Der eigene Raum: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | Autoren: Dr. Ero Langlotz, Dr. Thomas Latka | ||
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== Einleitung == | == Einleitung == | ||
=== Selbst === | === Selbst === | ||
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Tagtäglich zeigen uns die Probleme unserer Zeit, in Beziehungen wie auch in der Weltpolitik, dass uns diese Verbindung mit uns Selbst fehlt, wie sehr wir dieser Orientierung an dem Grösseren Ganzen bedürfen, wie sehr wir unter einer „kollektiven Selbst- Entfremdung“ leiden. Das alles ist nicht neu. Warum gelingt es so wenigen, diese Einsichten zu leben? | Tagtäglich zeigen uns die Probleme unserer Zeit, in Beziehungen wie auch in der Weltpolitik, dass uns diese Verbindung mit uns Selbst fehlt, wie sehr wir dieser Orientierung an dem Grösseren Ganzen bedürfen, wie sehr wir unter einer „kollektiven Selbst- Entfremdung“ leiden. Das alles ist nicht neu. Warum gelingt es so wenigen, diese Einsichten zu leben? | ||
+ | === Der eigene Raum === | ||
+ | Es scheint, dass wir zu wenig beachten, dass | ||
+ | * der EIGENE RAUM die Grundvoraussetzung ist, um mit sich selbst, den eigenen Wünschen und Bedürfnissen verbunden zu sein. | ||
+ | * Dieser Raum hat eine Grenze zum Raum des Anderen. | ||
+ | * Das Achten der ''eigenen'' Grenze verhindert die Vermischung, ermöglicht es, zwischen sich und dem Anderen zu unterscheiden. | ||
+ | * Das Achten der ''fremden'' Grenze respektiert den Anderen so wie er ist, verhindert Übergriffe und Manipulation – meist als liebevolle Fürsorge getarnt. | ||
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+ | Das Paradox der Grenze: Sie schafft eine gesunde Distanz, welche Anziehung, Kontakt, Achtung und Liebe ermöglicht! | ||
+ | Die Grenze, die gesunde Distanz macht es möglich, ''gleichzeitig'' die Nähe zum Gegenüber zu haben, und mit sich selber verbunden zu sein. | ||
− | + | DAS ist die Lösung des oben genannten „Dilemmas! | |
− | + | Wenn die zentrale Bedeutung dieses INNEREN RAUMES für die seelische Struktur berücksichtigt wird, dann wird es möglich, die seelische Entwicklung des Menschen und deren Störungen auf eine neue Weise zu beschreiben. Bereits bekannte „Mosaiksteine“ ordnen sich zwanglos zu einem neuen Bild. | |
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− | + | Dies neue Bild ermöglicht Helfern wie auch den Betroffenen selbst, verfahrene Situationen besser zu verstehen. Es zeigt neue, und erstaunlich wirksame Lösungsmöglichkeiten auf. | |
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− | + | == Der eigene Raum == | |
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− | + | === Leben braucht physischen Raum === | |
+ | Jedes Leben findet irgendwo statt, hat also einen Raum. Schon Einzeller haben eine Zellraum, in dem sich das Leben abspielt. Über die Grenzen haben Einzeller mit der Umwelt durch einen Stoffwechsel Kontakt, der Nahrung aufnimmt und Absonderungen ableitet. | ||
− | === | + | === Leben braucht psychischen Raum === |
− | + | Jeder Mensch braucht nicht nur eine körperlichen Raum, sondern auch einen psychischen Raum zum Leben. Leben braucht also ganz verschiedene Arten von Räumen, körperlich wie psychisch. Der psychische Raum geht über meinen körperlichen Raum hinaus und bildet sozusagen eine "Pufferzone" um meinen eigenen Körper, deren Überschreitung als aufdringlich, verletzend oder bedrohlich empfunden wird. Dieser psychischer Raum lässt sich als Boot vorstellen, auf dem man sich befindet. Er hat eine Fläche und kann verschiedene Dinge tragen. So können andere dort Zumutungen oder Erwartungen abladen, wenn sie Zugang zu diesem Boot haben. | |
− | + | Doch ist der psychische Raum meist unbewusst, und wird erst bemerkt, wenn etwas meinen Bereich stört, einengt oder bedroht, wenn ihn jemand ohne meine Erlaubnis betritt, oder wenn mein Raum zu eng ist und dadurch meinen gewohnten Spielraum einschränkt. | |
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− | + | === Raum erfordert Abgrenzung === | |
+ | Menschliches Leben ist grundsätzlich "raumgreifend", d.h. es bedarf Raum der auch gegen Fremdansprüche abzugrenzen ist. Ohne eine Form der Abgrenzung ist menschliches Leben nicht möglich. Es kann daher immer zu "Raumkonflikten" kommen, in denen Menschen mit verschiedenen Interessenslagen z.B. dasselbe Territorium beanspruchen und als das ihre betrachten. Viele menschliche Konflikte lassen sich daher als "Raumkonflikte" verstehen. | ||
− | === | + | === Grenzmarkierungen schaffen äußere Ruhe === |
− | + | Um Raumkonflikte zu vermeiden bieten sich psychische Grenzmarkierungen an, die man setzen kann, um den anderen zu zeigen, bis wohin sie gehen können, ohne dass es zu Verletzungen kommt, die durch Aggressionen bekämpft werden würden. Es gilt daher sich auf Grenzmarkierungen zu bestehen, und diese klar zu behaupten, damit durch die Anerkennung dieser auch Ruhe einkehren kann. | |
