Situation: Unterschied zwischen den Versionen
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{{c|Situationen (nicht notwendig einzelne) sind die Urgegenstände, die Menschen wie Tieren begegnen und aus denen sich für Menschen Einzelnes (erst von Bedeutungen, daraufhin von Sachen anderer Art) abzeichnet.|S-DWdePh 221f}} | {{c|Situationen (nicht notwendig einzelne) sind die Urgegenstände, die Menschen wie Tieren begegnen und aus denen sich für Menschen Einzelnes (erst von Bedeutungen, daraufhin von Sachen anderer Art) abzeichnet.|S-DWdePh 221f}} | ||
− | {{c|Situationen sind die Grundgegebenheiten des In-der-Welt- | + | {{c|Situationen sind die Grundgegebenheiten des [[In-der-Welt-sein]]s, wie [[Heidegger]] sagen würde, sowohl des leiblichen Zutunhabens mit etwas in [[Wahrnehmung]] und [[Bewegung]] als auch in allen Weisen besonnenen Umgangs. Schon jede zweckmäßig geführte Körperbewegung ist eine Situation.|S-JdN 42}} |
− | == Ganzheit der Situation == | + | === Ganzheit der Situation === |
− | === Abgehobenheit === | + | ==== Abgehobenheit ==== |
* so abgehoben, dass man es mit einem Schlage innehat, und schlagartig wieder identifizieren kann, ohne verschwimmende Ränder | * so abgehoben, dass man es mit einem Schlage innehat, und schlagartig wieder identifizieren kann, ohne verschwimmende Ränder | ||
* nicht zu verwechseln mit der Geschlossenheit eines [[System]]s | * nicht zu verwechseln mit der Geschlossenheit eines [[System]]s | ||
− | === Zusammenhalt === | + | ==== Zusammenhalt ==== |
* diffuser Zusammenhalt im Inneren durch Bedeutsamkeit | * diffuser Zusammenhalt im Inneren durch Bedeutsamkeit | ||
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+ | === Binnendifussion === | ||
+ | {{c|Erst diese Binnendifussion aber gibt den Situationen die Schmiegsamkeit, die zum Gelingen des In-der-Welt-seins erforderlich ist.|S-HuH 384}} | ||
== Situation, Atmosphäre, Gefühl == | == Situation, Atmosphäre, Gefühl == | ||
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== Situation und Leib == | == Situation und Leib == | ||
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=== Entstehung neuer Situationen === | === Entstehung neuer Situationen === | ||
{{c|Aber der Mensch kann eben auch die Situationen auflockern. Er kann explizieren, und aus den [[Explikat]]en wachsen neue Situationen hervor, und so werden also die Situationen von persönlicher Stellungnahme, die Einzelnes herausgreift, und so weiter immer wieder neu modifiziert und auch bereichert. So kommt es zu diesen komplizierten gemeinsamen Situationen auf personalem Niveau, wo alles möglich ist, von Freundschaften, Feindschaften, Liebschaften, Diskussionsgemeinschaften in Parlamenten. Alle das sind also mehr oder weniger aktuelle Situationen in darauf zugeschnittenen zuständlichen Situationen, die da hineinragen.|S-NP 49}} | {{c|Aber der Mensch kann eben auch die Situationen auflockern. Er kann explizieren, und aus den [[Explikat]]en wachsen neue Situationen hervor, und so werden also die Situationen von persönlicher Stellungnahme, die Einzelnes herausgreift, und so weiter immer wieder neu modifiziert und auch bereichert. So kommt es zu diesen komplizierten gemeinsamen Situationen auf personalem Niveau, wo alles möglich ist, von Freundschaften, Feindschaften, Liebschaften, Diskussionsgemeinschaften in Parlamenten. Alle das sind also mehr oder weniger aktuelle Situationen in darauf zugeschnittenen zuständlichen Situationen, die da hineinragen.|S-NP 49}} | ||
