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  • Titel: Einführung in die systemische Phänomenologie
  • Autor: Thomas Latka
  • Veröffentlichung geplant 2018
  • Diese Inhalte sind eine Arbeitsversion und noch in keiner Form final

Einführung

Das Projekt Systemische Phänomenologie hat folgenden Fokus:

  • Neue Phänomenologie für systemische Therapeuten und Coaches
  • Klärung des Verhältnisses von Neuer Phänomenologie und Systemtheorie
  • Brückenschlag zwischen Phänomenologie und Konstruktivismus, und damit zwischen den konstruktivistischen und phänomenologischen Ansätze in systemischer Therapie und Beratung

Weder bei der Systemtheorie noch bei der Phänomenologie lässt sich von einem einheitlichen Ansatz sprechen, so beschränke ich mich auf die konkrete Aufgabe, die systemische Therapie- und Beratungsansätze mit der Neuen Phänomenologie von Hermann Schmitz zu konfrontieren um daraus eine systemische Phänomenologie zu entwickeln, die als Brückenglied gelten kann.

Ontologie

In der Ontologie geht es um die Frage, was ist. Dazu gibt es drei typische Antworten, die wie folgt unterschieden werden können:

Dingontologie Prozessontologie Situationsontologie
Aussage Es gibt einzelne Dinge, die verbunden sein können. Es gibt Prozesse, in denen Operationen verkettet sind. Es gibt Situationen, in denen sich Lebewesen befinden.
Metapher Menge, Netz Fluss, Kette Wolke, Acker
Vertreter Aristoteles, Leibniz, Kant Mach, Whitehead, Wittgenstein Plotin, Hegel, Dilthey, Heidegger, Schmitz

Dingontologie

Dingontologien (auch: Substanzontologien) gehen davon aus, dass die Welt aus

  1. lauter Dingen in Form von Festkörpern besteht,
  2. die Eigenschaften haben
  3. und in Beziehung zu einander stehen können.

Der Fokus der Dingontologie liegt also auf den Dingen, erst dann kommen die Eigenschaften und die geringste Bedeutung haben traditionell die Relationen. Im Kontakt mit Menschen würde man also zunächst fragen, wer jemand ist, dann wie er ist, und zuletzt, mit wem er in Beziehung steht.
Das ontologische Leitbild ist der einzelne feste Körper im zentralen Gesichtsfeld und nichts Flüssiges oder Gasförmiges, in dem man sich befindet. Dieser Festkörperglauben dominiert gewöhnlich unser Alltagshandeln und -denken, wenn wir nach Dingen greifen oder Nahrung zu uns nehmen. So gesehen kann diese Dingontologie auch evolutionäre Vorteile haben, z.B. wenn man auf Nahrungssuche geht und unsere Aufmerksamkeit sich auf ergreifbare Dinge richtet. Auch lässt sich mit einem dingontologischen Zugang leicht eine intersubjektive Einigung erzielen, wenn man fragt, wie viele Dinge sich wo befinden und welche abzählbare Merkmale sie haben.
Dingontologien stehen indoeuropäischen Sprache sehr nahe, da wir es gewöhnt mit vielen Nomen zu sprechen, die auch im Satz häufig als Subjekt unerlässlich sind und durch Attribute beschrieben werden. Auch sind "Was ist ...?"-Fragen in der Wissenschaft sehr beliebt, die dann über eine Aufzählung von Attributen und Relationen beantwortet werden und von Studenten häufig auswendig gelernt werden müssen.
Geschichtlich dominiert das dingontologische Denken fast die gesamte europäische Philosopiegeschichte seit Demokrit (460-380 v.Chr.), und wird von vielen bekannten Philosophen wie Platon, Aristoteles, Leibniz, Locke, Kant und Husserl häufig unhinterfragt übernommen.

Prozessontologie

Für Prozessontologien stehen Prozesse im Vordergrund, die aus verketteten Ereignissen bestehen. Man spricht daher auch von Ereignisontologien, welche statt einzelne Dinge auf den Fluss von Ereignisse fokussieren. Im Unterschied zu Dingontologien gibt es keine feststehenden Dinge mit Eigenschaften mehr, sondern nur noch kurzzeitige Ereignisse, die durch Anschluss einem Prozess formen. In der strengen Form spricht von einer "aktualistischen Ereignisontologie" (Singer), in der es nur einzelne Ereignisse gibt. In der weiteren Form spricht man auch von Relationen zwischen den Ereignissen, wenn es zu einem Anschluss der Ereignisse kommt.
Die europäischen Prozessontologien sind häufig motiviert, eine Alternative zu Dingontologien zu schaffen und mehr Dynamik hineinzubringen. Man könnte auch von einem Wechsel des Aggregatzustandes von fest zu flüssig sprechen, der den Wechsel von Ding- zu Prozessontologien gut beschreibt. Nicht das feststehende ergreifbare Ding, sondern das durch die Hände rinnende Wasser wird zum ontologischen Leitbild erhoben.
Als Begründer der Prozessontologie in der europäischen Philosophie wird häufig Heraklit mit seinem Zitat "panta rhei" („Alles fließt“) benannt, aber eindeutig erst bekennt sich Wilhelm von Ockham (1288-1347) mit seinem Relationsverzicht zu einer strengen Prozess- und Ereignisontologie. Ihm folgen zahlreiche Denker wie: Avenarius, Hume, Fichte, Bergson, Whitehead, Mach, Wittgenstein, Cassirer. In der Systemtheorie ist Luhmann eindeutig Bekenner der Prozessontologie, wenn er – aus einer Ablehnung der Dingontologie heraus – die Verkettung von Operationen als Ereignisse zum Kern seines Systemmodells macht.

