Mannigfaltigkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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{{c|Diese These der Pythagoreer hat zu der Vorstellung geführt, dass die ganze Welt durcharithmetisiert werden könne, dass sie im Grunde genommen aus lauter Elementen bestehe, die selbst Zahlen sind oder auf die Zahlen angewandt werden können, die reinen Zahlen. Diese Vorstellung geht von den Pythagoreern aus und wird dann von Platon aufgegriffen in seinem ''Timaios'', der eine Konstruktion der ganzen Welt auf dieser arithmetischen Grundlagen von Zahlen angibt, ...|S-WPH 117}}
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{{c|Allerdings ist ein großer Verlust, der aus dieser Arithmetisierung der Welt bei den Alten folgt, dieser, dass das nicht zahlfähige Mannigfaltige, das diffuse oder konfuse, das chaotische, das zwiespältige Mannigfaltige zu kurz kommt. Es wird vernachlässigt, es wird herabgestuft im Denken der Alten zur bloßen Materie (Hyle) im Sinne des Unbestimmten, des Verschwommenen, das alle Präzision in der Welt ins Verschwimmen bringt, wie etwa im System des Aristoteles, aber selbst keine produktive Leistung vollbringt. Die produktive Leistung besteht nur in der Gestaltung nach Zahl. Damit haben sich die Alten die Chance verdorben, gerade diese Materie, den Bereich des nichtnumerischen Mannigfaltigen, der das menschliche Leben überall durchzieht, das Mannigfaltige der Situationen mit binnendiffuser Bedeutsamkeit, in seiner Fruchtbarkeit zu sehen.|S-WPH 118f}}
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{{c|Bis zu [[Plotin]] hat man das Mannigfaltige immer additiv oder multiplikativ gesehen, als ein so und so Vielfaches (eventuell Unendlichfaches) elementarer [[Einheit]]en. Dieses [[Elementarismus|elementaristische]] Konzept der Mannigfaltigkeit hält sich vom Altertum bis zu Occam, Leibniz und den modernen [[Konstellationismus|Konstellationisten]] durch.|S-DWdeP1 323f}}
 
{{c|Bis zu [[Plotin]] hat man das Mannigfaltige immer additiv oder multiplikativ gesehen, als ein so und so Vielfaches (eventuell Unendlichfaches) elementarer [[Einheit]]en. Dieses [[Elementarismus|elementaristische]] Konzept der Mannigfaltigkeit hält sich vom Altertum bis zu Occam, Leibniz und den modernen [[Konstellationismus|Konstellationisten]] durch.|S-DWdeP1 323f}}
  
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{{c|Die Struktur der instabilen Mannigfaltigkeit, dass zwei Sachen um Identität mit einem Dritten konkurrieren, ist erst in der dreipoligen Dialektik dadurch voll ausgeprägt, dass das Dritte als eigener Pol fassbar wird, während es in der zweipoligen gleichsam flüssig bleibt als Schluss der Vermittlung, in der jeder dem anderen Mite der beiderseitigen Aufhebung und Rückkehr in sich ist, ...|S-DWdeP 479}}
 
{{c|Die Struktur der instabilen Mannigfaltigkeit, dass zwei Sachen um Identität mit einem Dritten konkurrieren, ist erst in der dreipoligen Dialektik dadurch voll ausgeprägt, dass das Dritte als eigener Pol fassbar wird, während es in der zweipoligen gleichsam flüssig bleibt als Schluss der Vermittlung, in der jeder dem anderen Mite der beiderseitigen Aufhebung und Rückkehr in sich ist, ...|S-DWdeP 479}}
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{{c|Mannigfaltigkeit, in der Verschiedenes um Identität mit dem Selben konkurriert.|S-DWdeP2 826}}
  
 
Vgl. Shimizus Kritik an dem dialektischen Verständnis von 場 (ba) bei Nishida. [TL-TS 75]
 
Vgl. Shimizus Kritik an dem dialektischen Verständnis von 場 (ba) bei Nishida. [TL-TS 75]
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{{c|Dazu Woo: "Was von allen Beschränkungen befreit ist, ist das Wu, die höchste Form, frei von allen Bestimmtheiten." (Woo 1969, 39) In diesem Sinne ist die Parallele, die Woo zum ''apeiron'' des Anaximander führte, nicht ganz abwegig: "Das Wu, welches dem anaximandrischen ''apeiron'' entspricht, ist der ursprüngliche Zustand des Tao, welcher sich noch nicht in seiner reinen Form ohne irgendeine Beschränkung befindet. Demgegenüber ist das Yu in seiner Beschränktheit in der konkreten Welt in Erscheinung getreten. Das Wu ist ontologisch früher als das Yu." (Woo 1969, 40)|GR-AL 388f Fußnote 838}}
 
