Subjektive Tatsache

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Eine subjektive Tatsache kann höchstens einer, nämlich der Betroffene, aussagen. Im Unterschied zur neutralen Tatsache, die jeder aussagen kann, sofern er genug weiß und gut genug sprechen kann.

Beispiele

  • "Ich liebe dich."
  • "Ich habe gesündigt."
  • "Hilfe, ich ertrinke."

Folgende Beispiele sollen verdeutlichen, was passieren würde, wenn es keine subjektiven Tatsachen geben würde, sondern nur neutrale Tatsachen ausgesagt werden (bei einer Person namens "Peter Schulze"):

Liebeserklärung

  • "Peter Schulze liebt dich, überflüssig hinzuzufügen, dass ich er bin."
  • Das angesprochene Mädchen ist verstimmt; es möchte sagen und sagt vielleicht: "Das ist doch gar nicht überflüssig, gerade darauf kommt es mir an."

Beichte

  • Sünder: "Peter Schulze hat gesündigt."
  • Beichtvater: "Sprich: Ich habe gesündigt"
  • Sünder: "Das ist doch ganz überflüssig."
  • Beichtvater verweigert die Absolution.

Hilfeschrei aus dem Wasser

  • "Hilfe, Peter Schulze ertrinkt, überflüssig hinzuzufügen, dass ich es bin."

Das ist kein echter Hilferuf; der hilfsbereite Mitmensch, der auf den Ruf "Hilfe, ich ertrinke" sofort reagiert hätte, wird ersteinmal neugierig nachsehen, was eigentlich los ist. (S-KE 33)

Folgen

Die Entdeckung der subjektiven Tatsachen hat im Negativen wie im Positiven wichtige Folgen: (Vgl: S-WNP 16)

Negative Folgen

  • Der Psychologismus der dominanten europäischen Intellektualkultur kommt an sein Ende.
  • Die ... ironistische Verfehlung des abendländischen Geistes kann durch Aufdeckung eines Irrtums an ihre Wurzel behoben werden. (S-WNP 16)

Positive Folgen

  • Das Problem der Freiheit im Sinne einer notwendigen und zureichenden Bedingung sittlicher Verantwortung wird endlich lösbar.
  • Die Dauer der Person, die als sie selbst, nicht nur mit zeitlichem Teil von sich, in den sukzessiven Phasen ihres Lebens mit verschiedener Gestaltung gegenwärtig ist, kann als für sie subjektive Tatsache verstanden und gerechtfertig werden. (Vgl: S-WNP 17)

Subjektive als topische Tatsache

Warum man anstelle von subjektiven Tatsachen besser von topischen Tatsachen reden sollte:

Der Ortsqualität des Leibes als absoluter Ort

Subjektive Tatsachen sind nur spürbar am eigenen Leibe. Der je eigene Leib ist damit der absolute Ort, an dem diese subjektiven Tatsachen spürbar sind. Um diesen absoluten Aspekt des Ortes bei der Wahrnehmung zu betonen, sollte er sich auch in der Bezeichnung der Tatsächlichkeit wiederfinden.

Subjektivität als Mangel

Unter Subjektivität versteht man gewöhnlich den Mangel an Objektivität, also die Unfähigkeit, von dem beschränkten eigenen Standpunkt und den eigenen Interessen abzusehen. (B-LaA 43) Um diesem Verständnis der Subjektivität zu entkommen, bietet es sich an, sich auch sprachlich nicht auf diese Unterscheid zu beziehen, und eine davon abgehobene Qualität der Tatsächlichkeit hervorzuheben.

Von Subjektiv zu Intersubjektiv

Subjektiv drückt die soziale Kompomente von Tatsachen nicht ausreichend aus. Daher sollte statt von subjektiv von intersubjektiv gesprochen werden, um klarzumachen, dass Tatsachen auch intersubjektiv anerkannt und zugesprochen werden müssen. Nur rein subjektive Tatsachen können auch zum Solipsismus führen.

Intersubjektive Ortswahrnehmung

Intersubjektivität alleine drückt nur aus, dass die Qualität der Tatsachen auch von mehreren Leuten bestätigt oder anerkannt werden kann. Die Anerkennung bzw. Bestätigung passiert zwischen den Subjekten, häufig in Form von Sprache. Wenn es aber darum geht, dass die intersubjektive Anerkennung deshalb möglich wird, weil man etwas an einem bestimmten Ort leiblich so spüren kann, dann hat diese Tatsache wesentlich einen orthafen Charakter. Die Einigung zwischen den Personen ist dann nur noch nachträglich, die orthafte Qualität aber der gemeinsame Ausgangspunkt. Deshalb sollte in der Bezeichnung der Tatsächlichkeit diese Ortsqualität auch enthalten sein, wie beim Begriff "topische Tatsache". Notwendige und auch bereits hinreichende Bedingung ist eine Qualität an einem Ort, die auch von mehreren wahrgenommen werden kann.

Unbestreibare objektive Qualitäten

Eine intersubjektive Ortswahrnehmung meint keine universelle und objektive Wahrheit, sondern einfach eine unbestreitbare Wahrnehmung an einem Ort. In dem es aber von allen an diesem Ort wahrgenommen werden kann, ist es auch intersubjektiv und zugleich auch quasi-objektiv. Wahrheit ist daher wesentlich kontextbezogen und ortshaft: Gesucht wird nicht der Ort der Wahrheit, sondern die Wahrheit des Ortes. Die Wahrheitsfrage mutiert damit zur phänomenologischen Frage, was in einem bestimmten Kontext nicht ernsthaft bestritten werden kann. Auf diese phänomenologische Frage sind Antworten möglich, die unbestreibar und insofern auch wahr sind. Die ernstgemeinten Antworten auf diese Frage sind damit auch objektiv wahre topische Tatsachen.

Ursprünge

Fichte

An allen objektiven Tatsachen, die sich registrieren lassen, findet Fichte hiernach kein Kennzeichen dafür, dass der Vorrat an Vorkommendem, der den Namen "Johann Gottlieb Fichte" trägt und gerade schreibt, er selber ist. Eigentlich hat er damit die subjektive Tatsachen entdeckt, aber das merkt er nicht, weil er mit allen Menschen bis zu ihm und mit fast allen menschen bis heute alle Tatsachen und sonstigen Sachverhalte selbstverständlich für objektiv hält. (S-WNP 377)