Situationsontologie

Die Situationsontologie geht davon aus, dass die Welt primär aus lauter Situationen besteht, d.h. aus chaotisch-mannigfaltigen Ganzheiten in denen es nicht nur an Einzelheit mangelt, sondern zum Teil auch an Identität und Verschiedenheit. Beispiel: der Schwimmer im Wasser erlebt nicht primär Dinge, sondern sich als im Wasser befindlich ohne dass er Wassermoleküle als einzelne zählen und unterscheiden kann. Einzelne Dinge, Eigenschaften und Relationen werden in der Situationsontologie ebenso als sekundär betrachtet wie Ereignisse.
Mit Situationen sind nicht nur kurzzeitige Situationen gemeint, wie ein plötzliche Unfallsituation, sondern auch langwährende zuständliche Situationen, wie die Sprache oder eine Kultur, in der man sich sein ganzen Leben lang befinden kann.
Situationen sind chaotisch-mannigfaltig insofern, als dass sie nicht nur völlig Einzelnes enthalten. Der Unterschied zur Dingontologie besteht gerade darin, dass Situationen nichts Einzelnes sind, das man als Gegenüber ergreifen kann. In Absetzung zur Prozessontologie gibt es keine einzelnen Prozesse oder Ereignisse, sondern eine chaotische Mannigfaltigkeit, in der es noch keine Einzelheit oder gibt. Im Unterschied zur Ding- und Prozessontologie, in der er es jeweils diskretes Einzelnes gibt, findet sich in der Situationsontologie nur indiskretes Mannigfaltiges ohne Einzelheiten. Der zugehörige Aggregatzustand nicht fest (Ding) oder flüssig (Prozess) sondern gasförmig, es im dichtem Nebel auch eine einzelne Dinge oder Flüsse zu beobachten gibt.
Geschichtlich ist es nicht einfach, eindeutige Vertreter der Situationsontologie auszumachen, aber als prominente Namen lassen sich nennen: Hegel, Klages, Scheler, Heidegger, Schmitz.

Diskussion

Im systemischen Denken kursieren wenn auch meist versteckt unterschiedliche Ontologien, die selten klar benannt werden. Bezieht man sich auf Luhmann, vertritt man klar einen Ereignisontologie, bei der er es nur Operationen gibt.[1] Spricht man hingegen von Beziehungen, Relationen, Netzen und Netzwerken, dann liegt zumeist eine dingontologische Vorannahme zugrunde, auch wenn sie nicht expliziert wird. Es könnte helfen im systemischen Disurs diese ontologischen Vorannahmen zu klären, denn häufig sind Positionen unklar bzw. auch widersprüchlich, z.B. wenn man sich auf Luhmann bezieht und die besondere Rolle der Beziehung im systemischen Denken betont. Denn obwohl das Denken in Beziehungen für systemische Praktiker zum Alltag gehört, werden Beziehungen in Ding- als auch Prozessontologien relativ stiefmütterlich wenn nicht sogar abschätzig behandelt. So gibt Luhmann selbst zu, dass er mit Beziehungen wenig anfangen kann: "Ich kann mit dem Beziehungsbegriff immer relativ wenig anfangen." [2] In der triadischen Dingontologie sind Relationen ebenso als minderwertig angesehen und wenn überhaupt neben dem Wesen des Dings und seinen Eigenschaften nur als drittklassig behandelt. Diese abwertende Haltung gegenüber Relationen übernimmt man ebenso, wenn man sich auch auf die moderne Mengentheorie bezieht, wo der Unterschied zwischen Eigenschaften und Relationen bis zu Unkenntlichkeit eingeebnet wurde.
Für sytemische Praktiker und Denker, die den Qualität einer Relation grundlegend erfassen wollen, hilft also weder eine Bezugnahme zur Ding- als auch Prozessontologie weiter, auch wenn diese von systemischen Denkern vertreten werden. Eine Grundlegung der Beziehung kann nur aus der Situationsontologie gelegt werden, wenn verstanden wird, dass Behiehungen nur aus Verhältnissen gebildet werden können, die noch keine Einzelheit kennen. Eine Beziehung kann somit als Aufspaltung eines situativen Verhältnisses verstanden werden. Im Unterschied zur Beziehung ist ein Verhältnis richtungslos bzw. ungerichtet und auch ohne Einzelheit möglich. Nicht alle Verhältnisse sind in Beziehungen spaltbar: so z.B. ekstatische Zustände (Liebesekstase, ekstatisches gemeinsames Singen und Musizieren) oder auch Zustände der mystischen Versunkenheit. Für systemische Praktiker und Denker, die mehr in den Blick nehmen wollen als Beziehungen, wäre es also wichtig, sich auch nach Verhältnisse umzuschauen, die nicht spaltbar oder noch nicht gespalten sind.