{{c|Dazu Woo: "Was von allen Beschränkungen befreit ist, ist das Wu, die höchste Form, frei von allen Bestimmtheiten." (Woo 1969, 39) In diesem Sinne ist die Parallele, die Woo zum ''apeiron'' des Anaximander führte, nicht ganz abwegig: "Das Wu, welches dem anaximandrischen ''apeiron'' entspricht, ist der ursprüngliche Zustand des Tao, welcher sich noch nicht in seiner reinen Form ohne irgendeine Beschränkung befindet. Demgegenüber ist das Yu in seiner Beschränktheit in der konkreten Welt in Erscheinung getreten. Das Wu ist ontologisch früher als das Yu." (Woo 1969, 40)|GR-AL 388f Fußnote 838}}
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{{c|Das erste Wort im Zitat ist "Leere" (虚空 ''kokû''). Dieses vor allem im Buddhismus, aber auch im Daoismus hochgradig beziehungsreiche Wort weist auf eine Ebene, in der die einfache Ich-Vorstellung durchbrochen ist und sich das Handeln nicht mehr ausgehend von einem ich-zentrierten Aktivitätsmuster vollzieht.|RE-PhgW 356}}
  
 
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====== Eigene [[Persönlichkeit]] ======
 
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{{c|Die eigene Persönlichkeit präsentiert sich dem Menschen als konfuses Mannigfaltiges, z.B. bei schwierigen Lebensentscheidungen, wenn er angesichts einer Alternative zunächst nicht weiß, was er will. Dann schlägt er sich mit Für und Wider lange herum, als ob ein rationales Abwägen von Gründe weiterhülfe, aber eigentlich handelt es sich dabei um ein Kneten der eigenen zuständlichen persönlichen Situation (vulgo: "Persönlichkeit") mit ihren nicht leicht entzifferbaren Zu- und Abneigungen, bis sie  zu erkennen gibt, was angesichts der Alternative zu ihr (und damit zu ihm) passt; dann ist die Entscheidung gefallen, und das Räsonnieren wird ruckartig abgebrochen.|S-KGM 79}}
 
{{c|Die eigene Persönlichkeit präsentiert sich dem Menschen als konfuses Mannigfaltiges, z.B. bei schwierigen Lebensentscheidungen, wenn er angesichts einer Alternative zunächst nicht weiß, was er will. Dann schlägt er sich mit Für und Wider lange herum, als ob ein rationales Abwägen von Gründe weiterhülfe, aber eigentlich handelt es sich dabei um ein Kneten der eigenen zuständlichen persönlichen Situation (vulgo: "Persönlichkeit") mit ihren nicht leicht entzifferbaren Zu- und Abneigungen, bis sie  zu erkennen gibt, was angesichts der Alternative zu ihr (und damit zu ihm) passt; dann ist die Entscheidung gefallen, und das Räsonnieren wird ruckartig abgebrochen.|S-KGM 79}}
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Siehe die Explikation der eigenen Persönlichkeit in personale und transpersonale [[Selbst]]-Anteile ([[Selbst#Multiplizität des Selbst|Multiplizität des Selbst]])
 
Siehe die Explikation der eigenen Persönlichkeit in personale und transpersonale [[Selbst]]-Anteile ([[Selbst#Multiplizität des Selbst|Multiplizität des Selbst]])

Aktuelle Version vom 3. Mai 2019, 06:46 Uhr

Übersicht

numerische Mannigfaltigkeit instabile Mannigfaltigkeit chaotische Mannigfaltigkeit
Identität als Relation identisch mit etwas ... als absolute Identität, selbst zu sein
Bestimmtheit Integrität der Teile geschützt ... kein Schutz vor dem Verschmelzen der Teile
Identität und Verschiedenheit schließen sich aus möglich möglich, können aber auch wegbleiben
Einzelheit Nur Einzelheiten Einzelheiten möglich Mangel an Einzelheit

  • chaotische Mannigfaltigkeit: Mannigfaltigkeit von Vielen, die gar nicht oder nicht sämtlich einzeln sind. Einzeln ist, was eine Anzahl um 1 vermehrt.
  • diffuse Mannigfaltigkeit: chaotische, aber nicht konfuse Mannigfaltigkeit
  • instabile Mannigfaltigkeit: Mannigfaltigkeit, in der Verschiedenes um Identität mit dem Selben konkurriert
  • konfuse Mannigfaltigkeit: chaotische Mannigfaltigkeit von Vielen, die gar nicht oder nicht sämtlich identisch mit etwas und verschieden von etwas sind
  • multivalente Mannigfaltigkeit: instabile Mannigfaltigkeit mit mehr als zwei Konkurrenten
  • numerische Mannigfaltigkeit: Mannigfaltigkeit von Vielen, von deren jedes einzeln ist. Einzel ist, was eine Anzahl um 1 vermehrt (S-NWdeP 826)

Übergänge

Vom chaotischen Mannigfaltigen zur Menge

Durch den Übergang vom chaotischen Mannigfaltigen zur Menge numerischer Einheiten gewinnt die Identität neue Züge. Die absolute Identität, selbst zu sein, wird zur Relation, identisch mit etwas zu sein. (S-LU 47)

Die Bestimmtheit als Fall einer Gattung konserviert in der vorhin angegebenen Weise die Teile eines chaotischen Mannigfaltigen so, dass ihre Integrität als Elemente geschützt ist, da sie von der Menge aus, die der Umfang der Gattung ist, eindeutig feststehen, während das Ganze einer Situation keinen eindeutigen Leitfaden zur Aussonderung gerade dieser Teile bereitstellt und diese auch nicht vor Verschmelzung in hinlänglich weitem Sinn des Wortes schützt. (S-LU 48)