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+ | === Therapeutisches Vorgehen zur Veränderung von Situationen === | ||
+ | {{c|Das Vorgehen kommt damit einer ''Erlebnisreise von einer Situation in eine andere, zum gegebenen Zeitpunkt mehr gewünschte'', gleich. Wollen Therapeuten solche "Reisen" unterstützen, übernehmen sie damit die Rolle von "Reisebegleitern, Reisepartnern, Reiseführern" (wie auch immer man dies nennen will). Will ein Mensch dies selbsthypnotisch gestalten, übernimmt er selbst mit seinen willkürlichen Wahrnehmungsfunktionen diese Rolle.|GS-LzPuL 58}} | ||
== Bewältigung von Situationen == | == Bewältigung von Situationen == | ||
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* bei der ersten Begegnung eines Menschen erhält man bereits einen prägnanten, vielsagenden [[Eindruck]] | * bei der ersten Begegnung eines Menschen erhält man bereits einen prägnanten, vielsagenden [[Eindruck]] | ||
* die Figur des Bamberger Reiters, in der der "hohe Mut" der mittelalterlichen Adels- und Ritterkultur, einer segmentierten Situation mit binnendiffuser Bedeutsamkeit, schlagartig aufscheint. | * die Figur des Bamberger Reiters, in der der "hohe Mut" der mittelalterlichen Adels- und Ritterkultur, einer segmentierten Situation mit binnendiffuser Bedeutsamkeit, schlagartig aufscheint. | ||
− | * Jesus im Gedicht von Tersteegen: "Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart." | + | * Jesus im Gedicht von Tersteegen: "Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in [[Jesus]] offenbart." |
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{{c|Situationen stellen Aufgaben, fordern Stellungnahmen heraus, warten auf Entscheidungen ... Es ist die jeweilige Situation, in der und an der es zu handeln gilt. Alle Initiative des Menschen ist ''situationsbedingt'', zugleich aber auch ''situationsgestaltend''. Sie ist hervorgehoben von der Lebenslage, gleichsam herausgefordert von ihr, stößt aber selbst wiederum formend in sie vor.|Nicolai Hartmann, aus: GE-WHe 56}} | {{c|Situationen stellen Aufgaben, fordern Stellungnahmen heraus, warten auf Entscheidungen ... Es ist die jeweilige Situation, in der und an der es zu handeln gilt. Alle Initiative des Menschen ist ''situationsbedingt'', zugleich aber auch ''situationsgestaltend''. Sie ist hervorgehoben von der Lebenslage, gleichsam herausgefordert von ihr, stößt aber selbst wiederum formend in sie vor.|Nicolai Hartmann, aus: GE-WHe 56}} | ||
− | == Geschichte | + | == Geschichte des Situationsbegriffes == |
{{c|Bei den Versuchen zur Einführung eines Situationsbegriffs lassen sich fünf Tendenzen beobachten: | {{c|Bei den Versuchen zur Einführung eines Situationsbegriffs lassen sich fünf Tendenzen beobachten: | ||
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{{c|Der Begriff der Situation verwandelt sich von einem Thema der ''theoretischen'' Philosophie in ein Thema der ''praktischen'' Philosophie, und in dieser letzten Form verliert er in den fünfziger Jahren mit dem Auslaufen der existentialistischen Modewelle an Interesse. In der Neuen Phänomenologie kehrt der Situationsbegriff dann in die theoretische Philosophie zurück.|MG-DSidP 116}} | {{c|Der Begriff der Situation verwandelt sich von einem Thema der ''theoretischen'' Philosophie in ein Thema der ''praktischen'' Philosophie, und in dieser letzten Form verliert er in den fünfziger Jahren mit dem Auslaufen der existentialistischen Modewelle an Interesse. In der Neuen Phänomenologie kehrt der Situationsbegriff dann in die theoretische Philosophie zurück.|MG-DSidP 116}} | ||
