Tatsächlichkeit
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Eine Art der Tatsächlichkeit
- Eine Tatsächlichkeit: nur objektive Tatsachen
Zwei Arten der Tatsächlichkeiten
- objektive Tatsächlichkeit: objektive Tatsachen
- subjektive Tatsächlichkeit: subjektive Tatsachen
Zwei Arten der Tatsächlichkeiten:
- nicht verschiedene Perspektiven auf eine objektive Tatsachen
- nicht verschiedene Gegebenheitsweisen derselben objektiven Tatsache
- sondern zwei Einstellungen
Ein Unterschied der Gegebenheitsweisen ist also nicht zureichend, andererseits aber auch nicht notwendig, ... (S-LU 84)
Es gibt so viele Tatsächlichkeiten wie Bewussthaber mit affektiven Betroffensein und außerdem noch eine objektive oder neutrale Tatsächlichkeit,... (S-LU 86)
Vorrang der subjektiven Tatsächlichkeit
Durch keine Menge objektiver Tatsachen kann eine für jemand subjektive Tatsache zutreffend begründet werden. (S-LU 87)
Weil solches Unterlaufen aber unmöglich ist, gibt es keine Begründbarkeit subjektiver Tatsachen durch objektive. Das gilt auch für kausale Begründungen: Keine Menge objektiver Tatsachen kann Ursache einer subjektive Tatsache sein. Die Brücke ist nur umgekehrt zu schlagen: Von den subjektiven Tatsachen des affektiven Betroffenseins kann auf viele Weisen, z.B. durch Enttäuschung, die Subjektivität abfallen, so dass objektive oder neutrale Rumpftatsachen übrig bleiben, einschließlich der neutralisierten Tatsachen des affektiven Betroffenseins, die sich neben dessen integre subjektive Tatsachen stelllen und den Weg weisen, auf dem sich der Bewussthaber durch Selbstzuschreibung in die Welt der objektiven Tatsachen einordnen kann. Die subjektiven Tatsachen sind also ursprünglicher als die erst durch Wegfall der Subjektivität für jemand möglichen objektiven oder neutralen Tatsachen. (S-LU 87)
Mögliche Kritik
Gegen diese ontologische Unterscheidung verschiedener Tatsächlichkeiten kann eingewandt werden und ist eingewandt worden, es handele sich nicht um verschiedene Tatsächlichkeiten, sondern um verschiedene Gegebenheitsweisen derselben Tatsache. Auf zwei Wegen lässt sich dieser Einwand widerlegen.
- Erstens reicht ein Unterschied in der Gegenheitsweise nicht aus. Der normale erwachsene Mensch ist sich selbst gewöhnlich auf zwei verschiedene Weisen optisch gegeben: erstens in ständig weckbarer Vorstellung davon, wie er sich als zusammenhängende körperliche Gestalt im Spiegel sehen würde, und zweitens in Zertrümmerung in die fetzenhaften Ausschnitte seines Körpers, die er in der jeweils eingenommenen Haltung tatsächlich sieht, egal, ob er hinschaut oder nicht. ... Der Unterschied beider Gegebenheitsweisen seiner selbst reicht aber für die Unterscheidung zweier Tatsächlichkeiten nicht hin. Die Tatsache, dass ich mir wie im Spiegelbild erscheine, hat neben der Tatsache, dass ich mich jeweils wie in Fetzen aufgelöst sehe, Platz unter den objektiven oder neutralen Tatsachen. Ein Unterschied der Gegebenheitsweisen ist also nicht zureichend, andererseits aber auch nicht notwendig, und dies ist der zweite Punkt der Widerlegung des Einwandes.
- Es könnte sich nur um verschiedene Gegebenheiten desselben Sachverhaltens für denselben Menschen (im Beispiel mich) handeln, nämlich ... einmal in selbstbewusster und einmal in drittpersonaler Weise, einmal innerlich und einmal äußerlich, wie wenn man sich gleichsam mit anderen Augen sieht. Tatsächlich stellt sich der Unterschied der für mich subjektiven Tatsachen und ihres zur Neutralität abgeblassten Restes aber nicht nur mir, sondern auch den Mitmenschen dar, und zwar vermöge spezifischer Sprechakte. Ich zeige das an der Verwendung des Wortes "ich" in der Liebeserklärung und im Hilferuf. Wittgenstein teilt sich mit Kant in den Irrtum, das Wort als bloßes Pronomen aufzufassen, das einen Namen vertritt, der in meinem Fall z.B. "Hermann Schmitz" lauten kann, und darüber die mindestens ebenso wichtige und sprachgemäße Verwendung zu übersehen, einen Satzausspruch als Mitteilung der Subjektivität der von ihm mitgeteilten Bedeutungen (Sachverhalten, Programme, Probleme, dazu gleich) für den Sprecher zu markieren. Falls die Verwendung bloß pronominal ist, kommt es für den Sinn auf sie nicht an, da das Pronomen bloß Vertreter eines anderen Ausdrucks – insbesondere eines namens, wie das Wort besagt – ist. ... Die Liebeserklärung wäre gründlich missglückt. Dieses Missgeschick zeigt, dass das Wort "ich" hier die andere Funktion hat, die Subjektivität der mitgeteilten Tatsache für den Sprechen zu markieren, seine in keiner objektiven oder neutralen Tatsache enthaltene Ergriffenheit entsprechend der meinigen, wenn ich aus ganzem Herzen "Ich bin traurig" sage. ...
Siehe: Tatsache, Konstruktivismus