− | === | + | === Innerer Konflikt zwischen Sicherheit und Nähe: Grenzdilemma === |
− | + | Die Einigung der Grenzmarkierungen ist aber nicht nur im Außen zu suchen, sondern auch im Innen. Denn sind die Grenzen zu weit gezogen, dann verhindern sie den Kontakt zu anderen und beschränken die eigene Freiheit in unnötiger Weise. | |
− | + | Es kommt also zum inneren Dilemma zwischen Sicherheit und Nähe, die mit jeder Grenzziehung verbunden ist: Räumliche Abgrenzung bedeutet Schutz vor Eindringen und Verletzung, verhindert jedoch den Kontakt zu Anderen und beschränken die eigene Freiheit. | |
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− | + | === Unsichtbarkeit des psychischen Raumes === | |
− | + | Im allgemeinen wird angenommen, dass der psychische Raum unsichtbar ist. Wir sehen nicht was im Raum der anderen ist, und spüren auch häufig selbst bei unserem eigenen psychischen Raum nicht, was sich darin alles befindet, und ob es wirklich hier hinein gehört. | |
+ | === Die eigene Mitte === | ||
+ | {{c|Menschen, die eine eigene Mitte spüren, haben damit auch einen Punkt, von dem ihre Intuition ausgehen kann. Der Verlust dieser Mitte, wie er mit dem ständigen Katastrophenmodus unserer Psyche einhergeht, sorgt für jene fehlende Wahrnehmung des eigenen Selbst, die verhindert, intuitiv einen Weg einzuschlagen.|MW-KK 88}} | ||
− | === | + | === Die eigene Grenze === |
− | + | {{c|Die Grenze oder Barriere bezeichnet eine Linie bzw. einen Bereich, der der Lokomotion ''Widerstand'' entgegensetzt, sei dieser physischer, emotionaler oder sozialer Art. Im Lebensraum begegnen wir daher den Qualitäten der leiblichen Widerstandserfahrung wieder.|F-LRP 307}} | |
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− | + | ==== Achtung der eigenen Grenze ==== | |
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− | + | ==== Achtung der fremden Grenze ==== | |
− | + | === Außerhalb des eigenen Raumes === | |
+ | {{c|Wer "außer sich" ist, wer "neben sich steht", kann nicht gleichzeitig in sich ruhen und seine Mitte spüren.|MW-KK 102}} | ||
− | + | Gegenteil: | |
− | + | * er ist mit sich selbst eins | |
− | + | * er ruht in sich selbst | |
+ | * er fühlt seine Mitte | ||
+ | * er ist ganz bei sich | ||
+ | * er steht mit sich und der Welt in Einklang | ||
== Entwicklung des eigenen Raumes == | == Entwicklung des eigenen Raumes == | ||
− | {{c|Die | + | Schon im Mutterleib stehen wir in Kontakt mit der Welt. An erster Stelle mit der eigenen Mutter, in dessen Bauch wir groß werden. Die erste und wichtigste Behausung ist daher die Mutter-Kind-Sphäre, die auch nach der Geburt in den ersten Lebensjahren die wichtigste Voraussetzung für die seelische Entwicklung des Kindes wie auch für eine adäquate Ausreifung des Gehirns ist. |
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+ | Nach der Geburt verwandelt sich die pränatale Symbiose von Mutter und Kind eine eine dialogische Beziehung, in der Mutter und Kind als Teile eines dynamischen Resonanzsystems erscheinen. Aufgrund der Resonanzstruktur des Leibes ist das Kind in diesem Raum von Anfang an zur Kommunikation mit der Mutter fähig und wendet sich ihr aktiv zu. Die frühkindiche Kommunikation besteht im wesentlichen im unwillkürlichen leiblichen Mitvollzug, in mimetischer und komplementärer Resonanz. | ||
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+ | Erst später entwickelt sich aus der "anonymen" Sphäre Selbst und Anderer als eigenständige Pole heraus und treten einander gegenüber. Erst dann werden Handlungen und Wahrnehmungen auf Selbst und Anderen verteilt. Für die Unterscheidung in Selbst- und Fremdwahrnehmung spielt die kinästhetische Rückmeldung der eigenen Körperbewegung eine wesentliche Rolle. Dann erst kann es zu Imitation oder "Nach-Ahmung" als gezielte Wiederholung des beobachteten Verhaltens kommen, die bereits die Abgrenzung von Selbst und Anderem voraus setzt. | ||
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+ | Der Säugling hat nur "Protoaffekte", die nur im Kontakt mit der Mutter Richtung und Bedeutung erhalten. Den Gefühlen fehlt noch die "Selbstbezüglichkeit"; der Säugling kann nicht ''sich'' freuen, sondern nur zusammen mit der Mutter Freude empfinden. ... 'Gefühle sind ursprünglich im "Zwischen" beheimatet'', eingebettet in die leibliche Kommunikation von Mutter und Kind. | ||
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+ | {{c|Mit der Geburt verwandelt sich die pränatale Symbiose von Mutter und Kind in eine dialogische, "zwischenleibliche" Beziehung.|F-DG 184}} | ||
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+ | ==== Zwischenleiblichkeit als dynamisches Resonanzsystem: Interaffektivität ==== | ||