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+ | {{c|Mit Bezug auf Heidegger und Merleau-Ponty lässt sich - im Anschluss an Dreyfus - argumentieren, dass sich das wahrnehmende Subjekt immer in situativen Bedeutungskontexten befindet, die bereits durch vorheriges Handeln strukturiert sind und sich überhaupt nur mit Bezug auf die Interessen und Bedürfnisse des in ihnen agierenden kognitiven Systems definieren lassen.|Engel/König MPK 180}} | ||
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+ | {{c|Es handelt sich bei diesen situativen Kontexten also um das, was Heidegger als 'Verweisungszusammenhang' oder 'Bewandtnisganzheit' bezeichnet hat - vgl. Heidegger, ''Sein und Zeit'', S. 83-88; oder Heidegger, ''Die Grundprobleme der Phänomenologie'', S. 231-242 bzw. um 'Bedeutungseinheiten' im Sinne von Merleau-Ponty, ''Die Struktur des Verhaltens''. Zu Details der Argumentation von Dreyfus, vgl. ''What Computers Still Can't Do'', S. 273-382.|Engel/König MPK 180}} | ||
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+ | {{c|Den Begriff der Situation - im Sinne eines durch Handeln strukturierten und im Handlungsvollzug erschlossenen Dingzusammenhangs - entlehnen wir Satre und Merleau-Ponty; | ||
+ | * vgl.: Satre, ''Das Sein und das Nichts'', S. 833-950 | ||
+ | * Merleau-Ponty, ''Phänomenologie der Wahrnehmung'', S. 102-104, sowie Merleau-Ponty, ''Die Struktur des Verhaltens'', S. 61-70. | ||
+ | * Sehr verwandt ist der Begriff der 'Bewandtnisganzheit' bei Heidegger. ''Die Grundprobleme der Phänomenologie'', S. 231-242. | ||
+ | Dreyfus führt das Konzept der Situation in seiner kritischen Analyse des klassischen Kognitivismus ein. Vgl. ''What Computer Still Can't do'', S. 273-282. Er hebt in diesem Zusammenhang die anti-reduktionistische Implikation eines holistisch verstandenen Situationsbegriffs hervor. Wie Dreyfus betont, lassen sich Situationen nicht physikalisch kategorisieren, da ihre Individuierung immer intentionale oder teleologische Elemente voraussetzt (um eine Situation zu beschreiben, muss man zum Beispiel auf die Gerichtetheit von Akten Bezug genommen werden), die nicht eliminiert werden können; vgl. ''What Computer Still Can't Do'', S. 231 f.|Engel-/König in: MPK 188}} | ||
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+ | === Hegel: Geist === | ||
+ | {{c|.. doch fehlt zu diesem noch der Hinweis auf Bedeutung und Wege der Explikation aus der Subjekt und Objekt übergreifenden Totalität, die für Hegel der Geist, in meiner Terminologie die Situation ist.|S-HL 361}} | ||
=== Fritz Mauthner === | === Fritz Mauthner === | ||
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Siehe: [[Sprache#Prädikat und Situation als Basis|Prädikat und Situation als Basis]] | Siehe: [[Sprache#Prädikat und Situation als Basis|Prädikat und Situation als Basis]] | ||
− | === Husserl === | + | === Ludwig Klages === |
