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Synonym: Freundschaftslinie (Vgl.: WH-RL 118)
  
 
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Version vom 23. November 2013, 15:13 Uhr

Siehe auch: Abgrenzung

Synonym: Freundschaftslinie (Vgl.: WH-RL 118)

Skizze

Kopfherzhand.png

Grenze als Thema der Wissenschaft

Typen der Grenzen

Leiblich-Personale Grenzen

  • Grenze der Persönlichkeit
    • Ich-Grenze (Nick Blaser)
  • Grenze des Leibes

Körperliche Grenzen

  • Körper-Grenze
  • Zellgrenze

Grenze der persönlichen Eigenwelt

Siehe: Persönliche Eigenwelt

Ich-Grenze

Zunächst ist die Unterscheidung von Ich und Nicht-Ich sicher einer der wichtigsten Vorgänge in unserem Seelenleben. Wie wir gesehen haben, versucht Freud diese Unterscheidungsprozesse zumindest in der ersten Lebensphase auf das Wirken des "Lustprinzips" zurückzuführen: Was gut für mich ist, gehört zu mir; was schlecht für mich ist, muss "draußen" bleiben oder hinausprojiziert werden. Melanie Klein betont die Abwehr der frühkindlichen Ängste: Was mich im eigenen Inneren bedroht, verlege ich in meiner Wahrnehmung als Bedrohung nach außen; was außen "gut" ist, hole ich zu meiner eigenen Beruhigung in mich herein. (TB-AOC 129)

Verletzung des "psychischen Immunsystems" als einen Verlust der Unterscheidungsfähigkeit von Eigenem und Fremden. (Vgl.: TB-AOC 139)

Grenze zwischen Innen- und Außenwelt

Das Innenweltdogma konstruiert zwischen der Außenwelt und dem Erleben des Menschen eine Mauer oder Membran, die von außen durch afferente, innen empfangene Signale (auf dem Weg über Sinnesorgane) und von innen durch korrespondierende, meist erwidernde Efferenzen durchbrochen werden muss. Diese Mauer fällt in meiner Sicht; ... (S-H 153)

Umfriedung für das Wohnen

Zur Selbstbehauptung des Menschen gehört nicht nur die Auseinandersetzung mit der Natur und mit seinesgleichen, sondern auch die Leistung, sich mit Gefühlen zu arrangieren und im Konzert dieser abgründig ergreifenden Atmosphären so einzurichten, dass er ihnen nicht hilflos ausgeliefert ist. Von größter Bedeutung für diesen Erfolg ist die Fähigkeit, Grenzen im Raum zu ziehen und dadurch eine Umfriedung für das Wohnen zu schaffen. (S-H 139)

Grenzfunktionen

Die Form als Manifestation der Grenze ist ein wesentlicher Index der Lebendigkeit. (P-Stufen XXIII)

  • Grenze ermöglicht die Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremden, Autonomie
  • Grenze ermöglicht relative Vertrautheit im Inneren, z.B. durch die Umfriedung beim Wohnen.
  • Grenze trennt und kann damit erst beide Seiten verbinden: Kontakt
  • Grenze ermöglicht Austausch: Transformation

Siehe: Abgrenzung, Entgrenzung, Topische Bipolarität

Grenze als Kontur des Lebendigen

Ohne Kontur gäbe es keine Wirklichkeit; die Dinge würden sich im Nebel auflösen. Die Kontur gibt dem Geschehen Deutlichkeit und Biss, legt es aber nicht starr fest. Wenn es gelingt, den starren, körperlichen Panzer aufzuweichen, ohne ihn zu zerbröseln, so kann er sich in eine Leibkontur verwandeln.

Eine Kontur wahrnehmen heißt vor allem: den Dingen eine Bedeutsamkeit geben. Bedeutsamkeit kann eine Erfahrung für uns nur dann erlangen, wenn wir sie von anderen Erfahrungen unterscheiden können. Eine Annäherung an das Lebendige gelingt, indem wir unterscheiden lernen, ohne das Lebendige zu zerlegen, zu analysieren oder auseinander zu trennen. (GE-WHe 262)

Diskontinuität ermöglicht Autonomie, Freiheit

  • Steigerung der Diskontinuität bei: Pflanze, Tier, Mensch
  • Grenze ermöglicht lebensnotwendige Distanz.

Die Heiligung beginnt damit, dass aus dem Ganzen des Raumes ein bestimmtes Gebiet herausgelöst, von anderen Gebieten unterschieden und gewissermaßen religiös umfriedet und umhegt wird. (C-3, 117)

Grenze schafft einen Innenraum, der sich von der Umgebung unterscheiden kann. Das ist die Voraussetzung für Individualität und Autonomie. (Vgl: Langlotz, PdS 2010/2 75)