+ | {{c|... dass hier zwei Organismen zu einem ''dynamischen Resonanzsystem'' zusammenschließen: "Zwischen (...) meinem Leib, so wie ich ihn erlebe, (...) und dem des Anderen, so wie ich ihn von außen sehe, herrscht ein inneres Verhältnis, welches den Anderen als die Vollendung des Systems erscheinen lässt." (Merleau-Ponty 1965, 404).|F-DG 202}} | ||
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+ | {{c|Die Frage, die sich hier anschließt, ist die nach der ''Differenzierung in der Gemeinsamkeit'': Wie wird verhindert, dass es aufgrund der primären undifferenzierten Aktivität des Spiegelsystems zu einer Konfusion oder Verschmelzung von Selbst- und Fremdwahrnehmung kommt? - ... Die sichere Abgrenzung dürfte vor allem durch die Erfahrung der ''Urheberschaft ("agency")'' für die eigenen Handlungen zustandekommen: Selbstinitiierte Bewegungen sind mit einem Aktivitätsbewusstsein verbunden, das sie von beobachteten Bewegungen unterscheidet. Dazu kommt die kinästhetische Rückmeldung der eigenen Körperbewegung.|F-DG 202}} | ||
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+ | {{c|Selbstinitiierten Aktionen entspricht eine Aktivierung in der ''linken'', wahrgenommenen fremden Aktionen einer Aktivierung in der ''rechten'' Hemisphäre. Dabei spielt die bereits erwähnte inferiore Parietalregion eine entscheidende Rolle (...).|F-DG 202}} | ||
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+ | {{c|Auch wenn diese Forschungen derzeit noch im Fluss sind, deuten sie jedenfalls darauf hin, dass es auch auf biologischer Ebene eine ''gemeinsame intersubjektive Matrix'' für die Wahrnehmung von Handlungen und Gefühlen gibt, die erst durch sekundäre Differenzierung auf Selbst- und Fremdwahrnehmung verteilt wird. Dem entspräche auf phänomenologischer Ebene der Primat der Zwischenleiblichkeit als einer, wie Merleau-Ponty es auch ausdrückt, "anonymen" Sphäre, aus der sich Selbst und Anderer zunehmend als eigenständige Pole entwickeln und einander gegenübertreten.|F-DG 203}} | ||
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+ | {{c|Die neuere Säuglingsforschung hat die Vorstellung Freuds und Mahlers von einer "primär-narzistischen" oder "autistischen" Phase am Anfang der Entwicklung korrigiert. Das Weltverhältnis des Säuglings lässt sich vielmehr als ''reine Zwischenleiblichkeit'' beschreiben. Zwar gibt es für den Säugling noch keine deutliche Unterscheidung von Innen und Außen, von propriozeptiven und Fremdreizen, "Ich" und "Nicht-Ich"; sein Leib reicht so weit wie das Erleben. Erst schrittweise grenzt sich in der Erfahrung von spontaner Bewegung und Widerständen der Körper als Eigenraum ab. Leib und Raum fallen also ursprünglich ineins. Aber aufgrund der Resonanzstruktur des Leibes ist das Kind in diesem Raum von Anfang an auch zur Kommunikation mit der Mutter fähig und wendet sich ihr aktiv zu. ... Die frühkindiche Kommunikation besteht im wesentlichen im unwillkürlichen leiblichen Mitvollzug, in mimetischer und komplementärer Resonanz. Hingegen setzt die Imitiation oder "Nach-Ahmung" als gezielte Wiederholung des beobachteten Verhaltens bereits die Abgrenzung von Selbst und Anderem voraus und entwickelt sich erst viel später (Stern 1998, 204)|F-LRP 275}} | ||
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+ | {{c|Ohne die mütterliche Resonanz bleiben dem Säugling auch seine emotionale Regungen unwirklich. Denn er erlebt noch keine eigentlichen, intentionalen und personale Gefühle, sondern "Protoaffekte", die nur im Kontakt mit der Mutter Richtung und Bedeutung erhalten. Den Gefühlen fehlt noch die "Selbstbezüglichkeit"; der Säugling kann nicht ''sich'' freuen, sondern nur zusammen mit der Mutter Freude empfinden. ... ''Gefühle sind ursprünglich im "Zwischen" beheimatet'', eingebettet in die leibliche Kommunikation von Mutter und Kind.|F-LRP 276}} | ||
− | === | + | ==== ab 7. Monat: Selbst-Bezüglichkeit ==== |
− | + | {{c|Erst ab dem siebten Monat entdeckt das Kind, dass es Gefühle selbst erleben und dann mit Anderen teilen kann; die zwischenleibliche Einheit beginnt allmählich einer bipolaren Kommunikation, einer "Beziehung" zu weichen. Dies dokumentiert sich in einer neuen, symbolischen Form der Interaktion: in der Gestik, und dabei besonders im Zeigen.|F-LRP 276}} | |
− | |||
{{c|Vertrauen und Ermutigung der Eltern sind Voraussetzung für die aktive Zuwendung zur Welt und damit für die Erschließung und Eroberung des Raumes (explorierend-expansives Verhalten). Erfährt das Kind dabei einschneidende Hemmungen, Misserfolge oder Bestrafungen, so wird sein Explorationsvermögen und damit sein Lebensraum dauerhaft eingeschränkt (ängstlich-gehemmtes oder introvertiertes Verhalten.|F-LRP 312}} | {{c|Vertrauen und Ermutigung der Eltern sind Voraussetzung für die aktive Zuwendung zur Welt und damit für die Erschließung und Eroberung des Raumes (explorierend-expansives Verhalten). Erfährt das Kind dabei einschneidende Hemmungen, Misserfolge oder Bestrafungen, so wird sein Explorationsvermögen und damit sein Lebensraum dauerhaft eingeschränkt (ängstlich-gehemmtes oder introvertiertes Verhalten.|F-LRP 312}} | ||
