Psychoanalyse

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Das war der Fehler der Psychoanalyse, die Verklammerung diese Verschränkung der Teilnehmer des Gesprächs auseinanderzunehmen in eine Übertragung und eine Gegenübertragung, jetzt übertrage ich dir etwas und dann überträgst du mir was. Im Gegenteil, von vorneherein, wo die Menschen zusammenkommen, stecken sie schon in einer Situation, wo jeder auf den anderen übertragen ist, dadurch dass sie beide etwas Gemeinsames haben, an dem sie arbeiten müssen. (S-NP 52)

Die Psychoanalyse dagegen befasst sich in erster Linie mit explizitem Wissen. Sie ist die Redetherapie schlechthin. Hier geht es darum, Dinge symbolisch und erklärend darzustellen, die wir vor allem aus unserer Vergangenheit oder aus Träumen wissen. Hier wird ganz und gar auf explizites Wissen, auf Erklärbares und zu Erklärendes, auf Deutbares und zu Deutendes, gesetzt. Die Bedeutsamkeit impliziten Beziehungswissens wird nicht wahrgenommen und insofern auch nicht mit einbezogen. Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass alles, was im Moment der Gegenwart gelebt und erfahren wird, implizites Bewegungs- und Beziehungswissen darstellt und wirkliches Lebens aus erster Hand ist. (Gerstgrasser/Eckert-Wenn Heilkräfte entspringen 178f)

  • Lacan 1986: Die Ethik der Psychoanalyse, S. 127-149 (aus Risthaus 89)
  • Seiter 2002: Psychologie, Topologie, Dämonologie. In: Logik und Leidenschaft. Erträge Historischer Anthropologie. Hg. v. Christian Wulf u. Dietmar Kamper. Berlin 2002. S. 337-340.

Es ist eine fundamentale Erkenntnis der Psychoanalyse, dass man aus den Verstrickungen der "Überschneidung" nur erlöst werden kann, wenn man akzeptiert, dass Kontakt und Trennung nur an den "Außengrenzen", also unter Berücksichtigung der Grenzen beider Partner, entstehen kann. Die Psychoanalyse kritisiert damit die Illusion, dass das "Glück" durch immer weitergehende Grenzüberschreitungen erreichbar wäre. (TB-AOC 155)

Fehlende Würdigung der gesunden Teile

Das ist auch ein Curiosum, dass eine so prominente Theorie des Menschen wie die Psychoanalyse keine Würdigung des Willens kennt, sondern nur eine Theorie des Triebes. Der Wille ist in der Psychoanalyse nicht ausdrücklich vorgesehen, sondern es sind im Wesentlichen eher archaisch oder biologisch verstandene Triebe, die den Menschen bestimme, d.h. hier ist wieder der mehr pathologische Aspekt im Vordergrund. Entscheidende menschliche Kategorien wie Wille, Pläne, Absichten oder Ziele erscheinen überhaupt nicht in der traditionellen Theorie und folglich dann natürlich auch nicht oder kaum im Umgang mit dem Anaylsand. (PF-PSS 182)

Psychoanalyse als Beziehungsanalyse

Da ich in diesem Buch vor allem die These vertrete, dass die Psychoanalyse als Systemtheorie, oder besser: als Beziehungstheorie verstanden werden kann, und dass sich in einem psychoanalytischen Prozess (mit und ohne Couch) Beziehungsstrukturen verändern, ... (TB-AOC 142)

Wenn man diese Gedanken konsequent weiterdenkt, muss man allerdings sagen, dass hier der Begriff "Trieb" neu definiert wird. Er wird nicht mehr verstanden als ein Impuls im Menschen, der per se auf Grenzüberschreitung ausgerichtet ist. Stattdessen wird er als eine angeborene Tendenz verstanden, Grenzen, also Kontakt zu anderen Menschen zu finden. (TB-AOC 149)

Im Gegensatz zu Vorstellungen in vielen anderen psychotherapeutischen Schulen, können Psychoanalytiker wissen, dass es keine Technik zur Befreiung anderer Menschen geben kann. Man kann dafür sorgen, selbst möglichst frei zu sein und dadurch die Bedingungen herstellen, die den emanzipatorischen Wünschen der Patienten die Chance geben, sich zu entfalten. Niemand kann "für andere" gesund werden, nur für sich selbst, und nur in dem Maße wie er die Verantwortung für seine Gesundheit und für sein Wohlergehen selbst übernimmt. (TB-AOC 207)

Da in der Beziehungsgeschichte jedes Menschen mehr oder weniger ausgeprägte Übergriffe (und seien es "nur" psychische Verwechslungen) geschehen sind, geht es in der psychoanalytischen Arbeit auch darum, die eigenen Grenzen zu finden, was gleichzeitig bedeutet, die eigene Identität im Unterschied und in der Ähnlichkeit zu anderen Menschen zu finden. Für einen Menschen, dessen Grenzen nicht beachtet wurden, sind Grenzen grundsätzlich etwas Bedrohliches. (TB-AOC 123)