Denn Lebewesen setzen sich als autopoietische Systeme von ihrer Umgebung ebenso ab wie sie zu ihr in Wechselbeziehung stehen. Ihre Grenzen erzeugen damit eine grundlegende Diskontinuität von Innen und Außen: An ihnen "bricht" sich die physikalische Kausalität und kann sich nicht linear innerhalb des Organismus fortsetzen. Vielmehr erzeugen Lebewesen aufgrund ihrer inneren Struktur selbst erst den Ausschnitt der Umgebung, der für sie als Umwelt bedeutsam und wirksam wird. An die Stelle linearer Kausalität tritt die spezifische Verknüpfung von Reiz und Reaktion, von Wahrnehmung und Antwort. Lebewesen werden daher nicht von physikalischen Einwirkungen aus der Umgebung determiniert, sondern sie antworten auf wahrgenommene Reize aus ihrem Zentrum heraus, durch eine Rekonfiguration ihres Gesamtsystems. (F-DG 129)

Die Zeiten, da Psychotherapie vor allem die Aufgabe hatte, Menschen von einem rigiden Über-Ich zu befreien, das überall Warnschilder und Grenzen spüren ließ, sie in ihrem Antriebsleben hemmte und jedes eigenwillige Handeln und autonome Fühlen mit Straf- und Liebesverlustängsten belegte, sind in unserem Kulturraum längst vorbei. Gegenwärtig leiden Menschen vor allem unter der psychischen Not, über keine Grenzen signalisierende, kritische und Orientierung gebende innere Strukturen zu verfügen. Deshalb fehlen ihnen auch die dazu gehörenden emotionalen Kräfte, sich für etwas zu interessieren, zu wissen, was sie wollen, konzentriert, engagiert, Feuer und Flamme sein zu können, sich aggressiv oder traurig zu fühlen. (RF-DeM 224)

Umfriedung ermöglicht Verfügbarkeit

Das leistet die Umfriedung, die den Gefühlen nicht ihre Abgründigkeit und uferlose Ergossenheit nehmen kann, aber sie in einem abgeschlossenen, umfriedeten Raum so sammelt, dass der Mensch wenigstens innerhalb des umgrenzten Bezirks, in dem sie freilich nicht ganz aufgehen, sich unter ihnen zurechtfinden und in gewissem Grade über sie verfügen kann. (S-III4 213)

Solches Verfügen über Atmosphärisches bezeichne ich, sofern ihm durch eine Umfriedung ein Spielraum gewährt wird, als Wohnen im allgemeinsten Sinn. (S-III4 213)

Das Verfügen ist keine Selbstbemächtigung.

Grenze ermöglicht Immunreaktionen

Nur wenn es eine Zellgrenze gibt, und damit auch ein klares Außen, kann die Zelle auch auf eine äußere Bedrohung durch innere Mobilisierung reagieren.

Wir leben jedoch in einem postimmunologischen Zeitalter, in dem das Gleiche und nicht das Fremde herrscht, der Entgrenzung.

Grenze als Terminus

Terminus (lat. „Grenze“ und „Grenzstein“) ist in der römischen Mythologie der Gott der Grenzsteine.

Kontakt ermöglicht Nähe, Bindung

Steigerung? bei: Pflanze (Symbiose), Tier, Mensch

Probleme, die in Beziehungen auftreten und den Beteiligten das Leben schwer machen, haben damit zu tun, dass die Beziehungspartner es schwer haben, Grenzen zu finden: Ihre eigenen Grenzen sowie die der anderen. Wenn Grenzen nicht gefunden und eingehalten werden, entsteht kein befriedigender Kontakt: Das gilt sowohl für Kinder, Paare wie auch für die "große" politische Welt. Aus der Unsicherheit über Grenzen können Missbrauch, Vergewaltigungen und Kriege entstehen. (Thea Bauriedl: Leben in Beziehungen. Klappentext)

Mit seiner geschlossenen Form grenzt sich der Organismus des Tieres vom Umraum ab, nimmt aber gleichzeitig, seine Grenzen wieder überschreitend, aktiv auf seine Umgebung Bezug. Seine peripheren Organe und Grenzflächen dienen dem fortwährenden Austausch und der Kommunikation mit der Umwelt, sei es durch den stofflichen Metabolismus, sei es durch den Funktionskreis von Wahrnehmung und Bewegung. Der Kreis wird vermittelt durch gesonderte Rezeptor- und Effektorgane, die ihrerseits durch ein nervöses Zentralorgan verknüpft sind. Diese Organisation des Tieres steht in komplementärer Beziehung zu seiner artspezifischen Umwelt: Es wählt aus der physischen Umgebung die geeigneten Bestandteile aus und verleiht ihnen die Bedeutung von "Reizen", von Objekten der Wahrnehmung, dies Interesses und der Aktion. (F-DG 119f)

Semipermeabilität ermöglicht Austausch, Transformation

Die Grenzen als Kompartimentierung sind sogar ein notwendiger Bestandteil jeder lebendigen Form, doch sind die Grenzen nicht undurchlässig. Elementare Lebensprozesse wie der Metabolismus erfordern geradezu Durchlässigkeit. (FV-OW 251)

Das japanische Individuum sei - sozial und physisch - durchlässig für seine Umgebung - aber nur in dem Maße, in dem diese Umgebung gegliedert ist und sich den Japanern als Realität anbietet. (PH-DPJ 11)

Siehe: Transformation

Scharfe oder unscharfe Grenze

Die Frage, wo es eine scharf umrissene und wo es eine unscharfe oder kaum erkennbare Grenze gibt, ist nicht einfach zu entscheiden. Siehe auch: Punkt

Scharfe Grenze Unscharfe Grenze
Personaler Raum Leiblicher Raum

Scharfe Grenze

Eine scharfe Grenze ermöglicht es, von Innen und Außen zu unterscheiden.

