Resonanz

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Siehe: leibliche Resonanz, Verschränkung

Resonanz als Grundbegriff

Startpunkt: resonantes In-der-Welt-Seins

»Menschen sind wie Musikinstrumente, ihre Resonanz hängt davon ab, wer sie berührt« (Constancio C. Vigil) (HR-R P7750)

... beschreibt Resonanz sodann einen Modus des In-der-Welt-Seins, das heißt eine spezifische Art und Weise des In-Beziehung-Tretens zwischen Subjekt und Welt (HR-R P4921)

Resonanz als einen sozialphilosophischen Grundbegriff (HR-R P4869)

Das Resonanzverlangen ist also universell, die Resonanzverhältnisse und Resonanzachsen aber sind partikular. (HR-R P13601)

Resonanz als Welterfahrung setzt übergreifende Situationen (情 qíng) voraus, die Menschen mit ihresgleichen ebenso teilen wie mit Tieren, Pflanzen und anderen Wesen und Dingen. (GL-RB 69)

Wenn eine aktuelle Situation die Beteiligten wie eine Glocke überwölbt, ist leibliche Präsenz zugleich Ko-Präsenz, und Ko-Präsenz ist im Aufeinander-Wirken und Miteinander-Schwingen Resonanz. (GL-RB 69f)

Resonanz als Beziehungsmodus

Resonanz ist kein Gefühlszustand, sondern ein Beziehungsmodus (HR-R P4971)

Resonanz als »durchstimmende Angesprochenheit« (HR-R P5007)

Resonanz als Hier-Sein

Es ist unmöglich, in Resonanz zu sein und sich gleichzeitig zu wünschen, noch oder schon anderswo zu sein. (HR-R P12542)

Angstfreiheit als notwendige Bedingung für Resonanz

Angstfreiheit erscheint daher als eine Grundbedingung für die Ausbildung von Resonanzbeziehungen. (HR-R P12552)

den Grundmodus des In-der-Welt-Seins von Kampf auf Sicherheit umzustellen vermöchte (HR-R P13245)

Autonomie als notwendige Bedingung für Resonanz

Die Resonanztheorie vermag daher meines Erachtens präzise anzugeben, wieso Autonomie eine wichtige Voraussetzung für die Etablierung resonanter Weltbeziehungen sein kann. (HR-R P5348)

Resonanzbeziehungen setzen voraus, dass Subjekt und Welt hinreichend ›geschlossen‹ bzw. konsistent sind, um mit je eigener Stimme zu sprechen, ... (HR-R P5117)

dass Resonanz nur möglich ist im Bezug auf einen Weltausschnitt, der mit eigener Stimme spricht,... (HR-R P5382)

Selbstwirksamkeit aber setzt Autonomie voraus (HR-R P13706)

Grenzen der Autonomie

Der Autonomiebegriff fokussiert meines Erachtens nur auf das Subjekt-Ende des Resonanzdrahtes. (HR-R P5358)

Dass Resonanz konstitutiv auf eine erfahrbare Begrenzung von Autonomie angewiesen bleibt, lässt sich autonomietheoretisch nicht einholen, ... (HR-R P5361)

Resonanz birgt ein transformatives Element, das unsere Autonomiefähigkeit übersteigt (HR-R P13720)

Resonanz ist unverfügbar

Resonanz ist konstitutiv unverfügbar. (HR-R P9222)

Resonanz ist keine Harmonie, Konsonanz, Echo

Resonanz entsteht also niemals dort, wo alles ›reine Harmonie‹ ist, und auch nicht aus der Abwesenheit von Entfremdung, sondern sie ist vielmehr gerade umgekehrt das Aufblitzen der Hoffnung auf Anverwandlung und Antwort in einer schweigenden Welt. (HR-R P5461)

Wie ich schon gezeigt habe, bedeutet Resonanz (schon etymologisch) gerade nicht Harmonie, nicht Einklang und nicht Konsonanz, sondern prozesshaftes Antworten, Bewegung und Berührung. (HR-R P6509)

Resonanz, so habe ich dargelegt, darf nicht mit Konsonanz verwechselt werden, sie enthält, ja sie erfordert Dissonanzen im Sinne von Widerspruch. (HR-R P13520)

