Leib

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Deutsch: Leib, topischer Körper | Englisch: living body, topic body | Japanisch: 身 (mi)

Leiblich ist, was jemand in der Gegend (nicht immer in den Grenzen) seines Körpers von sich selbst, als zu sich selbst gehörig, spüren kann, ohne sich der fünf Sinne, namentlich des Sehens und Tastens, und des aus deren Erfahrungen gewonnenen perzeptiven Körperschemas (der habituellen Vorstellung vom eigenen Körper) zu bedienen. (S-KE 35)

Die Entdeckung des Geistes ist die Verdeckung des Leibes. (S-II1 441)

Leib ist die ausgedehnte, raumerfüllende Subjektivität. (Vgl: F-LRP 99)

Herkunft

Der Begriff ‚Leib’ leitet sich von ‚lîp’ ab und betont in seiner ursprünglichen Bedeutung von ‚Leben’ den kreativ-schöpferischen Aspekt der menschlichen Existenz.

Leibraum

Der Leibraum zeichnet sich durch Voluminosität, absolute Örtlichkeit und Meinhaftigkeit aus:

  1. Voluminosität: Leibliche Empfindungen wie Schmerz, Hunger, Völlegefühl oder Müdigkeit sind spürbar ausgedehnt, erfüllen einen Raum oder strahlen aus.
  2. Absolute Örtlichkeit:
    1. Absolute Örtlichkeit der Leibesinseln: Der Kopfschmerz setzt sich nicht zusammen aus einem nichtlokalisierten Schmerzempfindung und einer Vorstellung von deren Ursprung. Vielmehr ist dem Schmerz seine Örtlichkeit inhärent, als unabweisbar gespürtes "Hier".
    2. Absolute Örtlichkeit des ganzen Leibes: Der Leib als ganzer muss absolute Örtlichkeit besitzen, denn wo ich z.B. Müdigkeit empfinde, ist nicht primär durch Bezug zu einem anderen, äußeren Orientierungspunkt bestimmt.
  3. Meinhaftigkeit: Leibliche Empfindungen werden unmittelbar als "zu mir gehörig" oder "meinhaft" erlebt. Schmerz, Hunger oder Durst usw. nehme ich nicht distanziert wahr wie die Warnblinkanlage oder Tankanzeige meines Wagens. (Vgl: F-LRP 98)

Körper und Leib

  • Leib: Natur, die wir sind. Die eigene Natur, insofern sie in Selbsterfahrung gegeben ist.
  • Körper: Natur, die wir haben. Die eigene Natur, insofern sie in Fremderfahrung gegeben ist.

Selbsterfahrung muss jedoch erst wieder in besonderen Übungen aufgesucht werden, um dann ein Bewusstsein seiner selbst aufbauen zu können, das auf „betroffener Selbstgegebenheit“ (Böhme) basiere.

Der Leib ist etwas anderes als der Körper. Und ganz im Hintergrund wissen wir das eigentlich:

  • Zum Beispiel sagen wir, da habe einer "aus Leibeskräften" geschriehen, die Formulierung "aus Körperkräften" ergäbe keinen Sinn.
  • Auch das Verbot, nicht mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, beruht auf dem Wissen vom Leib und davon, dass diese "aufspießende" Geste in ihrer Wirkung weit über den Körper hinausreicht.
  • Jedes Kind kennt die Macht des Blickes, wenn es von Wut oder Ekel oder Angst im Blick der Mutter getroffen wird.

Hand-Experiment:

  • Heben Sie die Hand, die Finger locker geöffnet, und konzentrieren Sie sich darauf, diese Hand zu spüren. Was nehmen Sie in der "Gegend" der Hand wahr?
  • Dann pusten Sie kurz gegen die Hand, und nehmen Sie wahr, was sich verändert.
  • Erst durch das Pusten nimmt man eine Fläche wahr. Der spürbare Leib kennt noch keine Flächen, sondern nur diffus ausgedehnte Leibesinseln.

Beispiele:

  • Klavierlernen: Vom Suchen der Abständen zwischen den Tasten bis hin zum Spielen.
  • Verunsicherter Tennisspieler, der sich auf seine Abstandsverhältnisse besinnt, und die Aufschläge vergibt.

Der spürbare Leib kennt keine messbaren und damit umkehrbaren Abstände, sondern nur Weite bzw. Enge und leibliche Richtungen, die vom eigenen absoluten Ort nach außen gehen.

Über den Leib spüren wir leibliche Regungen und Gefühle.

Leib als transparentes Medium und "blinder Fleck"

Was immer wir auch explizit planen oder bewusst tun - wie leben aus einem verborgenen, leiblichen Grund heraus, den wir nie ganz von uns selbst zu bringen vermögen. Und dieser Grund geht ein in alles Wahrnehmen, Denken, Tun, insofern es eines Mediums bedarf, durch das es sich vollzieht, und das selbst transparent bleibt. Der fungierende Leib ist dieses Medium: Er ist als sehender unsichtbar, als tastender untastbar, ein latenter "blinder Fleck", der das Fungieren im Dunkel lässt. (F-LuL 288)

Wirkungen des Leibes auf den Körper

  • autogenes Training
  • suggestive und hypnotische Einwirkungen
  • Stigmatisierungen

Leibphilosophie

Die Leibphilosophie ... ist mittlerweile ein wohletabliertes philosophisches Feld. Mit der Thematisierung des menschlichen Leibes steht man heute in keiner Weise am Anfang. (B-Ethik 119)

Übersicht:

Leiberleben Körpererleben
Straus pathisch-präsent gnostisch-distantisch
Buytendijk Ausdruck Handlung
Schmitz Weite- und Richtungsraum Ortsraum

Leibliche Begriffe