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Oknophil - philobat | Oknophil - philobat | ||
− | + | ==== Die Neunmonatsrevolution: sekundäre Intersubjektivität ==== | |
− | * | + | - Höhepunkt der Synaptogenese |
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+ | * Joint Attention: | ||
+ | {{c|Im Alter von zehn bis zwölf Monaten beginnen Babys, sich gemeinsam mit Erwachsenen Gegenständen zuzuwenden und sich dabei ihrer Aufmerksamkeit durch kurze Blicke zu vergewissern, was als "''joint attention''" bezeichnet wird. Bald gehen die Babys auch dazu über, die Aufmerksamkeit der Erwachsenen durch "deiktische Gesten" auf Dinge zu lenken: Sie ''zeigen'' (proximal) und ''deuten'' (distal) auf Objekte, die die Anderen sehen sollen.|F-DG 204}} | ||
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+ | * Soziale Bezugnahme | ||
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+ | ==== im 2. Lebensjahr: Selbst-Wahrnehmung ==== | ||
+ | {{c|An die Stelle der überwiegend zentripetalen Bewegungen der Säuglingszeit (Saugen, Ergreifen) tritt im 2. Lebensjahr mehr und mehr die zentrifugal gerichtete Exploration, ermöglicht durch den aufrechten Gang. Sich erheben können, "auf eigenen Beinen stehen", die Balance halten und damit spielen, all dies bedeutet nicht nur eine Trennung von der Erde, sondern auch ein "erhebendes" Glücks- und Machtgefühl, das sich in zunehmend häufigeren, neugiergeleiteten Entfernungen von der Mutter äußert.|F-LRP 279}} | ||
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+ | {{c|Die Übernahme der Außenperspektive geschieht erstmals im "Nein", weil sie überhaupt nur als Negation, als "Nichtung" der leiblichen Zentralität möglich ist. Das Kind verinnerlicht die Interaktion mit der Mutter zu einem inneren Dialog; es spricht mit sich, in dem es sich selbst wiederspricht und sich so zum Objekt macht. Der Widerspruch bringt die "Verdopplung" des Selbst, Selbstwahrnehmung und Selbstbewusstheit hervor. Das Kind "inkorporiert" die Negativität einer fremden Perspektive und nimmt damit eine exzentrische Position zu sich selbst ein: ''Indem es sich entgegnet, begegnet es sich selbst.'' Reflexion entsteht, wie bereits ausgeführt, aus der Inversion der primären leiblichen Richtungen, d.h. wesentlich aus Versagung und Verneinung.|F-LRP 280}} | ||
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+ | {{c|Die Basis der Perspektivübernahme ist die Zwischenleiblichkeit, die Fähigkeit des Leibes zur Assimilation begegnender Leiblichkeiten. Denn damit sich das Kind als von einem Anderen Wahrgenommen erfahren kann, muss es den anderen Leib in der "Paarung" als ähnlichen erkennen, d.h. ihn in zwischenleiblicher Resonanz erleben. Ebenso bedeutsam ist aber die Erfahrung der ''Fremdheit'' des Anderen, der dem Kind distanzierend, versagend und negierend gegenübertritt. Es ist diese Erfahrung einer Dialektik von Ähnlichkeit und Fremdheit des Anderen, die dem Kind eine erste Reflexion des eigenen leiblichen Selbst vermittelt.|F-LRP 292}} | ||
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+ | ==== mit 3: das Gegenüber erkennen ==== | ||
+ | {{c|Erst mit nahezu drei Jahren ist ein Kind in der Lage, sich selbst und, abgegrenzt davon, das Gegenüber zu erkennen: "Ich bin ein Mensch und du bist ein Mensch." Erst damit wäre eine Aufnahmefähigkeit für verhaltenspädagogische Ansätze vorhanden.|MW-KK 42f}} | ||
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+ | ==== Aus der Zwischenleiblichkeit herausgeworfen ==== | ||
+ | {{c|Die Bewegung der Reflexion lässt sich nun so ausdrücken: Das Leib-Sein oder Leib-''Selbst'' wird, herausgeworfen aus der ursprünglichen (Zwischen-)Leiblichkeit, zum ''Ich-Selbst'', das seinen Körper hat.|F-LRP 294}} | ||
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+ | {{c|Erst das gefühlte Leib-Selbst vermag dem außenorientierten Selbst-Bild eine authentische Basis zu geben und so das autonome Selbst zu begründen.|F-LRP 296}} | ||
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+ | === Kindheit === | ||
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+ | {{c|Kinder werden heute in großer Zahl im Rahmen einer Symbiose groß. So bezeichne ich eine Form der Beziehungsstörung, die sich hauptsächlich im familiären Rahmen, also zwischen Eltern und Kindern, beobachten lässt. Eltern unterscheiden dabei nicht mehr zwischen sich und ihrem Kind, sondern denken und handeln, als wenn es sich beim Nachwuchs um einen Teil ihrer selbst handeln würde. Aus diesem Grunde spreche ich von einer Symbiose, also einer Verschmelzung der Psyche von Eltern und Kind. Dabei ist wichtig zu wissen, dass dieser Vorgang unbewusst ist.|MW-KK 11}} | ||
