Singularismus: Unterschied zwischen den Versionen

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{{c|[[Kant#Singularismus|Kants Singularismus]] empfängt dadurch eine eigentümliche Note, dass er unter den großen Singularisten der neuzeitlichen Philosophie der Erste ist, der sich um den Singularismus gar nicht mehr zu bemühen braucht, weil dieser ihm so selbstverständlich geworden ist, dass keine entgegengesetzte Denkweise mehr in seinem Horizont auftaucht.|S-DWdeP2 324}}
 
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== Ordinatorischer und permutatorischer Singularismus ==
 
== Ordinatorischer und permutatorischer Singularismus ==

Version vom 7. August 2019, 12:42 Uhr

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Definition

Starke These des Singularismus

Starke These, dass alles ohne Weiteres einzeln ist; das Weitere besteht im Element- und Fallsein. Seit Wilhelm von Ockham radikal durchgesetzt. Widerlegung: Einzelnes kann nur als Element einer Menge und Fall einer Gattung sein.

Schwache These des Singularismus

Schwache These, dass alles einzeln ist, d.h. alles Element einer Menge ist. Widerlegung: empirisch (Beispiel "durchdöste Frist") oder logisch (Fehler in der Voraussetzung, dass jede Bestimmung einzeln ist, denn: Alle einzelnen Bestimmungen sind in einem Nebel nicht vereinzelter eingebettet.) Darauf stützt sich der Konstellationismus, die Auffassung der Welt als Netzwerk einzelner Faktoren.

Siehe: Elementarismus, Monadisches Paradigma
Verwandt: Projektionismus, Explikationismus

Bedingung der Möglichkeit von Einzelnem

Der Singularist übersieht aber, dass zwar das Handgreifliche mit seiner massiven Widerstandsleistung einen sehr konkreten Eindruck macht, die Identität und erst recht die Einzelheit daran sich aber keineswegs von selbst verstehen; wenn er sich auch nur darauf besinnt, was er mit seiner These, das alles von vorn herein einzeln ist, meint, muss er, wie sich gezeigt hat, Objekte, die er für abstrakte hält, Anzahlen und endliche Mengen, zu Hilfe rufen. Es ist naiv, zu glauben, dass den Dingen gleichsam ins Gesicht geschrieben stünde, dass sie diese Dinge sind und Anzahlen um 1 vermehrten;... Statt dass ein Ding seine Identität und Einzelheit als etwas Selbstverständliches von sich aus versichern könnte, muss es diese Eigenschaften aus einem Hintergrund undinglicher Voraussetzungen übernehmen. Welche es sind, hat sich ergeben:

Verschärfung zum Absolutismus

Eine Verschärfung des Singularismus, nach dessen Grundsatz alles ohne weiteres einzeln ist, ist der Absolutismus, entweder in der krassen Gestalt bei Wilhelm von Ockham, dass es überhaupt nur absolute Sachen (keine Beziehungen) gibt, oder in der Weise einer Degradation der Beziehungen zu bloßen Anhängseln absoluter Sachen, die mit abgeschlossener Wesenheit den Beziehungen zugrunde lägen. (S-DWdeP2 560)

Sprachabhängigkeit

Geschichte

  • Thomas von Aquino
  • Wilhelm von Ockham
  • Kant

Die Scholastiker sind im Allgemeinen Singularisten; sie hängen der falschen Meinung an, dass Einzelheit oder numerische Einheit (d.h. die Fähigkeit, eine Anzahl um 1 zu vergrößern) sich von selbst versteht, wie es Abaelard unübertrefflich formuliert, indem er sich auf Boethius für die These beruft: "Alles was eines ist, ist ein Eines in der Zahl nach, d.h. diskret in eigener Wesenheit." Duns Scotus hat vor Denkern wie Thomas von Aquino und Suarez den Vorrang an Tiefe, dass er diesen Singularismus nicht mitmacht. (S-DWdeP2 110)

Kant

Kants Singularismus empfängt dadurch eine eigentümliche Note, dass er unter den großen Singularisten der neuzeitlichen Philosophie der Erste ist, der sich um den Singularismus gar nicht mehr zu bemühen braucht, weil dieser ihm so selbstverständlich geworden ist, dass keine entgegengesetzte Denkweise mehr in seinem Horizont auftaucht. (S-DWdeP2 324)

Kant, der erste fraglos im Singularismus als selbstverständlicher Voraussetzung lebender Denker, ... (S-DRdN 143)

Ordinatorischer und permutatorischer Singularismus

Ordinatorischer Singularismus

Singularismus, verbunden mit dem Glauben an eine strenge Weltordnung, in der im Wesentlichen alles Einzelne seinen festen bestimmten Platz hat. (S-NWdeP 827)

... weil der Singularismus ordinatorisch bleibt, mit Einbettung alles Einzelnen in eine strenge, bei Thomas von Aquino sogar linear skalierte Ordnung des Weltgebäudes. (S-DWdeP 190)

... oder man folgt dem gewöhnlichen Lauf der Natur nach der Reihe, in der sich Körper in andere Körper zu verwandeln pflegen. (S-NWdeP 214)

..., den z.B. der säende und später erntende Bauer bestreitet, eher dem ordinatorischen Singularismus entspricht, weil er der natürlichen Ordnung der Verläufe folgt. (S-NWdeP 215)

