Erfahrung: Unterschied zwischen den Versionen

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{{c|(1) Als ''Entsinnlichung'' lässt sich ein Prozess bezeichnen, in dessen Verlauf unmittelbare Erfahrungen durch vermittelte ersetzt werden, in dem synästhetische Wahrnehmungen schwinden und der leibliche Kontakt mit der Wirklichkeit verlorengeht. Die Welt büßt damit ihren sinnlichen, leibhaftigen Charakter ein und wird schemenhafter. ...
 
{{c|(1) Als ''Entsinnlichung'' lässt sich ein Prozess bezeichnen, in dessen Verlauf unmittelbare Erfahrungen durch vermittelte ersetzt werden, in dem synästhetische Wahrnehmungen schwinden und der leibliche Kontakt mit der Wirklichkeit verlorengeht. Die Welt büßt damit ihren sinnlichen, leibhaftigen Charakter ein und wird schemenhafter. ...
  
(2) Ebenso schwindet authentische Erfahrung in dem Maß, wie uns die Welt als ''Bild'' zubereichtet, ja unter ihren medialen Abbildern zum Verschwinden gebracht wird. Wir leben in einer Gesellschaft, die wie keine vor ihr von Bildern überflutet ist. Sie vermögen unseren Blick zu bannen, die Wahrnehmung hypnotisch abzusättigen und uns aus der leiblichen Gegenwart zu entführen. ...
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(2) Ebenso schwindet authentische Erfahrung in dem Maß, wie uns die Welt als ''[[Bild]]'' zubereichtet, ja unter ihren medialen Abbildern zum Verschwinden gebracht wird. Wir leben in einer Gesellschaft, die wie keine vor ihr von Bildern überflutet ist. Sie vermögen unseren Blick zu bannen, die Wahrnehmung hypnotisch abzusättigen und uns aus der leiblichen Gegenwart zu entführen. ...
  
(3) Schließlich geht eine wesentliche Gefährdung der Erfahrung von der ''szientistischen Infragestellung der Lebenswelt'' aus. Die naturwissenschaftliche Mechanisierung, Atomisierung, schließlich Digitalisierung des Weltbildes bedeutet letztlich die Zerlegung lebendiger Bewegungen, wahrgenommener Gestalten und intuitiv-ganzheitlicher Erfahrungen in Einzelmomenten.|F-LuL 253f}}
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(3) Schließlich geht eine wesentliche Gefährdung der Erfahrung von der ''szientistischen Infragestellung der Lebenswelt'' aus. Die [[Naturwissenschaft|naturwissenschaftliche]] Mechanisierung, Atomisierung, schließlich Digitalisierung des Weltbildes bedeutet letztlich die Zerlegung lebendiger Bewegungen, wahrgenommener Gestalten und intuitiv-ganzheitlicher Erfahrungen in Einzelmomenten.|F-LuL 253f}}
  
 
== Zitate ==
 
== Zitate ==

Version vom 17. Oktober 2011, 15:02 Uhr

Elemente der Erfahrung

  1. Erfahrung erwirbt man durch Wiederholung.
  2. Erfahrung resultiert aus erlebten Situationen
  3. Situationen, in den Erfahrungen gemacht werden, sind auf den Leib zentriert: Der Erfahrene bewegt sich nicht im abstrahierten Raum der Landkarte, sondern im Raum der "Landschaft", strukturiert durch leibliche Richtungen, rechts und links, hier und dort, Nähe und Ferne, Zentrum und Horizont.
  4. Erfahren ist eine Tätigkeit, weil Wahrnehmung und Eigenbewegung zusammengehört
  5. Erfahren bedeutet auch ein Erleiden.
  6. Der Erfahrene entwickelt einen besonderen Sinn für Charakter, Stil und Physiognomie seines Gegenstandes.
  7. Das Wahrnehmen, Wissen und Können des Erfahrenen ist immer nur unvollständig in Worte zu fassen. Als "implizites Wissen" aktualisiert es sich im praktischen Vollzug. Erfahrung kann nur durch Vorbild gelehrt und durch Nachahmung erlernt werden.

(Vgl. F-LuL 242f)

Erfahrung und Ähnlichkeit

Erfahrungen(en) sind gelebte Ähnlichkeiten. Kein größerer Irrtum, als Erfahrung im Sinne der Lebenserfahrung nach dem Schema derjenigen konstruieren zu wollen, die den exakten Naturwissenschaften zugrundeliegt. Nicht die im Lauf der Zeiten festgestellten Kausalverknüpfungen, sondern die Ähnlichkeiten, die gelebt wurden, sind hier maßgebend. (Walter Benjamin, aus F-LuL 246)

Synästhetische und sensomotorische Einheit

Die synästhetische und sensomotorische Einheit der Erfahrung erlaubt es, komplexe Situationen holistisch zu erfassen: ihre Färbung, Stimmung, Atmosphäre und Bedeutsamkeit. So entwickelt der Erfahrene schließlich einen "siebten Sinn", ein Gespür oder Vorgefühl, eine intuitive Wahrnehmung von Situationen. (F-LuL 249)

Verlust der Erfahrung

(1) Als Entsinnlichung lässt sich ein Prozess bezeichnen, in dessen Verlauf unmittelbare Erfahrungen durch vermittelte ersetzt werden, in dem synästhetische Wahrnehmungen schwinden und der leibliche Kontakt mit der Wirklichkeit verlorengeht. Die Welt büßt damit ihren sinnlichen, leibhaftigen Charakter ein und wird schemenhafter. ...

(2) Ebenso schwindet authentische Erfahrung in dem Maß, wie uns die Welt als Bild zubereichtet, ja unter ihren medialen Abbildern zum Verschwinden gebracht wird. Wir leben in einer Gesellschaft, die wie keine vor ihr von Bildern überflutet ist. Sie vermögen unseren Blick zu bannen, die Wahrnehmung hypnotisch abzusättigen und uns aus der leiblichen Gegenwart zu entführen. ...

(3) Schließlich geht eine wesentliche Gefährdung der Erfahrung von der szientistischen Infragestellung der Lebenswelt aus. Die naturwissenschaftliche Mechanisierung, Atomisierung, schließlich Digitalisierung des Weltbildes bedeutet letztlich die Zerlegung lebendiger Bewegungen, wahrgenommener Gestalten und intuitiv-ganzheitlicher Erfahrungen in Einzelmomenten. (F-LuL 253f)

Zitate

Mit etwas, sei es ein Ding, ein Mensch, ein Gott, eine Erfahrung machen heißt, dass es uns widerfährt, dass es uns trifft, über uns kommt, uns umwirft und verwandelt. Die Rede vom 'machen' meint in dieser Wendung gerade nicht, dass wir die Erfahrung durch uns bewerkstelligen; machen heisst hier: durchmachen, erleiden, das uns Treffende (vernehmend) empfangen, (annehmen,) insofern wir uns ihm fügen. (Heidegger: Untewegs zur Sprache, Pfullingen 1990, S. 159. Zit.n.: Wimmer in AE-GfA 120)

Siehe: Naturwissenschaftlicher Erfahrungsbegriff