Resonanz, so haben wir schon gesehen, bedeutet nicht Echo, sondern Widerstand. (HR-R P7328)

Resonanz ist keine Verschmelzung, Symbiose

..., dass Subjekt und Welt sich in ihr wechselseitig berühren und durchdringen, ohne ineinander aufzugehen oder zu verschmelzen. (HR-R P9585)

Resonanz meint die Begegnung mit einem anderen als Anderem, nicht die Verschmelzung zu einer Einheit. (HR-R P13522)

Resonanz ist keine Rührung

Rührung um der Rührung willen ist auch in der diachronen Dimension keine Resonanz. (HR-R P8853)

Umgang mit Resonanz als anthropologische Grundkompetenz

dass Subjekte gleichsam anthropologisch zur Resonanz disponiert sind; (HR-R P7362)

..., dass das Spezifikum sozialen Handelns und der menschlichen Kulturleistung – und damit der Autonomiefähigkeit und Freiheit des Menschen – weniger in der Resonanzerzeugung als vielmehr in deren gezielter Hemmung und Blockierung und damit in ihrer Lenkung und Kontrolle besteht. (HR-R P4507)

..., dass die dominanten Resonanzverhältnisse eben nicht anthropologisch fundiert, sondern historisch kontingent und das heißt: veränderbar sind (HR-R P9376)

Resonanzen vor Verdinglichung

..., dass die Weltbeziehung des Menschen zunächst und zuerst aus Resonanzen erwächst und dass die verdinglichend objektivierende Dingbeziehung demgegenüber einen vergleichsweise späten und voraussetzungsreichen Entwicklungs- oder Zivilisationsschritt darstellt. (HR-R P6886)

Entfremdung als Gegenbegriff

Resonanz ist das Andere der Entfremdung, so lautet die grundbegriffliche Kernthese dieses Buches. (HR-R P5227)

Entfremdung als einen Modus der Weltbeziehung zu bestimmen, in dem die (subjektive, objektive und/oder soziale) Welt dem Subjekt gleichgültig gegenüberzustehen scheint (Indifferenz) oder sogar feindlich entgegentritt (Repulsion). (HR-R P5233)

..., dass die Ur- und Grundform des Daseins eine Resonanz- und keine Entfremdungsbeziehung ist. (HR-R P7848)

Repulsion als Gegenbegriff

während Repulsion eine Weltbeziehung beschreibt, für die (innerliche) Verhärtung und Schließung maßgeblich sind. (HR-R P13537)

Resonanz und Phänomenologie

phänomenologische Resonanztheorie (HR-R P4424)

vor allem in der phänomenologischen Tradition entwickelte Vorstellung, nach der der Mensch nicht in erster Linie als sprach-, vernunft- oder empfindungsfähiges, sondern als resonanzfähiges Wesen erscheint, ... (HR-R P1072)

  • leibliche Resonanz

Weltverhältnis: Resonanz und Entfremdung

Entfremdung Resonanz
Indifferenz, Repulsion Resonanz
Weltverhältnis Weltbeherrschung, Weltreichweitenvergrößerung Weltanverwandlung
Marcus Logos Eros
Interaktion Resonanzfreie Interaktion wechselseitige Berührung

Kein einfacher Gegensatz

... so dass das Verhältnis zwischen Resonanz und Entfremdung nicht einfach als oppositionelles, sondern letztlich nur als ein dialektisches zu begreifen ist. (HR-R P5370)

Resonanz und Entfremdung, so zeigt sich einmal mehr, bilden keine einfachen Gegensätze, sondern erweisen sich hier als geradezu korrelativ. (HR-R P5506)

Weltverhältnis und -beziehung

Weltbeziehungen sind ebenso sehr das Ergebnis kultureller Weltbilder und sozialer Praktiken wie individueller körperlicher und psychischer Dispositionen – deshalb entwirft das vorliegende Buch keine Philosophie oder Psychologie der Weltbeziehungen, sondern gleichsam eine Soziologie der Resonanzverhältnisse. (HR-R P3148)

Weltanverwandlung

Weltanverwandlung: Dass wir hinausziehen können in die Welt, um den Platz zu finden, der ›uns anspricht‹, an dem wir heimisch werden können, den wir zu dem unseren machen dürfen. (HR-R P10963)