Permutatorischer Singularismus

Singularismus, verbunden mit dem Glauben, dass die Plätze der Einzelnen im Wesentlichen vertauschbar sind. (S-NWdeP 827)

Wilhelm von Ockham

Wilhelm von Ockham zersetzt diese Harmonie durch eine Radikalisierung des Singularismus, der die Zusammenhänge kappt und alles in eine Absolutheit als ens a se entlässt, mit Bestreitung der Relationen und Ersetzung aller gegenständlichen Bedeutungen von etwas als etwas durch Projektion von Vorstellungen im Wege sprachlicher Zuschreibung. Zu den Bedeutungen und Relationen, die dabei geopfert werden, gehört auch die Ordnung des Universums. ...An die Stelle des ordinatorischen Singularismus tritt ein permutatorischer, der allle beliebigen Vertauschungen zulässt. (S-NWdeP 190f)

Der permutatorische Singularismus, das Erbe Wilhelms, ist, wie das Beispiel zeigt, ein fast ebenso wichtiger Beitrag wie die psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistische Vergegenständlichung zum Dienst der Wissenschaft an der technisch vermittelten Weltbemächtigung, worauf Bacon ihre Daseinsberechtigung reduziert. (S-NWdeP 251)

Entweder stellt man einfache Formen nach Maßgabe grundlegender Naturgesetze zu dem gewünschten Resultat zusammen, ... (S-NWdeP 214)

Dieser ... Weg benützt die Freiheit des permutatorischen Singularismus zu willkürlicher Kombination von Merkmalen, wie heute beim Probieren in der synthetischen Chemie, z.B. auf der Suche nach wirksamer Arzneistoffen, ... (S-NWdeP 214f)

  • Neuzeit: Wissenschaft als Magd der Technik
  • Mittelalter: Philosophie als Magd der Theologie

Thomas Hobbes

Damit setzt Hobbes einen schrankenlosen permutatorischen Singularismus der Herrschaftsbeziehungen im Geist Wilhelms von Ockham gegen alle Schranken durch, die ein ordinatorischer Singularismus solcher beliebigen Triplizierung setzen könnte. Die Gevatterschaft von Hobbes mit Wilhelm im radikalen Singularismus ist schon in der theoretischen Philosophie unverkennbar: Er bestreitet gleich diesem die Relationen durch deren Identifizierung mit den absoluten Akzidentien des ersten Beziehungsgliedes, sogar mit Wilhelms Beispiel der Ähnlichkeit in weißer Farbe. (S-NWdeP 225)

Der verkehrte Singularismus spielt Hobbes den Streich, der ihn hier die Lebenswirklichkeit verkennen lässt. Für ihn ist das Volk vor der Zusammenfassung durch die mit Zwangsgewalt bewaffnete Macht des Staates nur eine Vielheit einzelner Personen, die höchstens durch künstliche Verträge zur Übereinstimmung finden. (S-NWdeP 225f)

Leibniz

Sein Hauptstreben geht dahin, aus dem permutatorischen Singularismus den ordinatorischen herzuleiten, also gewissermaßen mit den Waffen Wilhelms von Ockham den Sieg für Thomas von Aquino zu erringen. ... Mit Wilhelm kappt Leibniz die Zusammenhänge, indem er ähnlich wie jener die Relationen zu bloßen Gedankendingen herabsetzt, wobei der Wilhelms Fehler wiederholt, die Behauptung einer zweistelligen Relation als Behauptung über die Beziehungsglieder statt über deren Paar hinzustellen. Wie für Wilhelm besteht für ihn die reale Grundlage der Beziehungen nur in Modifikationen der Einzeldinge, die vom Geist so in Beziehung gesetzt werden. (S-NWdeP 25)

Über den Singularismus Wilhelms geht Leibniz hinaus, indem er dessen permutatorischen Zug zur Ausschöpfung aller möglichen Kombinationen einzelner Sachen ausbaut. (S-NWdeP 259)

Der kombinatorische Singularist Leibniz ... (S-NWdeP 263)

Leibniz will dem permutatorischen Singularismus einen ordinatorischen abgewinnen, d.h. aus der Freigabe aller Möglichkeiten und Kombinationen eine bestimmbare Ordnung des Wirklichen herleiten. Seine Strategie zu diesem Zweck ist der Darwinismus der Möglichkeiten, d.h. die Inszenierung eines Kampfes der Möglichkeiten ums Dasein mit der Folge einer Auslese, durch die sich ein geordnetes Ganzes mit gewissen erwünschten Extremeigenschaften als die wirkliche Welt durchsetzt. (S-NWdeP 265)

... und Leibniz sein Hauptziel, aus dem permutatorischen Singularismus einen ordinatorischen zu gewinnen, d.h. dem freien Spiel aller Möglichkeiten die schönste Ordnung zu entlocken, im Grunde dem Darwinismus der Möglichkeiten zuweisen möchte, wofür Gott nur als das alles denkenden und allenfalls ... notwendige Wesen benötigt wird, damit die Möglichkeiten einen Sitz in seinem Verstand haben, wo sie als Ideen Gottes ihren Kampf führen können. Gottes vollkommene Wahl ist dann für Leibniz nur ein Vorhang vor dem Kampf der Möglichkeiten ums Dasein. (S-NWdeP 282)