Sphärologie: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Sphärologie nährt das gefährliche Idealbild der [[Symbiose]]:
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{{c|Darum sage ich, es gibt keine Individuen, sondern nur Dividuen - es gibt die Menschen nur als Partikel oder Pole von Sphären. Es existieren ausschließlich Paare und ihre Erweiterungen - was sich für das Individuum hält, ist bei Licht gesehen meist nur der trotzige Rest einer gescheiterten oder verhohlenen Paarstruktur.|Sloterdijk in SH-DSudT 144}}
 
{{c|Darum sage ich, es gibt keine Individuen, sondern nur Dividuen - es gibt die Menschen nur als Partikel oder Pole von Sphären. Es existieren ausschließlich Paare und ihre Erweiterungen - was sich für das Individuum hält, ist bei Licht gesehen meist nur der trotzige Rest einer gescheiterten oder verhohlenen Paarstruktur.|Sloterdijk in SH-DSudT 144}}
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In-der-Welt-Sein als "In-der-Mutter-Sein" (SH-DSudT 166)
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{{c|Wo ist das Individuum? Und geben die sphärologische Antwort: Es ist zunächst und zumeist Teil eines Paares - wobei es darauf ankommt, nicht nur das manifeste Paar zu beobachten, sondern vor allem die unsichtbare oder virtuelle Paarstruktur. Das Paar wäre also die primäre sphärische Form, die es zu beachten gilt. Die dyadische Verfasstheit ist die Situation der Situationen.|SH-DSudT 146}}
  
{{c|Wo ist das Individuum? Und geben die sphärologische Antwort: Es ist zunächst und zumeist Teil eines Paares - wobei es darauf ankommt, nicht nur das manifeste Paar zu beobachten, sondern vor allem die unsichtbare oder virtuelle Paarstruktur. Das Paar wäre also die primäre sphärische Form, die es zu beachten gilt. Die dyadische Verfasstheit ist die Situation der Situationen.|SH-DSudT 146}}
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Die "wichtigste sphärologische Einsicht": "dass all Menschen Zwillinge sind, ohne es zu wissen:" (SH-DSudT 1687f)
  
Demgegenüber betont die Topologie noch mehr den (guten) eigenen Ort des Lebens und im Leben, der sich von anderen Orten unterscheidet. Der Sphärologie als Wissenschaft kann die [[Abgrenzung]] zwischen den Sphären daher nicht hinreichend begrifflich thematisieren.
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=== Kritik am sphärischen Symbiosemodell ===
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Gegen dieses sphärologische Idealbild der Symbiose betont die Topologie noch den (guten) eigenen Ort des Lebens, der sich von anderen Orten unterscheidet. Der Sphärologie als Wissenschaft kann die gesunde [[Abgrenzung]] zwischen den Sphären daher nicht hinreichend begrifflich thematisieren, und propagiert das Idealbild der symbiotischen Unterabgrenzung.

Version vom 17. März 2011, 13:55 Uhr

Die Sphärologie als mathematische Disziplin ist Teil der Geometrie, die sich mit der Kugel befasst.

Peter Sloterdijk hat sich in seiner Sphären-Trilogie den Versuch einer Sphärologie gewagt.

Der Ausgangspunkt der Sphären-Trilogie ist die Überzeugung, dass die Anthropologie und die Gesellschaftstheorie ausgedient haben, sofern sie den Menschen zu statisch in einem versachlichten "Außen" beschreiben. (H-PS 169)

Unter Sphäre als Alternative zu dem traditionellen Weltbegriff versteht Sloterdijk: Kugeln, Atmosphären, Milieus, Kapseln, Verbände, Geweben, Schaumstrukturen.

