Visualprimat
Der Visualprimat ist der primäre Zugang zur Welt durch das Sehen des dimensionales Raumes, d.h. von Flächen. Davon zu unterscheiden ist der Gefühlsprimat, der von den Gefühlen ausgeht.
Geschichte
Privilegierung von Seh- und Tastsinn:
Anders als im alten China, wo Hörsinn und Sehsinn einander tendenziell gleichgestellt sind, zeichnet die europäische Philosophie eine Vorliebe für Sehen und Tasten aus. Bis heute sind wir von der Realität einer Sache erst wirklich überzeugt, wenn wir sie selbst gesehen und betastet haben - und vergessen noch im Prüfen, dass Erfahrungen aus erster Hand ohnehin immer seltener sind, zumal in einer medienvermittelten Welt! Von der Dominanz der Augen in unserer Kultur zeugen zahlreiche Redewendungen, auch wenn das sinnliche Sehen gar nicht gemeint sein kann. ...
Seit Jahrzehnten ist der Visualprimat unter Beschuss geraten. War die Philosophie traditionell eine Disziplin der Durchsetzung des Visualprimats, so ist sie in unserem Jahrhundert zu einer eindringlichen Kritikerin der Sehdominanz geworden. Die beiden wichtigen Denker der erste Hälfte dieses Jahrhunderts, Heidegger und Wittgenstein, haben die Orientierung am Sehen geradezu als das proton pseudos der abendländischen Denkgeschichte identifiziert und dagegen Momente des Hörens zur Geltung gebracht. Heidegger hat Platons Wendung zum Sehen als den Sündenfall der abendländischen Philosophie überhaupt begriffen. Durch ihn sein das Seiende von Grund auf zu einem Objekt, zu einem Gegenstand der Feststellung und Herstellung geworden. Mit der Wende zum Sehen beginne die abendländische Rationalisierung, die das Seiende berechenbar macht und die in der modernen Technik gipfelt, für die das Seiende nur noch verfügbarer Bestand oder maßzuschneiderndes Produkt ist. Demgegenüber hat Heidegger für den Übergang zum Hören, zum Vernehmen, zum sorgenden Umgang mit den Dingen plädiert. Und Wittgenstein hat die herkömmliche Bedeutungstheorie, die am Modell der Vorstellung orientiert ist - Bedeutungen sollen Objekte des geistigen Sehens sein -, durch eine Gebrauchstheorie der Bedeutung ersetzt: Der Sinn unserer Ausdrücke liegt in ihrem Gebrauch, und dieser ist von sozialen Formen der Verständigung und damit vom Hören unabtrennbar.
Der Übgergang von der Bewusstseinsphilosophie zum Paradigma der Kommunikation, wie er sich in den letzten Jahrzehnten in verschiedenen europäischen und amerikanischen Denkrichtungen vollzogen hat, bedeutet jedesmal auch einen Übergang von der traditionellen Favorisierung des Sehens zu einer neuen Betonung des Hörens. (Saldern,Münkel,Schwarzkopf: Geschichte als Experiment, S. 34)Siehe: Dingontologie
Platon
Aristoteles
Kritiken
Quelle: [1]