+ | {{c|Völlig unabhängig von beiden Autoren [i.e. Scheler und Heidegger] bringt gleichzeitig Ludwig Klages Situationen vom Typ der vielsagenden, mit mächtigen Atmosphären tiefen Gefühls geladenen Eindrücke unter dem Titel der Urbilder zur Sprache.|S-NGE 331}} | ||
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+ | === Max Scheler === | ||
+ | {{c|... Einen Vorläufer hat Heidegger in Max Scheler, der 1916 auf wenigen Seiten seines Buches ''Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik'' (4. Auflage Bern 1954, S. 158-161) unter dem Titel des Milieus einen Typ von Situationen nachweist, der der Bewandtnisganzheit des Zuhandenen nach Heidegger im Wesentlichen entspricht.|S-NGE 331}} | ||
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+ | === [[Heidegger]] === | ||
+ | {{c|Heidegger gehört nach Jahrtausenden der Reduktion zu den Ersten, die vollständige, mit Bedeutsamkeit geladene Situationen wieder ernst nehmen und auf den Begriff zu bringen suchen.|S-NGE 331}} | ||
+ | |||
+ | Siehe: [[Explikationismus#Heidegger|Heidegger als Vorreiter des erkenntnistheoretischen Explikationismus]] | ||
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+ | === [[Husserl]] === | ||
+ | {{c|Die Situation als dieser Horizont steht aber selbst in weiteren Horizonten.|Husserl: Die Lebenswelt, S. 543; zit.n.: WH-RL 95}} | ||
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{{c|Husserl, von dem der Begriff der Situation, wie auch der des Phänomens seinen Ausgang nimmt, gebraucht den Begriff in zweifacher Hinsicht, | {{c|Husserl, von dem der Begriff der Situation, wie auch der des Phänomens seinen Ausgang nimmt, gebraucht den Begriff in zweifacher Hinsicht, | ||
* zum einen zur Kennzeichnung des historischen oder auch philosophischen Kontextes einer Handlung | * zum einen zur Kennzeichnung des historischen oder auch philosophischen Kontextes einer Handlung | ||
* und zum anderen zur Umschreibung einer leiblichen Artikulationsform. | * und zum anderen zur Umschreibung einer leiblichen Artikulationsform. | ||
Der letztgenannte Situationsbegriff erweist sich als brauchbar für unseren Erkenntniszweck, redet Husserl doch in diesem Zusammenhang von der "kinästhetischen Situation".|AB-BuB 63}} | Der letztgenannte Situationsbegriff erweist sich als brauchbar für unseren Erkenntniszweck, redet Husserl doch in diesem Zusammenhang von der "kinästhetischen Situation".|AB-BuB 63}} | ||
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+ | Siehe: [[Feldontologie#Situationsontologie]] |
Version vom 12. September 2017, 13:46 Uhr
Übersetzungen:
- chin. 無 (wu), jap. 無 (mu), häufig übersetzt mit "Nichts" (siehe Skizze);
- 情 (jap. jou; chin: qíng)
Synonyme:
- Heidegger: Verweisungszusammenhang, Bewandtnisganzheit
- Merleau-Ponty: Bedeutungseinheit
Skizze
Definition
Siehe: Situationsontologie
Eine Situation (auch: topisches Feld) ist
- ganzheitlich, d.h. nach außen abgehoben und in sich zusammengehalten. Die Ganzheit der Situationen geht also der Einzelheit oder numerischen Einheit grundsätzlich vor.
- bedeutsam, d.h. sie wird durch eine Bedeutsamkeit zusammengehalten, welche aus Bedeutungen besteht.
- binnendiffus, d.h. in ihr ist nicht alles (eventuell gar nichts) einzeln.
Der Mensch behauptet sich in seiner Umgebung, indem er Situationen als Konstellationen einzelner Faktoren rekonstruiert, ohne die Bedeutsamkeit der Situationen dadurch ausschöpfen zu können; die Rekonstruktion bleibt ein probierendes Anfassen.