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+ | {{c|Es hat aber seinen Grund, warum ein partnerschaftlicher Erziehungsstil erst bei Jugendlichen im pubertierenden Alter nach und nach angebracht ist. Jüngere Kinder werden davon restlos überfordert, ihre Psyche bildet sich maßgeblich in Abhängigkeit vom Verhalten der sie umgebenden Erwachsenen, also insbesondere der Eltern.|MW-KK 14}} | ||
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+ | symbiotische Beziehungsstörung (MW-KK 35) | ||
− | * | + | {{c|Ich habe die zunehmenden Entwicklungsstörungen von Kindern und Jungendlichen im emotionalen und sozialen Bereich analysiert und dabei aufgezeigt, welche Hintergründe dafür verantwortlich sind. Mit dem dreistufigen Modell der Beziehungsstörungen |
+ | * Partnerschaftlichkeit | ||
+ | * Projektionen | ||
+ | * Symbiose | ||
+ | lässt sich erklären, warum bei den betroffenen Kindern bekannte pädagogische Erklärungsansätze nicht greifen und wie das Problem an der Wurzel angegriffen werden kann. Geht man davon aus, dass die psychische Entwicklung von Kindern auf Grund von gestörten Beziehungen zwischen ihnen und den Erwachsenen nicht richtig vorankommt, schließt das automatisch die Frage nach der Entstehung dieser Beziehungsstörungen mit ein. An dieser Stelle kommt die Erkenntnis zum Tragen, dass das "System Gesellschaft" in den Mittelpunkt der Betrachtungen rücken muss. Der ungeheure Druck, der auf jedem einzelnen Elternteil bzw. auch auf Erwachsenen lastet, die beruflich mit Kindern umgehen, treibt viele ins Hamsterrad, nimmt die innere Ruhe und zerstört das Gefühl für unsere Mitte.|MW-KK 39f}} | ||
=== Pubertät === | === Pubertät === | ||
− | === Beziehung === | + | |
+ | === Partnerschaft === | ||
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+ | === Elternschaft === | ||
+ | {{c|Wir alle brauchen diese innere Ruhe, weil sie für ein angemessenes Verhalten in menschlichen Beziehungen, gerade auch zu Kindern und Jugendlichen, unerlässlich ist. Wer ruhig ist, sich ganz "bei sich selbst" fühlt, kann intuitiv richtig handeln, weil er sich von äußerem Druck viel seltener zu Fehlhandlungen verleiten lässt. Mit Intuition ist dabei der Ausgangspunkt ruhigen und sinnvollen Handelns gemeint.|MW-KK 45}} | ||
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+ | {{c|Der katastrophengeschädigte Erwachsene kompensiert dieses Defizit unbewusst über die Beziehung zum Kind, indem er entweder geliebt werden will (Projektion) oder, wie ich es heute ind er Mehrzahl der Fälle sehe, psychisch mit dem Kind verschmilzt (Symbiose) und damit stellvertretend für das Kind denkt, fühlt und handelt, es somit sehr häufig zu steuern und zu bestimmen versucht.|MW-KK 137}} | ||
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+ | {{c|Der erwachsene Mensch ruht nicht mehr in sich und erlebt sich damit auch gegenüber dem Kind nicht mehr abgegrenzt und besonnen, sonder er ist "außer sich", greift damit auch bildlich gesehen inden Bereich des Kindes ein, und zwar unabhängig von dessen Alter. Das führt beispielsweise zum Phänomen der "Helicopter Partents", derjenigen also, die ständig über ihren Kindern "kreisen" und sich scheinbar selbstlos für sie einsetzen. Wobei selbstlos in diesem Kontext auch wieder so ein verräterisches Wort ist. "Der Erwachsene ist sein Selbst los" wäre nämlich auch eine passende Beschreibung für die Verhaltensweise im Angesicht der Katastrophe. Dort geht es ja nicht mehr um eine aus dem Selbst entstehende Handlungsweise, sondern man ist in Gefahr, nur noch aus einer Ohnmacht und Überforderung heraus zu reagieren.|MW-KK 138}} | ||
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+ | === Exkurs: Online-Sein === | ||
+ | {{c|Online zu sein bedeutet immer auch ein "woanders sein". Ich bin nicht bei mir selbst, wenn ich online bin, sondern vernetze mich intensiv mit anderen.|MW-KK 61}} | ||
== Systemische Selbst-Integration == | == Systemische Selbst-Integration == | ||
− | === Beschreibung der Methode === | + | |
+ | === Genug Mahnung, was tun? === | ||
+ | {{c|Nun ist es nicht so, dass es keine mahnenden Stimmen gäbe. Der Buchmarkt ist voll von Ratgebern und Analysen, die den Überfluss geißeln, zur Bescheidenheit mahnen und uns darauf hinweisen, dass bisweilen weniger mehr sein kann. ... |MW-KK 44}} | ||
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+ | {{c|Es kann also nicht nur um unsere Erkenntnisfähigkeit gehen, das Problem scheint auf einer rein verstandesmäßigen Ebene nicht endgültig lösbar zu sein. Deswegen begreife ich selbst mich auch nicht als Mahner, sondern versuche, über meine Analyse Ansatzpunkte zu Auswegen aus der Krises zu liefern.|MW-KK 45f}} | ||
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+ | === Beschreibung der Methode: Systemisch-Topologische Therapie === | ||
=== Wie ist diese Methode entstanden? === | === Wie ist diese Methode entstanden? === | ||
=== Systemisches Verständnis von Symbiose und Autonomie === | === Systemisches Verständnis von Symbiose und Autonomie === | ||