Geschichte der Mannigfaltigkeit

Pythagoreer

Und da ergibt sich zunächst eine ganz entschiedene Bevorzugung des numerischen Mannigfaltigen, eine Bevorzugung, die von den Pythagoreern ausgeht, von denen der Satz stammt "Alles ist Zahl", arithmo de te pant' epeoiken. Das ist der Anfang einer Arithmetisierung der ganzen Welt. (S-WPH 116)

Diese These der Pythagoreer hat zu der Vorstellung geführt, dass die ganze Welt durcharithmetisiert werden könne, dass sie im Grunde genommen aus lauter Elementen bestehe, die selbst Zahlen sind oder auf die Zahlen angewandt werden können, die reinen Zahlen. Diese Vorstellung geht von den Pythagoreern aus und wird dann von Platon aufgegriffen in seinem Timaios, der eine Konstruktion der ganzen Welt auf dieser arithmetischen Grundlagen von Zahlen angibt, ... (S-WPH 117)

Allerdings ist ein großer Verlust, der aus dieser Arithmetisierung der Welt bei den Alten folgt, dieser, dass das nicht zahlfähige Mannigfaltige, das diffuse oder konfuse, das chaotische, das zwiespältige Mannigfaltige zu kurz kommt. Es wird vernachlässigt, es wird herabgestuft im Denken der Alten zur bloßen Materie (Hyle) im Sinne des Unbestimmten, des Verschwommenen, das alle Präzision in der Welt ins Verschwimmen bringt, wie etwa im System des Aristoteles, aber selbst keine produktive Leistung vollbringt. Die produktive Leistung besteht nur in der Gestaltung nach Zahl. Damit haben sich die Alten die Chance verdorben, gerade diese Materie, den Bereich des nichtnumerischen Mannigfaltigen, der das menschliche Leben überall durchzieht, das Mannigfaltige der Situationen mit binnendiffuser Bedeutsamkeit, in seiner Fruchtbarkeit zu sehen. (S-WPH 118f)

Plotin

Bis zu Plotin hat man das Mannigfaltige immer additiv oder multiplikativ gesehen, als ein so und so Vielfaches (eventuell Unendlichfaches) elementarer Einheiten. Dieses elementaristische Konzept der Mannigfaltigkeit hält sich vom Altertum bis zu Occam, Leibniz und den modernen Konstellationisten durch. (S-DWdeP1 323f)

Der Philosoph Plotin ist groß als erster Theoretiker des Unterschiedes von Typen der Mannigfaltigkeit, der dem konstruktiven, von einzelnen Teilen zum Ganzen aufsteigenden Denken das Leitbild des innig integrierten Ganzen entgegensetzt und sich an das instabile oder ambivalente Mannigfaltige herantastet, in dem mehrere Sachen um Identität mit derselben Sachen konkurrieren (nach Plotin: das eine Ganze und die vielen Teile um Identität mit dem vieleinigen Ganzen, das der Geist sowie die ihm nicht entfremdete Seele ist); der von da aus in die zerstreute Mannigfaltigkeit der zeitlichen Erstreckung und der Körperwelt absteigt, ohne sich beim Abstieg die Vieleinigkeit ganz nehmen zu lassen, so dass er sich dem irreführenden Erbe Demokrits und Platons - der psychologistisch-reduktionistisch-introjektionistischen Vergegenständlichung - weiter als fast alle nachplatonischen Denker entziehen kann. (S-DWdeP1 346f)

Plotin ist nach unserem Wissensstand der Entdecker des Mannigfaltigkeitstypus der Vieleinigkeit (...) oder instabilen Mannigfaltigkeit, der darin besteht, dass verschiedene Gegenstände um Identität mit demselben Gegenstand konkurrieren, die Dame und Puppe im Fall der Husserl'schen Puppe, Verwirrung und Übersicht beim Kapieren eines Witzes, absoluter und relativer Augenblick im Fluss der Zeit, Selbstzuschreibung und affektives Betroffensein ohne sie im personalen Selbstbewusstsein. (S-DWdeP1 397)

Typen der Mannigfaltigkeit

Numerische Mannigfaltigkeit

Siehe: System als Konstellation

Instabile Mannigfaltigkeit

  • auch: ambivalente oder multivalente Mannigfaltigkeit, Vieleinigkeit
  • verschiedene Sachen konkurrieren konkurrieren um Identität mit derselben Sache.