Sphäre ist eine "virtuelle Kugel des Seins" (PS-B 67, aus H-SP 173)

Anschluss an Heidegger:

  • "Seinsvergessenheit" wird zur "Sphärenvergessenheit" (H-PS 183)
  • "In-der-Welt-Sein" wird zur "In-Sphären-Sein" (H-PS 183)

Kritik an Freuds "Flucht in die Objektlehre" und an der versachlichenden Sprache. (Vgl: H-PS 186) Kritik an der Psychoanalyse, da sie Trennungen fördert anstatt (sphärische) Verschmelzungen. (Vgl: H-PS 185)

Virtuell heißt, dass die Sphäre ganz ohne externes Fundament ist, kein Festkörper, sondern in allem ist, was wir kategorisieren und abstrahieren können als Sprache, als Imaginäres und Reales, also auch als Gesellschaft (H-PS 173)

Die Sphärologie denkt und spricht nicht in begrenzten Formaten, selbst da nicht, wo sie von kleinsten Sphären-Formationen, den Blasen - damit ist vor allem der psycho-akustischen Resonanzen erfüllte ursprüngliche Innenraum, ein Medium des ungeteilten Miteinanderseins gemeint -, handelt. (H-SP 187)

Die Sphärologie ist inbesondere im Telekommunikationszeitalter vonnöten, weil die von ihre herangezogene Schaummetapher am besten das Leben "in einander verschachtelten simultanen Räumen" (H-PS 170) artikulieren und beschreiben kann.

Topologische Basis der Sphärologie

Ebenso wie die Topologie betont die Sphärologie die Frage nach dem "Wo?".

Die Sphärologie setzt von vorneherein anders an. Wie gesagt, geht sie von der Frage aus: Wo ist das Individuum? Und beantwortet sie ... mit dem Hinweis auf eine elementare Form: Es ist in der Sphäre - es ist in einem gewölbten psychischem Feld, als Pol unter Polen. (SH-DSudT 145)

Topologische Kritik der Sphärologie

Symbiose als Idealbild der Sphäre

Die Sphärologie von Peter Sloterdijk nährt das gefährliche Idealbild der Symbiose:

Darum sage ich, es gibt keine Individuen, sondern nur Dividuen - es gibt die Menschen nur als Partikel oder Pole von Sphären. Es existieren ausschließlich Paare und ihre Erweiterungen - was sich für das Individuum hält, ist bei Licht gesehen meist nur der trotzige Rest einer gescheiterten oder verhohlenen Paarstruktur. (Sloterdijk in SH-DSudT 144)

[D]enn ich generalisiere lediglich das bekannte Phänomen der psychischen Symbiose von seinen biologischen und anthropologischen Prämissen her. Ich ziehe die äußersten Folgerungen aus der normalen und doch exzessiv anmutenden existentiellen Verschränkung von mehreren Leben ineinander, wie sie bei Mutter und Fötus oder die in der Relation zwischen Hypnotiseur und Somnabule oder in der Paarverliebtheit auftritt. (SH-DSudT 161f)

Symbiose-Paradigma (SH-DSudT 162)

Wo ist das Individuum? Und geben die sphärologische Antwort: Es ist zunächst und zumeist Teil eines Paares - wobei es darauf ankommt, nicht nur das manifeste Paar zu beobachten, sondern vor allem die unsichtbare oder virtuelle Paarstruktur. Das Paar wäre also die primäre sphärische Form, die es zu beachten gilt. Die dyadische Verfasstheit ist die Situation der Situationen. (SH-DSudT 146)

Die "wichtigste sphärologische Einsicht": "dass all Menschen Zwillinge sind, ohne es zu wissen:" (SH-DSudT 1687f)

Kritik am sphärischen Symbiosemodell

Gegen dieses sphärologische Idealbild der Symbiose betont die Topologie noch den (guten) eigenen Ort des Lebens, der sich von anderen Orten unterscheidet. Der Sphärologie als Wissenschaft kann die gesunde Abgrenzung zwischen den Sphären daher nicht hinreichend begrifflich thematisieren, und propagiert das Idealbild der symbiotischen Unterabgrenzung.