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=== Identifikation mit früh verstorbenem Geschwister === | === Identifikation mit früh verstorbenem Geschwister === | ||
* Beispiel, Theorie | * Beispiel, Theorie | ||
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+ | === Sonstige Faktoren === | ||
== Kollektive Symbiose == | == Kollektive Symbiose == | ||
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=== Symbiotische Familiensysteme === | === Symbiotische Familiensysteme === | ||
=== Symbiotische Sozialsysteme === | === Symbiotische Sozialsysteme === | ||
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+ | {{c|"Wir leben zumeist außerhalb unser selbst, und das Leben ist eine fortwährende Ablenkung. Und doch zieht es uns zu uns selbst wie zu einem Mittelpunkt, um den wir gleich Planeten absurde, ferne Ellipsen beschreiben." (Pessoa) Etwa 100 Jahre, nachdem Pessoa dies schrieb, haben die absurde Ellipsen zugenommen. Immer mehr Menschen leben nicht nur zumeist, sondern quasi ständig außerhalb ihrer selbst. Intuition wird in diesem Zustand fast unmöglich, und das Fatale ist, dass dadurch gleichzeitig auch vernünftiges Handeln immer schwieriger wird.|MW-KK 87}} | ||
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+ | {{c|Wenn der äußere Reiz fehlt, droht Langeweile und Beschäftigung mit uns selbst, Dinge, die wir nicht aushalten. Doch was wir dabei nicht aushalten, das sind letztlich eben gerade wir selbst. Wir halten uns selbst nichtmehr aus, ein Zustand, der für den Menschen des 21. Jahrhunderts fast zum Grundgefühl der eigenen Befindlichkeit geworden ist. | ||
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+ | Damit findet eine innere Entmächtigung statt: Wenn wir uns selbst nicht mehr aushalten, sind wir auch nicht mehr unser eigenen Herr. Unbewusst suchen wir nach dauernden Fremdbestimmung. Auf diese Weise jedoch kommen wir nicht mehr mit der Außenwelt klar, weil wir das Heft des Handelns nicht mehr in der Hand haben.|MW-KK 101f}} | ||
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=== Religion und Symbiose === | === Religion und Symbiose === | ||
=== Kollektive Destruktion und kollektive Entfremdung === | === Kollektive Destruktion und kollektive Entfremdung === |
Aktuelle Version vom 18. Februar 2012, 06:24 Uhr
Autoren: Dr. Ero Langlotz, Dr. Thomas Latka
Einleitung
Selbst
Wir alle haben etwas Eigenes, Besonderes: Unser „SELBST“. Es unterscheidet uns von anderen, macht uns einmalig Unsere Sehnsucht ist es, dies Einmalige immer mehr zu entdecken, immer mehr zu entfalten.
Bindung
Die andere Sehnsucht ist die nach Zugehörigkeit, Nähe, nach Bindung. Als Kinder, klein, schwach, bedürftig, abhängig sind wir existentiell auf Zuwendung und Fürsorge angewiesen.
Dilemma – Oder schreckliches Missverständnis?
Aber auch später kann das Bedürfnis nach Nähe sehr stark sein, kann zu Überanpassung und Verschmelzung führen. Dann scheint es, dass Nähe zum Gegenüber nur möglich ist durch Verzicht auf Selbst-Verbindung, so als sei das Selbst gefährlich für die Beziehung. Um sich Selbst wieder zu finden, glauben manche, ganz auf Nähe verzichten zu müssen, so als sei der Andere bedrohlich für die Verbindung mit sich selbst. Nicht selten „kippen“ sie zwischen diesen Extremen hin und her. Ein schicksalhaftes Dilemma? Oder ein schreckliches Missverständnis?
Autonomie
Wenn wir unser Leben immer mehr von diesem „Selbst“ bestimmen lassen, dann leben wir selbstbestimmt, nach unserem eigenen inneren Gesetz, dann sind wir auto-nom (griechisch: „autos“ selbst, „nomos“ Gesetz).
Identität
Wenn wir mit uns selbst identisch sind, dann werden wir auch für Andere sichtbar, als der/die, die wir eigentlich sind. Das macht uns echt, „authentisch“. Das gibt uns Ausstrahlung, macht uns anziehend für andere.
Beziehung
Zwei Partner, die in dieser Weise authentisch sind, sich im autonomen Modus befinden, ziehen sich gegenseitig an. Und diese gegenseitige Anziehung ist die Grundlage für eine erwachsene partnerschaftliche Beziehung, in der beide sich selbst und den anderen achten. Das gibt dieser Art von Beziehung eine Freiheit, ermöglicht eine Liebe, die diese Beziehung kostbar macht.
Arbeit
Bereits in der Schule, noch mehr im Beruf sind wir einem enormen Erwartungsdruck ausgesetzt. Unser Eigenstes, unser Selbst ist anscheinend gar nicht gefragt, geschweige denn wahrgenommen. Du musst schon sehr fest mit dir selber verbunden sein, um diesem Anpassungsdruck zu widerstehen. Je mehr du dich mit fremden Erwartungen identifizierst – als wären sie für dich gültig – umso mehr läufst du Gefahr, die Verbindung mit dir selbst zu verlieren, dir selber fremd zu werden.
Transzendenz
Je mehr wir mit unserem Selbst verbunden sind, umso mehr spüren wir, dass es etwas Grösseres gibt, dessen Teil wir sind. Das Selbst – im Unterschied zum „Ich“ - spürt diese Verbindung. Der Arzt und Psychotherapeut Jung nannte daher das Selbst den „göttlichen Funken“ in uns.
