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'''Unsichtbare Fesseln. Befreiung aus Abhängigkeit und Selbstentfremdung'''
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Befreiung aus Abhängigkeit und Selbstentfremdung'''
  
 
Autoren: Dr. Ero Langlotz, Dr. Thomas Latka
 
Autoren: Dr. Ero Langlotz, Dr. Thomas Latka

Version vom 2. Januar 2012, 01:21 Uhr

Unsichtbare Fesseln.

Befreiung aus Abhängigkeit und Selbstentfremdung

Autoren: Dr. Ero Langlotz, Dr. Thomas Latka

Vorwort

LEBEN EINZELN UND FREI WIE EIN BAUM UND BRÜDERLICH WIE EIN WALD DAS IST UNSERE SEHNSUCHT Nazim Hikmet, türkischer Freiheitskämpfer und Dichter

Wenn wir diese Worte auf uns wirken lassen, spüren wir Ruhe, Kraft, Klarheit, Glück. Diese Verse verbinden unsere beiden Grundbedürfnisse in einem einprägsames Bild. Der Psychoanalytiker Stavros Mentzos beschreibt sie als das Bedürfnis nach Freiheit, Selbst-Bestimmung, Autonomie einerseits, und das nach Bindung, Zugehörigkeit andererseits. Wenn wir in einer Beziehung beides erleben können, sind wir glücklich. Ist dieses Glück nur eine Illusion? Eine Utopie?

Warum erleben so viele das als Grund-Konflikt: Als müssten sie ihr „Selbst“ verraten, wenn sie Nähe und Bindung suchen, oder auf Nähe und Bindung verzichten, wenn sie sich selber spüren wollen? Ist dies Dilemma angeboren? Oder ist es erworben und lösbar?

Die Lösung ist, wie bei einem KOAN, unerwartet und einfach. Es ist die Grenze und der innere Raum, den sie ermöglicht.

Die Phänomene

Selbst und Grenze

LOGO (todo)

Dies Logo besteht in einer sich öffnenden Rose, umgeben von einem nicht ganz geschlossenen Kreis. Die Rose steht für das Selbst, das sich entfalten, seine Schönheit zeigen und seinen Duft verbreiten möchte. Der Kreis symbolisiert eine Grenze und den inneren Raum, der es der Rose ermöglicht, sich ungestört zu entfalten. Dies Logo drückt die Grunderfahrung aus: Unser Selbst kann sich nur dann ungestört entfalten, wenn es einen geschützten „inneren Raum“ gibt, wenn es durch eine Grenze geschützt wird vor dem Fremden der Umgebung.

Selbst

Als Selbst wird hier mit Jung das Eigentliche, das jeweils Einmalige, die authentischen Bedürfnisse und Gefühle einer Person verstanden. Das Selbst ist unverlierbar, aber wir sind mit ihm nicht immer bewusst verbunden. Es entfaltet sich, indem sich Bedürfnisse und Gefühle in der Begegnung mit anderen differenzieren. Das ermöglicht Identität, Orientierung. Das ist die Voraussetzung für ein Selbst-bestimmtes Leben, für Autonomie. Autonomie – aus dem griechischen autos = selbst, eigen und nomos = Gesetz - bedeutet in unserem Zusammenhang, sich nach den eigenen (statt fremden) Wahrnehmungen, Gefühlen, Impulsen orientieren zu können. Damit das Selbst sich in dieser Weise entfalten kann, bedarf es zweierlei.

Selbstentwicklung

Wir beginnen als befruchtete Eizelle in der Gebärmutter unsere Mutter, extrem abhängig und bedürftig nach Nähe, Wärme, Zuwendung, Liebe. Dies Grundbedürfnis nach Nähe und Zugehörigkeit bewirkt, dass wir uns auf unsere Mutter einstellen, uns ihr anpassen, uns mit ihr identifizieren. Dabei begegnen wir Mutter's Empathie, die sich auf uns einstellt, unsere Bedürfnisse spürt, die wir noch nicht spüren oder noch nicht ausdrücken können. Für die Wahrnehmung unseres Selbst, für unsere Annäherung an uns selbst scheint entscheidend, dass unsere ersten Bezugspersonen uns nicht als einen Teil von sich, als ihr Eigentum ansehen, sondern unser Selbst, das heisst unser Eigenstes, Besonderes, Unverwechselbares wahrnehmen und wertschätzen, auch und gerade dann wenn es von dem ihren unterschiedlich ist! Unser zweites Grundbedürfnis, das nach Freiheit und Selbstbestimmung (Autonomie), nach Authentizität kommt mit unserem – aber auch mit Mutters! - Bedürfnis nach Nähe immer wieder in Konflikt.

Diese beiden Grundbedürfnisse

Diese beiden Grundbedürfnisse scheinen zunächst nicht oder nur schwer vereinbar. Sie bestimmen unsere Entwicklung und unser Leben. Sie sind verantwortlich für Krisen und Wachstumsschritte. Um beide Grundbedürfnisse zu vereinen, entwickeln wir immer neue, differenziertere Strategien, mit dem Ziel einer flexiblen Abgrenzung, die uns ermöglicht, gleichzeitig die Nähe zum anderen und die Verbindung zu uns selbst zu erleben. Diese Abgrenzung erst erlaubt es, uns dem anderen zu zeigen, als der, der wir wirklich sind. Erst die Grenze macht Begegnung, macht Kontakt und Wachstum möglich!

Grenze

Wir erleben Grenze oft als Barriere, als „Stacheldraht“, als feindlich, starr, abweisend, verletzend, einengend. Grenze hat auch einen ganz anderen Aspekt: den des Schutzes. Bereits die ersten Lebewesen, die Einzeller verfügten über eine derartige Grenze: die semipermeable (halbdurchlässige) Zellmembran. Eine derart flexible Grenze trennt und verbindet zugleich. Durch diese Grenze entsteht ein innerer Raum, der sich von der Umgebung unterscheiden kann. Das ist die eine Grundbedingung für Leben! Und: Eine flexible Grenze ermöglicht den notwendigen Austausch mit der Umgebung.

Auch die Entwicklung des Selbst bedarf der Grenze mit ihren beiden Aspekten: Schutz des „inneren“ Raumes vor Überfremdung, vor Selbst-Entfremdung, und Begegnung und Austausch mit dem Anderen. Eine flexible Abgrenzung löst das Dilemma: es ermöglicht Nähe zum Anderen ohne die Verbindung zu sich Selbst zu verlieren. Und: In der Abgrenzung kann sich unser Aggressionspotential konstruktiv entfalten.