Repräsentationalismus

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Repräsentationalismus in der Philosophie des Geistes

In den gegenwärtigen Neurowissenschaften wird das Verhältnis von Gehirn und Umgebung mit dem Begriff der »Repräsentation« beschrieben: Das Gehirn soll eine innere Nachbildung oder »Stellvertretung« der Umgebung erzeugen. Diese Vorstellung beruht auf einer überholten Trennung von »Innen« und »Außen«. (HJS-GR L81)

Neuronale Repräsentationen sollen einen externen Sachverhalt in einem neuronalen System so abbilden, dass sie diesen in den kognitiven Operationen des System vertreten ("bedeuten") können. Alle Informationen über den Sachverhalt spiegeln sich in repräsentierenden neuronalen Aktivitätsmustern wider und können als solche weiterverarbeitet werden. Sie werden zumeist als "mentale Repräsentationen" angesehen. (TF-G 59)

Hauptvertreter des Repräsentationalismus in der Philosophie des Geistes sind etwa

  • Dretske (1995),
  • Tye (1995),
  • Beckermann (1995) und
  • Metzinger (1999);
der Begriff ist aber nahezu allen neurokognitiven Konzeptionen ebenso wie in Darstellungen empirischer Studien üblich. (TF-G 59)

Auch die derzeit noch dominierenden Theorien der sozialen Kognition beruhen auf einer entkörperten oder zumindest repräsentationalistischen Sicht: Konzepte wie „Theory of Mind“, Mentalisierung oder Simulation setzen eine grundsätzliche Unzugänglichkeit anderer voraus. Ihre verborgenen mentalen Zustände, Intentionen oder Gefühle müssen dann aus ihrem äußeren körperlichen Verhalten erschlossen oder aber, der Simulationstheorie zufolge, im Beobachter nachmodelliert werden. Soziales Verstehen wird dann zu einer Rückprojektion von inneren Modellen oder Repräsentationen auf andere. (https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/zpm/psychatrie/fuchs/Literatur/Wege_aus_dem_Ego-Tunnel.pdf S. 12)

Kritik am Neurorepräsentationalismus

Der Begriff der Repräsentation klammert die erlebte Bedeutsamkeit aus. Tatsächlich aber gilt: Nur wir selbst können die Repräsentation eines Sachverhaltes durch einen anderen überhaupt feststellen; sie besteht nicht an sich. (TF-G 61)

Repräsentierende Zeichenrelation ist dreistellig und nicht zweistellig:

Etwas stellt für jemand ein Zeichen für etwas dar. (TF-G 61)

In einer Welt ohne subjektives Erleben gibt es Zeichen ebensowenig wie Symbole oder Informationen, Repräsentationen oder Metarepräsentationen, Bedeutung und Sinn. (TF-G 61)

Ein Neurowissenschaftler mag solche von ihm festgestellten Korrelationen sogar dazu nützen können, daraus auf die aktuelle Wahrnehmung oder Vorstellung des Besitzers des Gehirns zu schließen. Doch deshalb sind diese Muster als solche keine Symbole für Objekte, sie verweisen nicht auf sie, bedeuten sie nicht und stellen sie nicht dar – ebensowenig wie ein Baum in seinen Wachstumsringen seine Lebensjahre darstellt. (TF-G 63)

Weder im semantischen noch im ikonischen Sinn "gibt es" im Gehirn Repräsentationen der äußeren Welt. (TF-G 63)

Weder die Ringe im Baum noch die Eindrücke im Schnee noch die neuronalen Verschaltungsmuster sind als solche "Repräsentationen" vergangener Ereignisse. (TF-G 64)

Solange der Begriff der Repräsentation also im Sinn funktioneller Zuordnung gebraucht wird, ist gegen entsprechende Forschungen nichts einzuwenden. Dient er aber der Elimination des subjektiven Erlebens oder der Identifikation von subjektiven mit neurophysiologischen Zuständen, so vergisst der Neurowissenschaftler die Voraussetzung seines Forschens: seine eigene Subjektivität. (TF-G 65)

... jedes Repräsenationsverhältnis existiert nur für einen Menschen, der es als solches erkennt und interpretiert. Ein Bild ist kein Bild ohne jemand, der es als Bild auffast; ein Zeichen bedeutet nichts ohne jemand, der es als Zeichen versteht; eine Spur verweist auf nichts ohne einen Fährtenleser. Der Begriff der Repräsentation kann eine subjektabhängige Intentionalität nicht ersetzen. (TF-G 65)

Der Denkfehler des neuzeitlichen Repräsentationalismus ist es, einen abgesonderten Geist im Gehirn zu postulieren, statt eine höhere Ebene delokalisierten bewussten Erlebens zu konzidieren. (HJS-GR L655)

In letzter Konsequenz läuft der Repräsentationalismus auf die Entwirklichung des Individuums hinaus. (HJS-GR L3947)