Tagtäglich zeigen uns die Probleme unserer Zeit, in Beziehungen wie auch in der Weltpolitik, dass uns diese Verbindung mit uns Selbst fehlt, wie sehr wir dieser Orientierung an dem Grösseren Ganzen bedürfen, wie sehr wir unter einer „kollektiven Selbst- Entfremdung“ leiden. Das alles ist nicht neu. Warum gelingt es so wenigen, diese Einsichten zu leben?
Der eigene Raum
Es scheint, dass wir zu wenig beachten, dass
- der EIGENE RAUM die Grundvoraussetzung ist, um mit sich selbst, den eigenen Wünschen und Bedürfnissen verbunden zu sein.
- Dieser Raum hat eine Grenze zum Raum des Anderen.
- Das Achten der eigenen Grenze verhindert die Vermischung, ermöglicht es, zwischen sich und dem Anderen zu unterscheiden.
- Das Achten der fremden Grenze respektiert den Anderen so wie er ist, verhindert Übergriffe und Manipulation – meist als liebevolle Fürsorge getarnt.
Das Paradox der Grenze: Sie schafft eine gesunde Distanz, welche Anziehung, Kontakt, Achtung und Liebe ermöglicht! Die Grenze, die gesunde Distanz macht es möglich, gleichzeitig die Nähe zum Gegenüber zu haben, und mit sich selber verbunden zu sein.
DAS ist die Lösung des oben genannten „Dilemmas!
Wenn die zentrale Bedeutung dieses INNEREN RAUMES für die seelische Struktur berücksichtigt wird, dann wird es möglich, die seelische Entwicklung des Menschen und deren Störungen auf eine neue Weise zu beschreiben. Bereits bekannte „Mosaiksteine“ ordnen sich zwanglos zu einem neuen Bild.
Dies neue Bild ermöglicht Helfern wie auch den Betroffenen selbst, verfahrene Situationen besser zu verstehen. Es zeigt neue, und erstaunlich wirksame Lösungsmöglichkeiten auf.
Der eigene Raum
Leben braucht physischen Raum
Jedes Leben findet irgendwo statt, hat also einen Raum. Schon Einzeller haben eine Zellraum, in dem sich das Leben abspielt. Über die Grenzen haben Einzeller mit der Umwelt durch einen Stoffwechsel Kontakt, der Nahrung aufnimmt und Absonderungen ableitet.
Leben braucht psychischen Raum
Jeder Mensch braucht nicht nur eine körperlichen Raum, sondern auch einen psychischen Raum zum Leben. Leben braucht also ganz verschiedene Arten von Räumen, körperlich wie psychisch. Der psychische Raum geht über meinen körperlichen Raum hinaus und bildet sozusagen eine "Pufferzone" um meinen eigenen Körper, deren Überschreitung als aufdringlich, verletzend oder bedrohlich empfunden wird. Dieser psychischer Raum lässt sich als Boot vorstellen, auf dem man sich befindet. Er hat eine Fläche und kann verschiedene Dinge tragen. So können andere dort Zumutungen oder Erwartungen abladen, wenn sie Zugang zu diesem Boot haben.
Doch ist der psychische Raum meist unbewusst, und wird erst bemerkt, wenn etwas meinen Bereich stört, einengt oder bedroht, wenn ihn jemand ohne meine Erlaubnis betritt, oder wenn mein Raum zu eng ist und dadurch meinen gewohnten Spielraum einschränkt.
Raum erfordert Abgrenzung
Menschliches Leben ist grundsätzlich "raumgreifend", d.h. es bedarf Raum der auch gegen Fremdansprüche abzugrenzen ist. Ohne eine Form der Abgrenzung ist menschliches Leben nicht möglich. Es kann daher immer zu "Raumkonflikten" kommen, in denen Menschen mit verschiedenen Interessenslagen z.B. dasselbe Territorium beanspruchen und als das ihre betrachten. Viele menschliche Konflikte lassen sich daher als "Raumkonflikte" verstehen.
Grenzmarkierungen schaffen äußere Ruhe
Um Raumkonflikte zu vermeiden bieten sich psychische Grenzmarkierungen an, die man setzen kann, um den anderen zu zeigen, bis wohin sie gehen können, ohne dass es zu Verletzungen kommt, die durch Aggressionen bekämpft werden würden. Es gilt daher sich auf Grenzmarkierungen zu bestehen, und diese klar zu behaupten, damit durch die Anerkennung dieser auch Ruhe einkehren kann.
Innerer Konflikt zwischen Sicherheit und Nähe: Grenzdilemma
Die Einigung der Grenzmarkierungen ist aber nicht nur im Außen zu suchen, sondern auch im Innen. Denn sind die Grenzen zu weit gezogen, dann verhindern sie den Kontakt zu anderen und beschränken die eigene Freiheit in unnötiger Weise.
Es kommt also zum inneren Dilemma zwischen Sicherheit und Nähe, die mit jeder Grenzziehung verbunden ist: Räumliche Abgrenzung bedeutet Schutz vor Eindringen und Verletzung, verhindert jedoch den Kontakt zu Anderen und beschränken die eigene Freiheit.
Unsichtbarkeit des psychischen Raumes
Im allgemeinen wird angenommen, dass der psychische Raum unsichtbar ist. Wir sehen nicht was im Raum der anderen ist, und spüren auch häufig selbst bei unserem eigenen psychischen Raum nicht, was sich darin alles befindet, und ob es wirklich hier hinein gehört.