Beispiel:

  • Beziehungsbewusstsein, wo Einfachheit des Bewussthabens der Beziehung und Mannigfaltigkeit des Bewussthabens ihrer Glieder um Identität konkurrieren, z.B. Bewussthabens der Verschiedenheit des Mondes von der Sonne
  • am Beispiel des Flusses der modalen Lagezeit, dass die Gesamtvergangenheit wächst, die Gesamtzukunft schrumpft und die Gesamtgegenwart wechselt, in dem sie sich in die Zukunft gleichsam einfrisst. (S-DWdeP 473)

Geschichte:

  • von Plotin und seinen neuplantonischen Nachfolgern (Proklos, Damaskios, Scotus Eriugena) aufgebracht
  • Hegels einziger Typ der Mannigfaltigkeit:

Plotin beschreibt die instabile Mannigfaltigkeit des Geistes vertikal, vom Geist als ganzem her, der sich in die vielen Ideen so entfaltet, dass sie mit einander um die Identität mit ihm konkurrieren, wie er mit ihnen um Identität mit ihnen. Ähnlich sieht Duns Scotus die Identität der verschiedenen Perfektionen mit der sie in continentia unitiva verschmelzen Essenz. Auch Hegel bemüht sich vielfach, wenngleich nicht durchgängig, um eine ganzheitliche Sicht, die wie bei Plotin vom Geist ausgeht und diesem das Bewusstsein der Individuen bis zur Deckung etwa so anordnet, wie Scotus die Perfektionen der Essenz; ... (S-DWdeP 476)

Plotins multivalente Mannigfaltigkeit des Geistes, die sich im Zuge der Emanation vom Einen zum Vielen entfaltet, ist horizontal (in der Dimension des Vielen) und vertikal (im Verhältnis zwischen den vielen Geistern und dem einen ganzen Geist) ausgewogen; Hegel setzt dagegen die Dialektik immer horizontal an, bei als numerischen Einsen imponierenden Polen, und schraubt sie durch Vermittlung empor zur Integration, die das Wahre als das Ganze mehr oder weniger vorläufig erreicht. (S-DWdeP 477)

Mit seinem Bekenntnis zur ausschließlich instabilen Mannigfaltigkeit weicht Hegel vom im neuzeitlichen Denken herrschenden Singularismus ab, dem Erbe der durch Wilhelm von Ockham in dieser Hinsicht radikalisierten Scholastik. ... Im Gegensatz zu den Neuplatonikern, die außer dem instabilen oder multivalenten Mannigfaltigen in der Welt des Geistes auch das numerische Mannigfaltige der Sinnenwelt (als Schwächezustand durch Lockerung intensiver Integration) gelten lassen, will Hegel dem numerischen Mannigfaltigen allen legitimen Boden entziehen. Da er aber in einer vom Singularismus geprägten Umgebung lebt, muss er beim numerisch Mannigfaltigen ansetzen und dieses mit dem Werkzeug des logischen Widerspruchs in instabiles Mannigfaltiges konvertieren. Dazu kommt, dass er vom chaotischen Mannigfaltigen ... gar nichts wissen will und insofern mit dem Konstellationismus übereinstimmt, der statt der Situation mit ganzheitlich binnendiffuser, chaotisch-mannigfaltiger Bedeutsamkeit aus Sachverhalten (Überzeugungen), Programmen und Problemen nur Konstellationen, d.h. Vernetzungen einzelner Faktoren, zulässt. Der Unterschied Hegels von den modernen Konstellationisten besteht nur darin, dass deren Konstellationen stabil sein sollen, die Hegels aber instabil. (S-DWdeP 475f)

Die Struktur der instabilen Mannigfaltigkeit, dass zwei Sachen um Identität mit einem Dritten konkurrieren, ist erst in der dreipoligen Dialektik dadurch voll ausgeprägt, dass das Dritte als eigener Pol fassbar wird, während es in der zweipoligen gleichsam flüssig bleibt als Schluss der Vermittlung, in der jeder dem anderen Mite der beiderseitigen Aufhebung und Rückkehr in sich ist, ... (S-DWdeP 479)

Mannigfaltigkeit, in der Verschiedenes um Identität mit dem Selben konkurriert. (S-DWdeP2 826)

Vgl. Shimizus Kritik an dem dialektischen Verständnis von 場 (ba) bei Nishida. [TL-TS 75]

Instabile Mannigfaltigkeit als Prozessontologie?

Chaotische Mannigfaltigkeit

Geschichte

Bereits bei der Besprechung indonesischer Individuationsordnungen wurde auf das hohe Alter der Vorstellungen des sogenannten "Nichts", des "Unbestimmten" oder des "absolut chaotisch Mannigfaltigen" (Schmitz) aufmerksam gemacht, die sowohl im alten Ägypten als auch im alten Indien am Anfang der Individuationsfolge stehen. Der im Rigveda-Hymnus 10, 129 auftauchende Begriff des asat fällt in diese Kategorie, aber auch das me eon des Parmenides lässt sich mit dem wu vergleichen. (GR-AL 388)

China

Auch Needham hatte generell auf das Fehlen von atomistischen Ideen im chinesischen Denken aufmerksam gemacht (Needham 1992, 80). (GR-AL 388f)

Alternative Begriffe

  • 場 (ba), "Feld"
  • "unmarked space" von Spencer Brown
  • Topisches System
  • Topische Gestalt
  • Chaos
  • prädikatives Feld der Ortlogik
  • Ganzheit, Ganzes
  • Das Konfuse, Magma, Indiskrete, Uneindeutige, Unbestimmte, Verschwommenheit, Durchdringung
  • Anfang und Ende einer Struktur (Rombach): Ursprung, aktiver Nullpunkt, Umschlag, Chaos, Nichts, Unendlichkeit.

