Gesinnung

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Freiheit als Gesinnungsfreiheit

Die menschliche Freiheit ist Gesinnungsfreiheit; ihr Sitz ist die dem affektiven Betroffensein zugehörige Gesinnung. (S-DuG 376)

Menschliche Freiheit ist Gesinnungsfreiheit, denn der Mensch ist durch seine Gesinnung für seine Gesinnung sittlich verantwortlich. (S-F 70)

Wenn man das Spezifische der menschlichen Freiheit treffen will, muss man demnach sagen: Sie ist Gesinnungsfreiheit, nicht Willensfreiheit. (S-DuG 377)

Mit der Aufdeckung der Funktion der Gesinnung im affektiven Betroffensein ist der Nachweis einer Gestalt der Freiheit greifbar nahe gerückt. Dazu gehören unabhängige Initiative und Rechenschaftsfähigkeit. (S-F 70)

Gesinnung als unabhängige Initiative

Gesinnung als Sitz der unabhängigen Initiative (S-F 75)

Die Macht der unabhängigen Initiative des freien Menschen ... (S-F 77)

Nicht, was der Mensch sich vornimmt, sondern das, was er frisch im Augenblick als Gesinnung in sein affektives Betroffensein einsetzt, und damit die Art, wie er als affektiv Betroffener jeweils bei der Sache ist, gibt ihm kausale Macht aus eigener unabhängiger Initiative. (S-F 71)

Wo affektives Betroffensein ist, da ist auch Gesinnung, und deshalb muss man sie, und mit ihr auch die unabhängige Initiative, auch den Säuglingen und den Tieren zugestehen, nicht aber Freiheit und sittliche Verantwortung, denn dafür fehlt ihnen die Rechenschaftsfähigkeit. (S-F 74)

Optionale Rechenschaftsfähigkeit

Die Rechenschaftsfähigkeit für die Gesinnung kann Personen mit Fähigkeit zur Selbstzuschreibung nicht abgesprochen werden. Die unabhängige Initiative drohte zwischen Skylla (Determinismus) und Charybdis (Indeterminismus) zerschlagen oder zerrieben zu werden, denn der Determinismus hebt die Unabhängigkeit auf, der Indeterminismus aber die Initiative. (S-F 70)

Gesinnung und Subjektivität

Gesinnung, affektives Betroffensein und Bewussthaben sind Äquivalente, daher in gleicher Weise einfach. (S-DuG 358)

Jetzt hat sich gezeigt, dass die Subjektivität der subjektiven Tatsachen des affektiven Betroffenseins von der Gesinnung bewirkt wird. Sie selbst, bzw. ... die Tatsache, dass sie existiert und so und so beschaffen ist, ist selbst eine solche subjektive Tatsache. (S-F 69)

Von der Gesinnung hängt die Subjektivität für jemand und daher sogar dessen bloßes Vorkommen als Subjekt (Bewussthaber) ab, sie durchdringt und prägt daher alles, was ein Mensch ist, weit tiefer als die bloße Disposition, sich löblich zu verhalten, im Sinne des herkömmlichen Tugendbegriffs. (S-DuG 358)

Gesinnung als innerster Kern der Persönlichkeit

Die Gesinnung ist der innerste Kern der Persönlichkeit.

Im Allgemeinen ist die persönliche Situation beim modernen Menschen aber straffer zentriert, mit der Gesinnung als "innerstem Kern", ... (S-NGdE 191)

Daher ist meine Gesinnung das Intimste in mir, das, was am meisten ich ist und ich bleibt, auch wenn sie sich ändert. Sie dürfte im Allgemeinen ziemlich beharrlich sein, kann aber auch einem abrupten Wandel unterliegen. ... Die Gesinnung eines Menschen ist wie seine Stimme, die als Halbding mit Unterbrechungen dauert, immer neu und bei allen Wandlungen ihrer Gestalt dieselbe, solange ein charakteristischer Grundton (ein "Timbre") durchzuhören ist. (S-F 72)

Gesinnung als aktive Seite des affektiven Betroffenseins

Die aktive Seite des affektiven Betroffenseins, ... bezeichne ich als die Gesinnung. (S-F 69)

Gesinnung gehört zum affektiven Betroffensein, das auch den Tieren, Idioten und Babies eignet, die doch nicht frei im Sinne es Äquivalentes sittlicher Verantwortung sind. Was ihnen fehlt, ist die Zumutbarkeit des zu solcher Verantwortung gehörigen Wissens. Nach Entfaltung der Gegenwart ist dem personal emanzipierten Menschen, dem Erwachsenden und Erwachsenen, solches Wissen jedoch zumutbar. Daher kann nun der für Freiheit entscheidende Satz aufgestellt werden: Der (erwachsende und erwachsene) Mensch ist durch seine Gesinnung für seine Gesinnung sittlich verantwortlich. (S-DuG 376)