Erkenntnistheorie

Analog zu den drei ontologischen Positionen lassen sich drei verschiedene idealtypische erkenntnistheoretische Positionen unterscheiden:

  • der Realismus, der behauptet dass Dinge (mehr oder weniger) so erkannt werden können, wie sie sind (Dingontologie)
  • der Konstruktivismus, der behauptet, dass alle Erkenntnis interne Konstruktionen sind, die ständig neu prozessiert werden (Prozessontologie)
  • der Explikationismus, der davon ausgeht, dass wir immer schon in Situationen leben, aus denen wir nicht anders können, als daraus Einzelheiten zu explizieren (Situationsontologie)
Realismus Konstruktivismus

(als konstruktiven Idealismus)

Explikationismus
Thomas von Aquin, Kant, Schelling Kant, Schopenhauer, Fichte Hegel, Dilthey, Heidegger
Realismus: nur nackte Tatsachen Absoluter Relativismus (in Beliebigkeit, wenn nicht sozial normiert) Moderater Relativismus (Anerkennung nackter Tatsachen in faktischer Betroffenheit)
Metapher Besuch: Es gibt vorgegebene Dinge, denen wir prinzipiell einen Besuch abstatten können. Besuch: Ersatzbefriedigung, da wir den Dingen keinen Besuch abstatten können. Ernte: Wir leben auf Feldern und ernten Früchte.
Spruch Erkenntnis ist das Erkennen des Ding-an-sichs. Erkenntnis wird aus einzelnen Sinneseindrücken synthetisiert und konstruiert. Erkenntnis ist eine Seinsart des In-der-Welt-seins. (Heidegger: SuZ 61)
Vorrangige Ontologie Dingontologie Prozessontologie Situationsontologie

Realismus

Der erkenntnistheoretische Realismus verfolgt das Reise- und Besuchsmodell der Erkenntnis. Erkenntnis kommt demnach wie ein Beutefang auf einer Jagd zustande: der Mensch verlässt die Höhle um auf Beutefang zu gehen und findet in der Außenwelt Kenntnisse über Objekte, die er gleichsam im Rucksack mit nach Hause in die Höhle trägt. Erkennen ist das Ergreifen von festen Dingen und Sachen ("res"), die man bei einem Besuch außerhalb der Höhle findet. Die Höhle jedoch ist dunkel und darin lassen sich keine Sachen erkennen.
Die strenge Variante des Realismus besagt, dass die Dinge als solche erkannt werden können. Die lockere Variante geht davon aus, dass man durch den (aktiven oder passiven) Besuch an den Sachen beschreibende Züge abgelesen und feststellen kann (Erkenntnistheoretischer Deskriptivismus). Die Naturwissenschaften gehen methodisch so vor, dass sie nach realistischen Beschreibungen suchen um daraus die Zukunft zu prognostizieren oder gar mit Mitteln des technischen Fortschritts zu gestalten (methodologischer Realismus). Jedoch kann von einer erfolgreichen Prognose oder einer erfolgreichem Gestaltungsexperiment nicht notwendigerweise auf die Korrektheit der realistischen Beschreibung geschlossen oder gar der Realismus als erkenntnistheoretische Postionen bewiesen werden. Im Alltag scheint es ganz selbstverständlich Sinn zu machen, sich realistisch zu verhalten, und davon auszugehen, dass es Dinge gibt, die man begreifen und erkennen kann.