Die Ur-sache der Struktur ist 'Nichts' - dingontologisch gesprochen. Dieses 'Nichts', in das die Struktur vergeht und aus der sie kommt, kann bestenfalls durch Analogien aus Kunst und Dichtung angedeutet werden. (Schinkel in: B-PuS 118)

Eine chaotisch-mannigfaltige Ganzheit, zu der mindestens Sachverhalte gehören, bezeichne ich als eine Situation. (S-LGK 12)

混沌: konton, hundun

Im Namen des "Ungeschiedenen" (Hundun) entspricht in beiden Schriftvarianten 渾沌/混沌 dem Undifferenziert-Chaotischen das Sinnelement "Wasser". (GL-RB 16)

道: dou, dào

Das ontologische dao lässt sich nicht auf den Ordnungsbegriff reduzieren, denn es umfasst Chaos und Ordnung gleichermaßen. (GR-AL 396f)

das dao als Individuationsakt, Individuationsinitiator und Individuationsordnung (GR-AL 407)

dào nimmt schon in vorchristlicher Zeit abstraktere Bedeutung an und bezeichnet dann jene namenlose Kraft, den chaotisch-mannigfaltigen Weltengrund, aus dem alles hervorgeht, in den alles zurückkehrt (guî 歸, Rückkehr/Heimkehr). In anderen Kontexten steht dào bis heute für Kunst, Methode, Prinzip. Auch dann ist das Weghafte, ja Fließende der ursprünglichen Wortbedeutung nie ganz verlorengegangen. (GL-RB 83)

Die mythischen Motive - Wandlung, Differenzierung, Chaos, Mitte, das Geschehen von-selbst - formen sich in den Jahrhunderten vor Christus unter der Hand der Philosophen zur folgenreichen Denkfigur des dào 道, Urzustand primärer Weltentstehung und fortdauernder Grund einer sich ununterbrochen vollziehenden Kosmogonie. Aus diesem einen ( 一) dào kommt die Vielfalt der Welt hervor, und alles kehrt zu seiner Zeit entdifferenziert dahin zurück. Alles Sein "wurzelt" (gên 根) im dào, auch das "geringste" Wesen und Ding ( 物): die Ameise, das Unkraut, der Ziegelstein, der Misthaufen oder Kot. (GL-RB 16)

Das dào bringt das Eine hervor;
das Eine die Zwei und die Zwei die Drei.
Die Dreizahl bringt die Zehntausend Wesen
und Dinge (wàn-wù 萬物) hervor:
Die Zehntausend Wesen und Dinge -
getragen vom yîn, umhüllt vom yáng,

geeinigt vom durchdringenden .
(Zit.n.: GL-RB 18)

Insgesamt betrachtet, gewann die chinesische Philosophie mit dem dao einen Begriff, dessen Erfahrungswert zwar schon in der Bezeichnung hundun angelegt war, bereicherte diesen aber um den ordnenden eingerenzenden Aspekt in einer so ausgewogenen Balance, dass diese zum ontologischen Prinzip wurde. Die sich im dao-Begriff zeigende Erfahrung ist nicht die einer absoluten chaotischen Mannigfaltigkeit, sondern in ihr wird das Sein auch als zusamengespannt und eingegrenzt wahrgenommen. Es besitzt eine zeitlose Entschiedenheit, die es von den hundun oder chaos-Vorstellungen unterscheidet. (GR-AL 386)

Der Zustand einer chaotischen Einheit, die bestand, noch bevor die einzelnen Dinge sich aus ihr abhoben, ist ein wesentlicher Aspekt des dao, den Charles Wei-hsun Fu als "ontological primordiality" bezeichnete (...). Die Zusammengehörigkeit von Form und Formlosigkeit deutet allerdings darauf hin, dass das dao nicht nur als chaotischer Zustand, sondern auch noch unter einem weiteren Bedeutungsaspekt betrachtet wurde. Das Bild einer Form oder Gestalt, die das Undifferenzierte (hundun) umgrenzt, zeigt, dass das dao auch einen formenden, richtungsweisenden und eingrenzenden Charakter hat. Beide, chaotischer und eingrenzender Aspekt treffen sich in der Erfahrung des dao, in der sie zu einer Einheit verschmolzen sind. (GR-AL 382)

From the foregoing, we can see, that the state of pure experience means a state in which the individual is one with the universe. Pure experience is the experience in which we have no intellectual knowledge, in which we accept the immediate presentation. (Fung Yu-Lan 1952, 239. Zit.n.: GR-AL 393)

Diese besondere Position des dao, das zwischen wu, dem Nicht-(Bestimmt-)Seienden und you, dem (Bestimmt-)Seienden steht, stimmt mit der des parmenideischen to eon überein. Das einfach Seiende (eon), die Dinge, zählte für Parmenides zur doxa, und über das Nicht-Seiende (me-eon) konnte keine Aussage gemacht werden. (GR-AL 394)

Siehe: Binnendifussion und Abgehobenheit der Situation

無: mu, wù

Die früh-sinitische Aussprache war etwa myag. Damals stand es für viele (40) Leute im Wald.