Ganzheit der Situation
Abgehobenheit
- so abgehoben, dass man es mit einem Schlage innehat, und schlagartig wieder identifizieren kann, ohne verschwimmende Ränder
- nicht zu verwechseln mit der Geschlossenheit eines Systems
Zusammenhalt
- diffuser Zusammenhalt im Inneren durch Bedeutsamkeit
Vgl: Mannigfaltigkeit und 道: dou, dào
Binnendifussion
Situation, Atmosphäre, Gefühl
Situationen werden fast immer von gefühlsträchtigen Atmosphären durchzogen. (Vgl: S-WNP 248)
Nur nicht in Gefahrensituationen, in denen der Schreck und der Bedarf sofortiger Reaktion das Fühlen blockieren. (Vgl: S-WNP 249)
Situationen sind meist durchzogen von Gefühlen. (Vgl: S-DzB 24)
Situation und Leib
Situation und Sprache
Anbindung von Situationen
Ohne dingliche Anbindung
Mit dinglicher Anbindung
Wenn es eine dingliche Anbindung gibt, dann müssten Situationen und Gefühle genau so objektiv sein, wie die Dinge, an denen sie anhaften. Siehe dazu: Objektivität der Gefühle
Beispiele
Situationen sind alle motorischen Kompetenzen und ihre Ausübung, also jede zweckmäßig, unwillkürlich oder willkürlich, geführte freie Gliederbewegung, z.B. beim Kauen fester Nahrung, beim Sprechen oder bei der Abwehr von Gefahren. In allen solchen Fällen wird vieles verstanden (Sachverhalte), vorgenommen (Programme), ohne dass mehr als weniges davon einzeln bewusst wird (gar nichts bei ganz unwillkürlichem Tun.) (S-KE 47f)
Wer z.B. auf regennasser, dicht befahrener Straße durch geschicktes Ausweichen, Bremsen oder Beschleunigen des Autos einen drohenden Unfall entkommt, hat die relevanten Sachverhalte,
- die Probleme des zunächst drohenden Zusammenstoßes und der bei Ausweichen eventuell hinzukommenden Bedrohungen ähnlicher Art und
- die Programme möglicher Rettung
mit einem Schlag (in antagonistischer Einleibung) erfasst und auch schon zweckmäßig beantwortet, ohne zur Vereinzelung dieser Bedeutungen Zeit zu haben, außer allenfalls bei einem schmalen Teil davon. In solchen Fällen präsentiert sich die ganze Bedeutsamkeit der Situation auf einen Schlag. (S-KE 48)
Beispiele für vielsagende Eindrücke (impressive Situationen), die an leiblich spürbaren Kräften abgelesen werden und ordnend das Weltgeschehen durchziehen:
Anaximenes | Straffe | Schlaffe |
---|---|---|
Parmenides | das Flinke | das Schwerfällig-Sperrige |
Pyhtagoreer | das Unruhige, Vielfältige | das Beharrende, Gerade |
Empedokles | Liebe (als Freude und Aphrodite in den Gliedern der Sterblichen) | Streit |
Unterscheidungen
- nach der augenblicklichen Gegebenheit: impressiv - segmentiert
- nach dem zeitlichen Verlauf: aktuell - zuständlich
impressiv
- vielsagende Eindrücke (-> gewöhnlich aktuelle Situtionen): kommen schon im Augenblick mit ihrer integrierenden Bedeutsamkeit ganz zum Vorschein
- Bsp: Gefahrensituationen, die man ganzheitlich erfassen und mit einem Schlage treffend beantworten muss
segmentiert
- kommt nicht im Augenblick mit ihrer integrierenden Bedeutsamkeit ganz zum Vorschein
- können sich zu impressiven zusammenziehen, von denen sie plakatiert werden (Plakat-Situationen), also der vielsagende "erste Eindruck".