Gelungenes Leben in Resonanz

Resonanz kann daher zu einer Schlüsselkategorie für die Suche nach einem neuen Maßstab gelingenden Lebens werden. (HR-R P1145)

Intakte und scheiternde Weltverhältnisse bilden ... die Basis für gelingendes und misslingendes Leben. (HR-R P926)

... gibt es gute Gründe für die Annahme, dass eine Vorbedingung für ein gelingendes (resonantes) Weltverhältnis im Ganzen in einem resonanzsensiblen ›leibseelischen‹ Selbstverhältnis besteht. (HR-R P1132)

Gelingendes Leben, so lautet meine Kernthese, besteht in einer Form der Weltbeziehung, die in ihrer Tiefenstruktur resonant ist. Gelingendes Leben ist geradezu definierbar als ein resonantes Weltverhältnis. (HR-R P13293)

Resonanzunterdrückung

Darin zeigt sich einmal mehr, dass die Fähigkeit zur Resonanzunterdrückung eine essentielle Kulturtechnik ist, welche die Qualität der menschlichen Weltbeziehung per se nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern oftmals fundamental verbessert. (HR-R P1984)

Angst erscheint als ein geradezu paradigmatischer ›Resonanzkiller‹ (HR-R P3562)

resonanzhemmendes Objektbegehren (HR-R P3585)

Das enttäuschte Resonanzbegehren muss sich in gesteigertem Objektbegehren (und, parallel dazu, in einem Positionsbegehren, das der Angst niemals zu entkommen vermag) niederschlagen; (HR-R P3585)

Unter Bedingungen von Angst und Stress, so haben Experimente gezeigt, vermindert sich die Resonanzfähigkeit erheblich, weil sich »die Signalrate der Spiegelneurone massiv reduziert[t] (HR-R P4470)

dass die Repulsion und Resonanzfeindlichkeit gar nicht von der Welt ausgeht, sondern vom Subjekt (HR-R P9869)

Resonanzoasen

Suchens nach ›Resonanzoasen‹ und des Vermeidens von ›Entfremdungswüsten‹ (HR-R P3416)

Resonanzerwartung

Selbstwirksamkeitserwartungen, so ergibt sich daraus, können gleichsam als Resonanzerwartungen verstanden werden; als die Erwartung, durch eigenes Handeln die Welt zu erreichen und zum Sprechen zu bringen. (HR-R P4759)

Bildschirme

Wir sind auf dem Weg in eine Gesellschaft, in der der größte Teil unserer Weltbeziehungen bildschirmvermittelt und in der unser Weltverhältnis als ganzes bildschirm-symbolvermittelt geprägt ist. (HR-R P2702)

Resonanzachsen

  • Horizontal: Zwischen Selbst und Anderen
  • Diagonal: Zwischen Selbst und Dingen
  • Vertikal: Zwischen Selbst und dem Göttlichen

Typen der Resonanz

Akustische Resonanz

In der physikalischen Akustik bedeutet Resonanz das Mitschwingen eines Körpers beim Erklingen eines Tones in seiner Eigenfrequenz. Sie ist bei Hohlkörpern gesteigert: Ein Stück Festholz besitzt kaum Resonanz, wohl aber ein Geigenkörper mit der in ihm enthaltenen Luft, die sich rhythmisch gegen ihr Einfassung ausdehnt. (F-LRP 197)

Resonanz statt Repräsentation

Kognitionswissenschaftliche Wende

kognitionswissenschaftliche Wende zur Priorisierung von Resonanzbeziehungen gegenüber Repräsentations- und Kausalitätsmodellen (HR-R P4401)

Aporien des Repräsentationskonzeptes

Zum anderen ist der Begriff der Resonanz geeignet, aus den Aporien des Repräsentationskonzepts herauszuführen, das immer in eine Spiegelung und damit Verdopplung der Wirklichkeit mündet, daher auch dem Homunculus-Fehlschluss letztlich nicht entgehen kann. (F-DG 176)