Die eigene Mitte
Die eigene Grenze
Achtung der eigenen Grenze
Achtung der fremden Grenze
Außerhalb des eigenen Raumes
Gegenteil:
- er ist mit sich selbst eins
- er ruht in sich selbst
- er fühlt seine Mitte
- er ist ganz bei sich
- er steht mit sich und der Welt in Einklang
Entwicklung des eigenen Raumes
Schon im Mutterleib stehen wir in Kontakt mit der Welt. An erster Stelle mit der eigenen Mutter, in dessen Bauch wir groß werden. Die erste und wichtigste Behausung ist daher die Mutter-Kind-Sphäre, die auch nach der Geburt in den ersten Lebensjahren die wichtigste Voraussetzung für die seelische Entwicklung des Kindes wie auch für eine adäquate Ausreifung des Gehirns ist.
Nach der Geburt verwandelt sich die pränatale Symbiose von Mutter und Kind eine eine dialogische Beziehung, in der Mutter und Kind als Teile eines dynamischen Resonanzsystems erscheinen. Aufgrund der Resonanzstruktur des Leibes ist das Kind in diesem Raum von Anfang an zur Kommunikation mit der Mutter fähig und wendet sich ihr aktiv zu. Die frühkindiche Kommunikation besteht im wesentlichen im unwillkürlichen leiblichen Mitvollzug, in mimetischer und komplementärer Resonanz.
Erst später entwickelt sich aus der "anonymen" Sphäre Selbst und Anderer als eigenständige Pole heraus und treten einander gegenüber. Erst dann werden Handlungen und Wahrnehmungen auf Selbst und Anderen verteilt. Für die Unterscheidung in Selbst- und Fremdwahrnehmung spielt die kinästhetische Rückmeldung der eigenen Körperbewegung eine wesentliche Rolle. Dann erst kann es zu Imitation oder "Nach-Ahmung" als gezielte Wiederholung des beobachteten Verhaltens kommen, die bereits die Abgrenzung von Selbst und Anderem voraus setzt.
Der Säugling hat nur "Protoaffekte", die nur im Kontakt mit der Mutter Richtung und Bedeutung erhalten. Den Gefühlen fehlt noch die "Selbstbezüglichkeit"; der Säugling kann nicht sich freuen, sondern nur zusammen mit der Mutter Freude empfinden. ... 'Gefühle sind ursprünglich im "Zwischen" beheimatet, eingebettet in die leibliche Kommunikation von Mutter und Kind.
Zwischenleiblichkeit als dynamisches Resonanzsystem: Interaffektivität
ab 7. Monat: Selbst-Bezüglichkeit
Oknophil - philobat
Die Neunmonatsrevolution: sekundäre Intersubjektivität
- Höhepunkt der Synaptogenese
- Joint Attention:
- Soziale Bezugnahme
im 2. Lebensjahr: Selbst-Wahrnehmung
mit 3: das Gegenüber erkennen
Aus der Zwischenleiblichkeit herausgeworfen
Kindheit
symbiotische Beziehungsstörung (MW-KK 35)
Ich habe die zunehmenden Entwicklungsstörungen von Kindern und Jungendlichen im emotionalen und sozialen Bereich analysiert und dabei aufgezeigt, welche Hintergründe dafür verantwortlich sind. Mit dem dreistufigen Modell der Beziehungsstörungen
- Partnerschaftlichkeit
- Projektionen
- Symbiose
Pubertät
Partnerschaft
Elternschaft
Exkurs: Online-Sein
Systemische Selbst-Integration
Genug Mahnung, was tun?
Beschreibung der Methode: Systemisch-Topologische Therapie
Wie ist diese Methode entstanden?
Systemisches Verständnis von Symbiose und Autonomie
Autonomie-Fragebogen
Fehlentwicklungen
Traumatisierte Eltern
- Beispiel, Theorie
Erfahrung von Gewalt
Beispiel, Theorie
Früher Verlust einer Bezugsperson
- Beispiel, Theorie
Identifikation mit früh verstorbenem Geschwister
- Beispiel, Theorie
Sonstige Faktoren
Kollektive Symbiose
Symbiotische Familiensysteme
Symbiotische Sozialsysteme
Wenn der äußere Reiz fehlt, droht Langeweile und Beschäftigung mit uns selbst, Dinge, die wir nicht aushalten. Doch was wir dabei nicht aushalten, das sind letztlich eben gerade wir selbst. Wir halten uns selbst nichtmehr aus, ein Zustand, der für den Menschen des 21. Jahrhunderts fast zum Grundgefühl der eigenen Befindlichkeit geworden ist.
Damit findet eine innere Entmächtigung statt: Wenn wir uns selbst nicht mehr aushalten, sind wir auch nicht mehr unser eigenen Herr. Unbewusst suchen wir nach dauernden Fremdbestimmung. Auf diese Weise jedoch kommen wir nicht mehr mit der Außenwelt klar, weil wir das Heft des Handelns nicht mehr in der Hand haben. (MW-KK 101f)Religion und Symbiose
Kollektive Destruktion und kollektive Entfremdung
Prophylaxe und Therapie
Das hier vorgestellte Konzept ist mit tiefenpsychologischen, verhaltenstherapeutischen und „humanistischen“ Konzepten kompatibel. Es ergänzt sie und kann ihre Wirkung verstärken.