- Plakat-Situation (kann über nächstere trügen)
- plakatierten Situation
Siehe: Plakatierung
aktuell
- wenn sich dieser Verlauf in beliebig dicht gesetzten Querschnitten auf Veränderungen prüfen lässt
zuständlich
- Prüfung auf Veränderungen ist nur nach hinlänglich langen Fristen sinnvoll
- Bsp: Sprachen, Institutionen, Freundschaften, Feindschaften, persönliche Situationen
Typen
impressiv | segmentiert | |
---|---|---|
aktuell | (ia) Gefahrensituationen | (sa) "durchblitzende Gespräche" |
zuständlich | (iz) das "Bild" eines Menschen | (sz) Sprachen, Ehe, Familie |
aktuell impressiv
- Gefahrensituationen
aktuell segmentiert
- Bsp. Gespräche mit einer nur fragmentarisch durchblitzenden integrierenden, binnendiffusen Bedeutsamkeit
- Bsp. Probleme, an denen man ratlos grübelt
zuständlich impressiv
- Bsp. das "Bild", das man sich von einem Menschen macht, den man gut zu kennen glaubt
- Bsp. der typische oder individuelle Charakter eines Dinges, der sich im Wechsel seiner Gesichter durchhält, mit integrierende binnendiffuser Bedeutsamkeit
zuständlich segmentiert
Inkludierende und implantierende Situationen
Inkludierende Situationen
Erstere stehen nicht im Widerspruch zum wurzellosen Individualismus und schwebenden Ironismus, die Schmitz als autistische und ironistische Verfehlungen des abendländischen Geistes bezeichnet. Includierende Situationen nennt Schmitz auch Konstellationen, es sind zu Konstellationen zersetzte Situationen, die dadurch charakterisiert sind, dass sie einem Selbst "die Freiheit lassen, sich unbeschadet aus ihnen zu lösen; ich denke etwa an Konventionen, äußerlich bleibende Lebens- und Umgangsformen und Kollektive Standpunkte für 'Mitläufer', an beherrschte Fremdsprachen u. dgl." Includierende Situationen sind temporäre Gefüge, die Teilnahme an ihnen ist als für subjektive Wahl offen anzusehen, sie sind relativ flüchtig und austauschbar. (Heubel 44)
Implantierende Situationen
Dem kontrastieren Situationen im emphatischen Sinne, die implantierende Situation, welche im Selbst "so tiefe Wurzeln schlägt, dass sie nicht leicht und, wenn überhaupt, nur allmählich und mit erheblichen Wunden herausgerissen werden kann. Dazu gehören Situationen, aus denen die Persönlichkeit durch Tradition und frühe Sozialisation hervorwächst, und solche in die sie hineinwächst, z.B. durch Gemeinschaft mit einem Lebenspartner." (S-AHG 24) (Heubel 44)
Besondere Situationen
Persönliche Situation
Veränderung von Situationen
Veränderung aktueller Situationen durch zuständliche Situationen
Veränderung durch personale Situationen
- durch persönliche Situation
Veränderung durch überpersönliche Situationen
- durch Sprache
Entstehung zuständlicher Situationen aus aktuellen Situationen
Entstehung neuer Situationen
Therapeutisches Vorgehen zur Veränderung von Situationen
Bewältigung von Situationen
- durch leibliche Kommunikation (Menschen wie Tiere): Leibliche Intelligenz
- durch Explikation: Hermeneutische Intelligenz
Siehe: Privative Weitung, Ursprung der Sprache: privative Weitung
Plakatierung: Plakat-Situation
In der Regel plakatiert eine impressive Situation (Plakat-Situation) eine segmentierte (plakatierte Situation). Segmentierte können sich zu impressiven gleichsam zusammenziehen.
Bsp:
- bei der ersten Begegnung eines Menschen erhält man bereits einen prägnanten, vielsagenden Eindruck
- die Figur des Bamberger Reiters, in der der "hohe Mut" der mittelalterlichen Adels- und Ritterkultur, einer segmentierten Situation mit binnendiffuser Bedeutsamkeit, schlagartig aufscheint.
- Jesus im Gedicht von Tersteegen: "Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart."
(S-DzB 25)
Explikation: Meisterung von Situationen durch Konstellationen
Skizzen: Einzelnes und Konstellation
Siehe: Topisches Verhältnis, Duales Verhältnis, Konstellation, Chaotische Mannigfaltigkeit, Entfaltete Gegenwart
Die therapeutische Aufstellung als Konstellation, die helfen soll problematische Situationen zu meistern.