無 als Piktogramm
  • Etymologisch: Eine Figur die tanzt und deren Arme mit Umhängen (Tierhäuten) bedeckt sind. Abgekürzt auch die Bedeutung die Unfähigkeit durch dichten Raum zu sehen.
  • "It shows a dancing figure with long sleeves that conceal the arms. To an abbreviated form of this character was eventually appended 火 fire, suggesting the inability to see through dense smoke." (Free Online Kanji Etymology Dictionary )

Das alte Piktogramm, ein "tanzender Mensch mit Federn in der Hand", zeigt den Schamanen, der in ekstatischer Bewegung Zugang sucht zum numinosen Grund der Welt. In verbaler Funktion bedeutet "nicht [differenziert] vorhanden sein" im Gegensatz zu you 有 "[differenziert vorhanden sein]". Damit ist der Unterschied zwischen differenzierter (yôu) und undifferenziertem dào (wù) begrifflich erfasst. (GL-RB 17)

Japanisch: 無 (mu)
  • "Nichts (Einzelnes)", siehe Nichts, bzw. "Nichts" als Situation
  • Als verwirrende Antwort (weder Ja noch Nein) auf eine Frage, z.B. auf einen Koan, mit folgender Bedeutung: "Diese Frage entspringt einem dualistischen Geist, ergibt in Wirklichkeit keinen Sinn (bzw. ist somit falsch gestellt) und kann daher sinnvollerweise nicht mit ja oder nein beantwortet werden." (Wikipedia)
Chinesisch: 無 (wù): Leere als undifferenzierte Fülle

Das daoistische wu

  • kennt keine Grenzen (absolut indefinit)
  • und hat keinen Namen (wu-ming als namenlos)

Leere ist dann nicht "Nichts", sondern nur "nicht differenziert", d.h. leer von Bestimmungen, leer von Identität und Verschiedenheit! Leere als undifferenzierte Fülle ist demnach unbegrenzte Wirkkraft, unbegrenzte Möglichkeit. (GL-RB 16f)

Dreißig Speichen hat ein Rad und die allen gemeinsame Nabe.
Wo die Leere ist ( 無), liegt der Gebrauch des Wagens.
Aus Ton entsteht ein Gefäß.
Wo die Leere ist ( 無), liegt der Gebrauch des Gefäßes.
Man bohrt Türen, Fenster und schafft Raum.

Wo die Leere ist ( 無), liegt der Gebrauch des Raumes.
(11.Vers des Daodejing, Zit.n.: GL-RB 17)

Bei der Übersetzung des Begriffs wu mit "das Nichts", "nicht-seiend", "leer-seiend" oder "die Leere" muss immer berücksichtigt werden, dass nicht die demokritische Abstraktion gemeint ist, die keine Basis mehr in der leiblichen Erfahrung hat. Deshalb empfiehlt es sich, den Begriff wu klarer mit "das Unbestimmte" im Sinne eines absolut chaotisch Mannigfaltigen zu übersetzen. Dementsprechend bedeutet wu-wei nicht einfach "Nicht-tun", sondern fast das Gegenteil: "Unbestimmtes-tun". (GR-AL 388f)

Als gedankliches Substrat des Begriffs 'wu' ist offenbar der Zustand des Noch-Nicht-Seins oder Nicht-Mehr-Seins wie auch der Prozess, durch welchen dieser Zustand hervorgerufen wurde, zu verstehen. (Schwarz 1992, S. 21. Zit.n.: GR-AL 388)

Das wu ist der Zustand des namen-, gestalt- und unterschiedslosen Seins, der Urzustand der Verschmelzung, das absolute chaotische Mannigfaltige. Dieses "Nichts" gilt nur als Untergrund, eine Art apeiron, aus dem "das Eine" hervorgeht. Und es ist das "Eine", das dao, das sich selbst und die zehntausend Dinge (you) aus diesem Ungestalteten individuiert. (GR-AL 404)

Dazu Woo: "Was von allen Beschränkungen befreit ist, ist das Wu, die höchste Form, frei von allen Bestimmtheiten." (Woo 1969, 39) In diesem Sinne ist die Parallele, die Woo zum apeiron des Anaximander führte, nicht ganz abwegig: "Das Wu, welches dem anaximandrischen apeiron entspricht, ist der ursprüngliche Zustand des Tao, welcher sich noch nicht in seiner reinen Form ohne irgendeine Beschränkung befindet. Demgegenüber ist das Yu in seiner Beschränktheit in der konkreten Welt in Erscheinung getreten. Das Wu ist ontologisch früher als das Yu." (Woo 1969, 40) (GR-AL 388f Fußnote 838)

虚空 kokû: Leere

Leere nimmt Dinge auf. (Kenkô 250 aus: RE-PhgW 356)

Das erste Wort im Zitat ist "Leere" (虚空 kokû). Dieses vor allem im Buddhismus, aber auch im Daoismus hochgradig beziehungsreiche Wort weist auf eine Ebene, in der die einfache Ich-Vorstellung durchbrochen ist und sich das Handeln nicht mehr ausgehend von einem ich-zentrierten Aktivitätsmuster vollzieht. (RE-PhgW 356)

