem"
  • "von stiller Freude durchströmt"

Fühlen des Gefühls

Gefühl und Fühlen

Unterscheidung zwischen Gefühl und Fühlen des Gefühls: Die Neue Phänomenologie stellt in gewissem Sinn das urchristliche Gefühlsverständnis wieder her, in dem sie scharf zwischen dem Gefühl selbst und dem Fühlen des Gefühls unterscheidet. (Vgl: S-WNP 44)

Mein Gefühl

  • Wenn die Rede von "meinem Gefühl" ist, darf das adjektivistische Personalpronomen "mein" nicht im possessiven Sinn als Besitzanzeige verstanden werden, sondern im subjektivierenden Sinn. (Vgl: S-WNP 181) Mit dem Personalpronomen "mein" darf nur die Meinhaftigkeit des Gefühls zum Ausdruck kommen.
  • Einem Gefühl muss keine Meinhaftigkeit zukommen, z.B. im Fall einer fremden oder "anonymen" Trauer kann diese Beziehung sehr viel lockerer sein. (Vgl: S-WNP 183)

Typen des Fühlens

Gefühle und persönliche Stellungnahmen

Reue ist wie Beherztheit kein bloßes Gefühl, sondern eine persönliche Stellungnahme auf Grund eines Gefühls, z.B. der Scham. (S-WNP 185)

Verfügen kann man über persönliche Stellungnahmen, und das auch nicht immer, das sie einem oft mit exigenter Nötigung (wie ich mich zur Unterscheidung von automatischer ausdrücke) abgedrungen werden können wie dem Beschämten von der Scham; nicht so verfügen kann man über Gefühle, die einen ergreifen. (S-WNP 187)

Gefühle als Atmosphären

Gefühl als überpersönlich, räumlich ausgebreitete, den Menschen leiblich ergreifende Atmosphäre. (Vgl: S-WNP 44)

Typische Gefühlsphänomene

  • Strömungsempfindungen (Durchrieselt- oder Durchflutetwerden, Wallungen, Schaudern, Wärme- oder Kälteströmungen)
  • Vibrationen oder Oszillationen (Zittern, Beben, Lachen, Herzklopfen)
  • engenden und weitenden Richtungen (Beklommenheit, Verkrampfung; Öfnnung, Lösung)
  • vertikale Richtungen (Sinken, Gedrückt- oder Gehobensein)
  • expulsive oder emanative Richtungen (z.B. Bewegungsimpulse, Seufzen, Weinen)

Beispiele:

  • Liebe wird als strömende Wärme und öffnende Weitung erfahren
  • Scham treibt die Röte ins Gesicht
  • Zorn steigt als Wallung auf, schwillt an, lässt erzittern oder erbeben
  • Hass verzerrt die Gesichtszüge, "zerfrisst" oder macht "verbissen"
  • Ekel zieht die Mundhöhle zusammen bei einem bitteren Geschmack
  • Freude macht beschwingt und leicht, hebt empor oder beflügelt
  • Enttäuschung bedeutet In-Sich-Zusammensinken ("aus allen Wolken fallen") oder abrupt eintretendes Leeregefühl
  • Trauer oder Depression werden als Druck auf der Brust, Mühe des Amtens, Schwere der Glieder gespürt
  • Vorfreude lässt "das Herz höher schlagen"
  • Mitleid lässt es "aufgehen" (Lösung, Öffnung)
  • peinliche Vorwürfe nehmen wir uns "zu Herzen"
  • Kummer und Trauer machen "das Herz schwer" oder schnüren die Kehle zu (Beengung)
  • Stolz und Mut sind mit schwellender Weitung der Brust verbunden

Räumliche Klassifikation der Gefühle

Gerichtetheit

  • Element: Feuer
  • hebend - niederdrückend (als einfachste Variante)
  • einseitig - allseitig
    • einseitig: hebend - niederdrückend
    • allseitig: zentripetal - zentrifugal
  • umkehrbar - unumkehrbar
  • Verdichtungspunkt - Verankerungspunkt
  • vollständig zentriert - unvollständig zentriert

Ruhe

  • Elemente: Erde
  • ruhig - unruhig

Weite

  • Element: Luft
  • erfüllt - leer

Tiefe

  • Element: Wasser
  • tief - flach

Intentionalität

  • Gefühle sind intensional (Bollnow, Scheler, Fuchs).
  • Gefühle haben nur einen Verdichtungsbereich (Schmitz)

Gefühle und Situationen

gefühlsgeladen gefühllos
Situationen häufigster Fall Gefahren
keine Situationen Verstimmungen depressiver Psychotiker -

Gefühllose Situationen

  • Gefahren, in denen schlagartig reagiert werden muss

Situationslose Gefühle

  • die Verstimmungen der Zyklothymiker und depressiven Psychotiker
  • Bsp. Mörikes Gedicht "Verborgenheit"

Siehe: Atmosphären ohne Ausgangspunkt

Objektive Gefühle

Sind Gefühle überhaupt "vorhandenes" Seiendes, unabhängig von lebendigen Wesen, die sie als jeweils spezifische Beziehung zu anderen Wesen oder zu ihrer eigenen Situation erleben?

Privatisierung und Transzendierung der Gefühle

Seit dem 5. vorchristlichen Jahrhundert sind Gefühle privatisiert worden, d.h. ihre atmosphärische Ergossenheit als leiblich ergreifende Mächte ... geht verloren zu Gunsten privater Lust und Unlust. (Vgl: S-WNP 349)

Die ergreifenden Atmosphären werden bei Platon durch transzendente Ideen ersetzt, wie das Gute, das nichts weiter als gut ist, das Schöne, das bloß noch schön und von allem sonstigen Inhalt gereinigt ist. (S-WNP 350)