Affektives Betroffensein ist also von vorn herein nicht nur Geschehen und Geschehenlassen, sondern ebenso Stellungnahme, eigener Einsatz und Eingehen auf etwas. Diesen eigenen Einsatz im Betroffensein, wodurch Sachverhalte, Programme und Probleme für jemand subjektiv sind, bezeichne ich als dessen Gesinnung. Sie beschränkt sich keineswegs auf das unwillkürliche Betroffensein, sondern durchwächst alle Verzweigungen der Personalität und spielerische Identifizierung bis in die Spitzen der Besonnenheit, der abwägenden Überlegung, des Wählens; aber auch in diesen Hochformen ist die Gesinnung nur durch affektives Betroffensein gegenwärtig und ginge verloren, wenn die Brücke zur primitiven Gegenwart und Enge des Leibes, nämlich das labile Wechselspiel von personaler Emanzipation und personaler Regression, abgebrochen würde. (S-DuG 357)

Es ist vielmehr die Gesinnung, in der der Schmerz durchgemacht wird. Diese Gesinnung ist keine Disposition, sondern ein augenblicklicher Vollzug. Sie braucht nicht von Besinnung begleitet oder gar Ergebnis besonnenen Wählens zu sein, sondern kann sich spontan einschmelzen und in das Betroffensein – z.B. vom Schmerz – so eingehen, dass dieses ohne sie nicht einmal mehr (affektives) Betroffensein wäre. Damit ist die Gesinnung an ihrer Quelle im affektiven Betroffensein aufgedeckt. (S-DuG 356)

Tatsächlich hat er [der Bewussthaber] es aber von Anfang an, dank seines affektiven Betroffenseins, mit für ihn subjektiven Tatsachen zu tun, die er nicht bloß passiv registrieren kann, da sie als subjektive erst durch spontane Rezeption zu Stande kommen, durch die Initiative des Sich-einlassens auf etwas, das sie mit sich bringt oder nach sich zieht, im affektiven Betroffensein: die Gesinnung, die daher etwas wie Stifterin oder konstitutive Grundlage der Subjektivität für jemand und damit der für ihn subjektiven Sachverhalte (speziell Tatsachen), Programme und Probleme ist, ja seiner selbst, da es ihn als Subjekt (Bewussthaber) unter bloß objektiven Tatsachen nicht geben könnte. (S-DuG 375)

Selbstbewirkung der Gesinnung

Indem die Gesinnung für sich selbst hinreicht und sich selbst die Subjektivität bewirkt, bewirkt (verursacht) sie sich selbst als subjektive Tatsache. Der gesucht Fall von Selbstbewirkung (causa sui) ist damit gefunden. (S-F 70)

Freiheit und Wille

Der Unterschied, dass der Wille im Gegensatz zur Gesinnung die Freiheitsprobe nicht besteht, beruht darauf, dass er nach außen auf einen Erfolg gerichtet ist, mag dieser auch bloß ein eigenes Verhalten oder Unterlassen sein, das sich der Wollende für die nächste oder fernere Zukunft vornimmt. Die Gesinnung bezieht sich dagegen auf sich selbst, als Zündung der Subjektivität für jemand, die ihr eigenes Element ist wie das der übrigen Tatsachen von dessen Sosein, und hat daran eine Seite der Selbstbewirkung, die sie über die Alternative von Determinismus und Indeterminismus erhebt. Nicht, was der Mensch sich vornimmt, sondern das, was er frisch im Augenblick der Gesinnung in sein affektives Betroffensein einsetzt, und damit die Art, wie er als affektiv Betroffener jeweils bei der Sache ist, gibt ihm kausale Macht aus eigener Initiative: Das ist die Lehre, die auf Grund der Entdeckung der subjektiven Tatsachen und ihrer Verankerung in der Gesinnung der Entmutigung durch die Aporien des Determinismus und des Indeterminismus entgegengehalten werden kann. (S-DuG 379)

Alternative Begriffe

Funktionsqualität des Fühlens (Scheler)

Es sind vielmehr wechselnde Tatbestände, wenn ich 'jenen Schmerz leide', ihn 'ertrage', ihn 'dulde', ihn eventuell sogar 'genieße'. Was hier in der Funktionsqualität des Fühlens variiert (auch z.B. noch graduell variieren kann), ist sicher nicht der Schmerzzustand. (Max Scheler (1954): Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik. Bern. S. 270)