天: ten, tiân

Das Wortzeichen tiân 天 für sich allein ist entweder mit "Himmel" oder mit "Natur" zu übersetzen. Selbst anthropomorph als Himmelsmacht gedacht, ist sie kein transzendenter Schöpfergott, greift aber lohnend und strafend in den Lauf der Welt ein. Als "Natur" steht tiân für jene numinose Wirkkraft, die von selbst geschieht. Die Nähe zum dáo ist unverkennbar. Beide sind der Welt immanent, fern jeder Metaphysik. (GL-RB 19)

宇宙: uchuu, yû-zhóu

So impliziert yû-zhóu in dieser Definition die "Fülle in der Leere", in der noch nichts geschieden ist. Auch Raum und Zeit nicht - geschweige denn, dass einzelne Raum- oder Zeitstellen auszumachen sind. "Verweilende Weite" ist schlichte Gegenwart, die sich vom täglich erlebten Fluss der Zeit unterscheidet. (GL-RB 81)

Prägnante Geschlossenheit

Chaotische Mannigfaltigkeit steht der prägnanten Geschlossenheit des Eindrucks aber keineswegs im Wege. (S-LGK 12)

Wissenschaft ist der Versuch, der chaotischen Mannigfaltigkeit der Sinneserlebnisse ein logisch einheitliches gedankliches System zuzuordnen. In diesem System sollen die einzelnen Erlebnisse derart ihr gedanklich-theoretisches Korrelat finden, dass die Zuordnung eindeutig und überzeugend erscheint. Sinnen-Erlebnisse finden wir vor. Sie sind das unverrückbar Gegebene. Das Gedankliche aber, was uns zu dessen Erfassung dient, ist Menschenwerk, Ergebnis eines äußerst mühevollen Anpassungsprozesses, hypothetisch, niemals völlig gesichert, stets gefährdet und in Frage gestellt. (Albert Einstein, Das Fundament der Physik, 1940, 16, 1-135 S. 1)

Mangel an Einzelheit

  • nicht nur (eventuell gar nichts) Einzelnes ist enthalten, Mangel an Einzelheit
  • Nichts (Einzelnes)

Primär ist chaotische Mannigfaltigkeit (...) und Individuation, wodurch etwas einzeln ist, muss ihr erst abgewonnen werden, als etwas, das sich ereignet. (S-Hegels Logik 55)

[1]

Beziehungslosigkeit

[D]ie Inhalte eines chaotisch Mannigfaltigen sind im buchstäblichen, privativen Sinn unzählig oder zahllos. Daher sind sie auch unfähig, in Beziehungen einzutreten. Beziehungen setzen Zahlen voraus, sowohl für ihrer Stellenzahl als auch für die Anzahl der Beteiligten;... (S-KGM 80)

Siehe: Beziehung

Typen

Erst 2003 und mit größerer Festigkeit 2005 habe ich herausgestellt, dass es zwei wesentlich verschiedene Typen des chaotischen Mannigfaltigen gibt, das konfuse und das diffuse, ... (S-KGM 78)

Diffuse Mannigfaltigkeit Konfuse Mannigfaltigkeit
Einzelheit - -
Identität und Verschiedenheit + -
Spältige Mannigfaltigkeit

Als dessen Prototyp habe ich die Husserl'sche Puppe vorgestellt. Damen und Puppe konkurrieren in der Erscheinung um Identität mit einem Zwittergebilde, das mit ihnen um Identität konkurriert, ob es Dame oder Puppe ist. Diese Drei sind in der Erscheinung durch Konkurrenz unzertrennlich. ... Unauflöslich ist dieselbe Struktur in anderer Realisierung im Sein jedes Menschen, überhaupt jedes lernenden Wesens, als Zwiespalt zwischen ihm und seinen sukzessiven Phasenmenschen; jeder solche Mensch, auch jeder Mathematiker und Logiker, ist ein vielspältiger Komplex. (S-KGM 133)

Die Husserl'sche Puppe ist als Erscheinung weder Dame noch Puppe, sondern beide sind zwiespältig vermengt; im Fall der oberflächlichen Antinomien sind die antinomischen These beide falsch, während sie im Fall der radikalen Antinomien wie Damen- und Puppenerscheinung in Husserls Fall unzertrennlich in der Schwebe bleiben, ohne Wahrheitsbewertung. Diese Übereinstimmung weist darauf hin, dass es sich bei den Objekten der Antinomien um spältiges Mannigfaltiges handelt. (S-GKM 133f)

Diffuse Mannigfaltigkeit

Die individuelle Eigenart soll sich entfalten können, aber straff eingebunden in das sie umschließende Ganze. (S-DWdeP1 346, über Plotins Vieleinigkeit)

Sprachliche Kompetenzen

Sprache für einen kompetenten Sprecher. Der Vorrat an Regeln und Rezepten besitzt schon genügend Verschiedenheit (also auch Identität), um eine treffende Auswahl zu gestatten. Zur Einzelheit können die verfügbaren Sätze beim Hineingreifen aber noch nicht gediehen sein, denn als einzelner kann ein Satz nur gefunden werden, wenn man ihn (eventuell verkürzt) ausspricht oder eher noch - schon ausgesprochen hat. (S-DWdeP II, 472f)