Keine Trennung zwischen Resonandum und Resonans

Dagegen entstammt der Resonanzbegriff der Akkustik und Schwingungsmechanik; er bezieht sich auf Systeme, die durch ihre Eigenschwingung aufeinander abgestimmt und aktuell miteinander verknüpft sind. Damit erhält der Resonanzbegriff ein dynamisches ebenso wie ein rhythmisches Moment, stellt also auch eine zeitlich übergreifende Beziehung zwischen den beteiligten Systemen her. (F-DG 176)

Anders als Repräsentandum und Repräsentat, Vorbild und Abbild, lassen sich "Resonandum" und "Resonans" daher nicht voneinander trennen. (F-DG 176)

Resonanz als Synchronisierung in Verbundenheit

Vermittelt durch den Körper treten Gehirn und Umwelt also in stets wechselnder Resonanz zueinander; sie sind durch isomorphe Schwingungsmuster miteinander verbunden. (F-DG 175)

Während Repräsentate leicht isoliert als Träger von Bewusstsein angesehen oder gar mit ihm identifiziert werden können, lässt der Resonanzbegriff keine solche Aufteilung zu: Nur in ihrer Synchronisierung, als übergreifend verbundene Systeme, können Gehirn, Organismus und Umwelt zu Trägern von Bewusstsein werden. Insofern das Gehirn nach der ökologischen Konzeption in all seinen Funktionen untrennbar, dynamisch und flexibel mit dem Organismus und der Umwelt verbunden ist, trifft der Begriff Resonanz diese Beziehung ungleich besser als der Repräsentationsbegriff. (F-DG 176)

Neuronale Netzwerke repräsentieren nicht statisch Objekte oder Situationen der Außenwelt, sondern sie schwingen koordiniert mit Umweltreizen mit, insofern diese in Entsprechung zu bestimmten, schon vorgebahnten neuronalen Mustern angeordnet sind. (F-DG 175)

Stufen der Resonanz

... dass ein Körper eben alleine dann resoniert, wenn die Frequenz der einwirkenden Welle mit der Eigenschwingfrequenz des angegriffenen Körpers vollständig oder hinreichend angenähert übereinstimmt, sondern bereits dann, wenn es eine Übereinstimmung der Wellenfrequenz mit irgendeiner Frequenz des Eigenspektrums des angegriffenen Körpers gibt. (GI-SR 2)

Geschichte der Resonanz

Iwao Koyama

Der Philosoph Iwao Kôyama (1905-1993) hat bereits in den 1930 Jahren eine "Logik der Entsprechung" entworfen, die grundsätzlich mit den bisher erwähnten Ansätzen korrespondiert. Er hat das geläufige japanische Wort "kôô" (呼応) gewählt, um den "Zwischencharakter" menschlicher Beziehungen philosophisch näher zu bestimmen. Das Wort ist aus zwei sinojapanischen Zeichen zusammengesetzt. Das erste Zeichen 呼 bedeutet:

  1. Ausatmen,
  2. rufen, anrufen,
  3. benennen,
  4. herbeirufen.

Das zweite Zeichen (応, in der alten chinesischen Form: 應) ist in seiner Bedeutung sehr schillernd und wurde bereits in dem vorhergehenden Text vorläufig erschlossen. Seine Grundbedeutungen sind:

  1. müssen, sollen, erforderlich,
  2. passend, passen, gehörig,
  3. zutreffend, zweckentsprechend,
  4. zustimmen, zusagen, versprechen, annehmen,
  5. entsprechend, Folge leisten, erfüllen, erwidern, sich anpassen, sich nach etwas richten,
  6. vergelten,
  7. Antwort, antworten, Erwiderung, Echo, Resonanz.
Vor allem das zweite Zeichen hat in den alten chinesischen Texten eine zentrale Bedeutung, ein Zusammenhang, der ebenfalls bereits angedeutet wurde. Das Zeichen kommt in den klassischen Texten immer dann zum Einsatz, wenn es darum geht, dass die Menschen, aber auch die Dinge zusammen "stimmen" und in wechselseitiger Resonanz stehen. In dem Wort kôô verschmelzen Aktivität und Passivität zu einer Geschehensqualität, in der jedes Moment in wechselseitiger Resonanz erst hervorgeht. (RE-TP 304f)