Flächige Grenzen

Siehe: Objektivität, Grenze in Aufstellungen (Grenzritual mit dem Schal oder Paravent)

Körpergrenze

Hier sind zwei Fälle möglich:

  1. Entweder bildet die Grenze nur das virtuelle Zwischen dem Körper und dem anstoßenden Medium. Dann kann die Konturierung noch so scharf sein, eine Grenze hat er nicht oder nur in dem äußerlichen Sinn, dass er da und dort aufhört und zu Ende ist.
  2. Oder aber, im anderen Falle, gehört die Grenze reell zum Körper, er ist gegen das angrenzende Medium und zu ihm abgesetzt, einerlei, wie scharf die Konturierung etwa durch Membranen oder andere Oberflächenbildungen gestaltet ist. Die Grenze ist nicht mehr ein virtuelles Zwischen, sondern eine den Bestand des Körpers gewährleistende Eigenschaft seiner selbst. (P-Stufen XX, 103f)

Grenze des personalen Raumes

Die Grenze wird in der systemischen Aufstellungsarbeit vorallem bei der systemischen Selbstintegration nach Ernst Robert Langlotz eingesetzt.

Unscharfe Grenze

Nicht überall hat die Grenze eine klare Trennschärfe. Manchmal sogar ist die Grenze nicht die primäre Erfahrung, wie z.B. im:

  • Leibraum

Unscharfe Grenze im Leibraum

Ein absolutes "Drinnen" und "Draußen" besteht also für die Wahrnehmung gar nicht. Zu einem besonderen, zu einem Innenraum wird der Leib nur durch die "Meinhaftigkeit" aller leiblicher Regungen und Empfindungen; ihr Fehlen erst macht das Wahrgenommene ... zum Anderen oder Äußeren, insofern es eben nicht "meinhaft" ist. (F-LRP 95)

"Innen" und "Außen", "Mein" und "Nicht-Mein" sind also nicht absolut voneinander geschieden, sondern durch mannigfaltige Kontakte, Übergänge, Bewegungen miteinander verbunden. Würde Innen und Außen nicht ineinander übergehen, sondern einander unvermittelt gegenüberstehen, könnten wir zum Erleben eines Äußeren gar nicht gelangen. (F-LRP 95)

Der Leib ist nicht "im Raum", sondern er verräumlicht sich fortwährend und erzeugt selbst seinen Raum. (F-LRP 91)

Beispiel: Die diffuse Wärmeempfindung etwa in der Badewanne geht fließend von meinem Leib in das umgebende Wasser über, und ich vermag ihr nicht an meiner gesehenen Körperoberfläche Einhalt gebieten. Atme ich Luft ein oder trinke ich eine Flüssigkeit, so vermag ich ebensowenig zu sagen, bis wohin sich noch "draußen", und ab wann sie "in mir" ist. Gleiches gilt für die Eingliederung von Instrumenten oder Vehikeln in die Leiblichkeit. (F-LRP 95f)

Eine Innenwelt-Außenwelt-Unterscheidung, die ihre Grenze etwa an der Haut hätte, gibt es in leiblicher Hinsicht nicht. (MU-DLGG 188)

Unscharfe Grenze in der Symbiose

Siehe: Symbiose, Grenzenlose Beziehung

Grenze und Trauma

Traumagrenze.png
Quelle: JP-IKVZ 58

Grenzarten

Persönliche Grenze als Ende der Kinesphäre

Die persönliche Grenze lässt sich bewegungsfunktional als Ende der Kinesphäre beschreiben. (BR-KusK 91)

In meiner Berufspraxis an einer Schule für emotionale und soziale Förderung zeigte sich immer wieder, dass Kindern die grenzüberschreitend sind, das physische Bewusstsein für ihre Kinesphäre fehlt. (BR-KusK 91)

Die Grenzerfahrung distal über die Haut durch Berührung und das Abdrücken sind wesentliche Mittel, um das Gefühl für den persönlichen Körper-Umraum zu etablieren. (BR-KusK 103)

Beispiele

Wer sich in einem numinosen Kreis befindet, ist aus seiner profanen Umwelt herausgelöst, seine Verbindung mit den numinosen Kräften, die ihn erfüllen, kann und darf nicht gestört werden. Die abgeschlossene Grenzlinie, in abstrahierter Form 'der Kreis', verkörpert so nach germanischer Auffassung die apotropäische Wirkung in reinster Form. (Ortwin Henssler, Formen des Asylrechts und ihre Verbreitung bei den Germanen, Frankfurt a.M., 1954, S. 61. Zit.n.: S-III4 218f)