Motorische Kompetenzen

Geführte Gliederbewegung, z.B. beim Gehen, Laufen, Springen, Tanzen. Die eigenen Glieder können nur koordiniert werden, wenn man sie nicht verwechselt, aber sobald sie als einzelne vorkommen, ist es mit der flüssigen Bewegung vorbei. (S-DWdeP II, 472f)

Alles unwillkürlichen motorischen Kompetenzen sind diffus chaotisch-mannigfaltige Situationen, z.B. die Kompetenz zum Kauen fester Nahrung, die sich als mit absoluter Identität und Verschiedenheit vertraut dadurch erweist, dass die eigene Zunge nicht mit zerkaut wird. (S-DRdN 239f)

Gute Beispiele sind alle routinierten, oft unwillkürlichen ablaufenden motorischen Verrichtungen, z.B. das glatte Kauen fester Nahrung; dass der Kauer (Mensch oder Tier) mit der absoluten Identität seiner Zunge und deren Verschiedenheit von der Nahrung vertraut ist, beweist er, indem er jene nicht mit dieser zerkaut, aber Einzelnes wird dabei nur selten, und wohl auch nur dem Menschen, auffällig, wenn sich z.B. ein Bissen als zäh erweist. Das Entsprechende gilt für alle vergleichbaren motorischen Funktionen, z.B. Gehen, Laufen, Springen, Greifen, Bitten, Locken, Grüßen, Drohen, Tanzen, Klavierspielen, Motorradfahren. Alle zugehörigen Abläufe bedürfen fein auf einandern abgestimmter Ordnungen, wenn sie nicht in Apraxie entgleisen sollen, aber die vor Verwechslungen geschützte Sicherheit des Ausübens der betreffenden Fähigkeiten darf sich nicht Schritt für Schritt ins Einzelne verzetteln, weil sie dann ihre Flüssigkeit verlöre und schnell ins Stocken käme. (S-KGM 79f)

Konfuse Mannigfaltigkeit

Beispiel:

  • das räumliche oder zeitliche Kontinuum, z.B. eine durchdöste Frist, in der sich viele Phasen flüssig überschneiden, ohne dass sich eine Spur von Verschiedenheit abzeichnete
  • erlebt als Schwimmer im Wasser
  • Persönlichkeit
Gedanken

Bei den Gedanken meine ich die reichhaltigen Bewusstheiten im Sinne der Würzburger denkpsychologischen Schule aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts; ich denke an das Aufleuchten eines reichhaltigen Gedankens, Einfalls oder Themas mit ungesicherter Inhaltsfülle, an das, was dem Redner vorschwebt, wenn er schon weiß, was er sagen will, ohne es durchdacht und vorformuliert zu haben, an das Hintergrundwissen, mit dem der Könner an eine schwierige Aufgabe herantritt, an die noch unausgewickelte Konzeption, die dem Dichter, aber nach Kant auch dem genialen Wissenschaftler, der seine Intention noch nicht ganz klar gemacht hat, vorschwebt, ferner aber auch an den Hof der Andeutungen von Bedeutungen (Sachverhalten, Programmen, Problemen), der dem sensiblen Leser durch ein lyrisches Gedicht oder sonstiges Poem über das registrierbar Gesagte mitgeliefert wird. (S-KGM 78)

Kontinuum

Für konfus chaotische Mannigfaltigkeit im Kontinuum ist besonders bezeichnend eine im Dösen oder Dahindämmern verbrachte Frist. In Goethes Roman Wilhelm Meisters Wanderjahre (3. Buch, 17. Kapitel) schreibt Hersilie an Wilhelm: "Ich saß denkend und wüsste nicht zu sagen, was ich dachte. Ein denkendes Nichtsdenken wandelt mich aber manchmal an, es ist eine Art von empfundener Gleichgültigkeit." Das ist kein gedankenloser Stumpfsinn, sondern ein Denken, dem sich sein Gedachtes in undurchdringliche konfuse Mannigfaltigkeit entzieht. Hierhin gehören auch auch räumliche Ganzfelder wie das Dunkel der Nacht, der unbewölkte Himmel und das Wasser für den Schwimmer, der sich gegen den Widerstand einer formlosen Masse vorwärts kämpft oder von ihr tragen lässt. (S-KGM 79)

Eigene Persönlichkeit

Die eigene Persönlichkeit präsentiert sich dem Menschen als konfuses Mannigfaltiges, z.B. bei schwierigen Lebensentscheidungen, wenn er angesichts einer Alternative zunächst nicht weiß, was er will. Dann schlägt er sich mit Für und Wider lange herum, als ob ein rationales Abwägen von Gründe weiterhülfe, aber eigentlich handelt es sich dabei um ein Kneten der eigenen zuständlichen persönlichen Situation (vulgo: "Persönlichkeit") mit ihren nicht leicht entzifferbaren Zu- und Abneigungen, bis sie zu erkennen gibt, was angesichts der Alternative zu ihr (und damit zu ihm) passt; dann ist die Entscheidung gefallen, und das Räsonnieren wird ruckartig abgebrochen. (S-KGM 79)

Die Mannigfaltigkeit der Person ist multivalent. (S-SG-114)

Siehe die Explikation der eigenen Persönlichkeit in personale und transpersonale Selbst-Anteile (Multiplizität des Selbst)