Übertriebene Meisterung durch Reduktionismus mittels Konstellationen: Konstellationismus
Explikation durch Rede
Aufhebung des Situationsdrucks mittels Explikation durch Rede
Aufhebung des Situationsdrucks durch Rede:
- Der Druck Einzelnes aus einer Situation durch Sprache zu explizieren.
- Privative Weitung mittels Sprache lockert den Situationsdruck.
Explikation durch leibliche Aufstellung
Siehe: Aufstellung als leibliche Explikation
Hervorbringung der Konstellation als Prozess
Siehe: Aufstellung als therapeutischer Prozess der Herausbildung von Konstellationen aus Situationen
Situation als Etwas
Situation als System
Siehe: System als Situation
Situation als gemeinsames Medium von Subjekt und Objekt
In der Situation gibt es noch keine Trennung zwischen Subjekt und Objekt jedoch schon eine explizierbare topologische Struktur.
Wie schon Heidegger lehnt Schmitz es ab, die Frage wie das Subjekt aus sich heraus zum Objekt kommen könnte, als Grundfrage der Erkenntnistheorie anzusehen. Wie das Subjekt die Brücke zum Objekt schlagen könne und umgekehrt sei eine Scheinfrage, weil die Situationen immer schon das gemeinsame Medium von Subjekt und Objekt bildeten. (Heubel 42)
Situation als Bild
Siehe: Bild als Situation
Zitate
Geschichte des Situationsbegriffes
Bei den Versuchen zur Einführung eines Situationsbegriffs lassen sich fünf Tendenzen beobachten:
- die Verabschiedung der Vorstellung einer additiven Konfrontation von Erkennendem und Erkanntem, stattdessen die Auffassung des Verhältnisses als Verstricktsein, Eingebettetsein
- die Erweiterung, Auffüllung des Objektpools; die Betonung seiner Geschlossenheit, seiner Abgehobenheit durch eine Ganzheitlichkeit
- die theoretische Entdeckung eines neuen Mannigfaltigkeitstypus, der chaotischen Mannigfaltigkeit (erst in der Neuen Phänomenologie)
- die Geladenheit der Situationen mit Bedeutsamkeit; die Bestandteile von Situationen sind nicht primär materielle Dinge, sondern Sachverhalte, Programme und Probleme
- die Bewegung von Einzahl-Konzepten ("die Welt") hin zur Pluralität von Situationen (MG-DSidP 115)
Den Begriff der Situation - im Sinne eines durch Handeln strukturierten und im Handlungsvollzug erschlossenen Dingzusammenhangs - entlehnen wir Satre und Merleau-Ponty;
- vgl.: Satre, Das Sein und das Nichts, S. 833-950
- Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, S. 102-104, sowie Merleau-Ponty, Die Struktur des Verhaltens, S. 61-70.
- Sehr verwandt ist der Begriff der 'Bewandtnisganzheit' bei Heidegger. Die Grundprobleme der Phänomenologie, S. 231-242.
Hegel: Geist
Fritz Mauthner
Quelle: Beiträge zu einer Kritik der Sprache: Dritter Band: Zur Grammatik und Logik, Stuttgart/ Berlin 1902, S. 117, 231.
Situation = Summe der gegenwärtigen Sinneseindrücke
Siehe: Prädikat und Situation als Basis
Ludwig Klages
Max Scheler
Heidegger
Siehe: Heidegger als Vorreiter des erkenntnistheoretischen Explikationismus
Husserl
Husserl, von dem der Begriff der Situation, wie auch der des Phänomens seinen Ausgang nimmt, gebraucht den Begriff in zweifacher Hinsicht,
- zum einen zur Kennzeichnung des historischen oder auch philosophischen Kontextes einer Handlung
- und zum anderen zur Umschreibung einer leiblichen Artikulationsform.