Konstruktivismus

Der Konstruktivismus beschreibt, wie Erkenntnis möglich ist, wenn das Tier die Höhle nicht verlassen kann. Als Ersatzbefriedigung für den unmöglichen Ausbruch aus der Höhle, wandert es in der Höhle herum und sucht dort nach einzelnen Dingen aus denen es etwas bauen kann. Das Konstruierte ist dann stets die Neukombination von Einzelnem, das nur von Innen kommen kann. Die Außenwelt bleibt unerkennbar blass und ohne Qualitäten (Reduktionismus), demgegenüber ist die Höhle voll mit konstruierten Qualitäten aufgeladen (Introjektionismus), die nach außen projiziert werden (Projektionismus).
Der Konstruktivismus tritt in verschiedenen Formen auf, und hat deutliche Überschneidungen mit dem erkenntnistheoretischen Realismus und Explikationismus:

  • Der Radikale Konstruktivismus ist eine Extremposition und leugnet die Erkenntnis einer unabhängigen Realität. Da alle Erkenntnis als Konstruktion angesehen wird, kann es daher auch kein Erkenntnissubjekt als sich erlebenden Konstrukteur mehr geben. Als Extremposition ist diese Position nur im Rahmen einer konsequenten Prozessontologie denkbar, in der es nur nur Operationen als objektive Sachverhalte gibt.[3]
  • Der Neurokonstruktivismus (z.B. G. Roth) beruft sich auf die naturwissenschaftliche Hirnforschung, und geht damit eine Koalitation mit dem reduktionistischen Realismus ein. Er kombiniert damit auf seltsame Weise den konstruktivistischen Antirealismus gegenüber der Welt mit dem Realismus der (Neuro-)Naturwissenschaft und widerspricht sich damit letztlich selbst. Von den meisten systemischen Praktikern wird dieser Widerspruch zwischen Konstruktivismus und neurowissenschaftlichem Realismus gar nicht als solcher erkannt oder letztlich fahrlässig in Kauf genommen, da man sich von einer in Mode gekommenen neurowissenschaftlichen Argumentation Legitimations- und Marktvorteile verspricht. Im Therapiekontext scheint es legitim, eine neurowissenschaftliche Begründung der Wirksamkeit von therapeutischen Interventionen anzubieten, aber als Begründung einer erkenntnistheoretischen Position ist diese Strategie nicht haltbar.
  • Der sozialer Konstruktivismus (z.B. K. J. Gergen) beruft sich auf auf die sozialen Abstimmungsprozesse der Konstruktionen und rückt damit in die Nähe des Explikationismus, der ebenso von einer grundlegenden Einbettung alles Seins in Situation ohne Identität und Einzelheit ausgeht. Ein so verstandener sozialer Konstruktivismus deckt sich aber erst dann mit dem erkenntnistheoretischen Explikationismus, wenn er die zentrale singularistische Annahmen des Konstruktivismus fallen lässt, dass die Welt aus lauter Einzelnem besteht.

Da alle Spielarten des Konstruktivismus die Auffassung teilen, dass alle Gedanken und Gefühle innere Zustände sind (unabhängig von der Erklärung, wie sie zustande kommen), setzen sie den Introjektionismus und Projektionismus voraus, welcher besagt: Alle Qualitäten sind letztlich innere Zustände des Subjektes, der diese Qualitäten nur zumeist unreflektiert in die objektive Außenwelt projiziert, und daher scheinbar dort erlebt.
Geschichtlich ist der Konstruktivismus eine moderne Variante des konstruktiven Idealismus wie bei Kant, Schopenhauer oder Fichte. Sie alle betonen die synthetisierende und konstruierende Leistung des Erkenntnissubjektes im Unterschied zum einer passiven und rein rezeptiven Haltung. Dass dieser konstruktiver Idealismus in Form des Konstruktivismus in der systemischen Therapieszene gut rezipiert wurde, hat vermutlich mehrere Gründe:

  • Legitimierung von Veränderungsarbeit: Der Konstruktivismus verspricht durch seinen Aussage, dass die Wahrnehmung innerlich konstruiert und damit jederzeit veränderbar ist, veränderungsorientiertes Arbeiten in Psychotherapie und Beratung zu legitimieren.
  • Begründung von Klientenautonomie: Durch den Fokus auf Wahrgebung statt Wahrnehmung spiegelt sie den Respekt vor der Unterschiedlichkeit und Autonomie der Kunden und damit eine Werthaltung, die in den letzten Jahrzehnten auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen immer stärker zum Ausdruck kam.
  • Neurowissenschaftliche (Pseudo-)Legitimierung: Der Konstruktivismus lässt sich scheinbar objektiv-neurowissenschaftlich begründen, woraus sich die Hoffnung speist, dass auch eine systemisch-konstruktivistische Therapie neurowissenschaftlich fundiert ist und dem neusten Stand der Wissenschaft entspricht.

Die ersten beiden Punkte lassen sich jedoch auch mit allen relativistischen erkenntnistheoretischen Positionen erreichen: Die Ablehnung eines erkenntnistheoretischen Absolutismus, der einen vorgegebenen eindeutig festgelegten Weltinhalt behauptet, der nur noch zu erkennen sei, ist nicht nur für den Preis des Introjektionismus, Projektionismus und Idealismus zu haben. Geht es nur darum eine relativistische Position in der Erkenntnistheorie zu vertreten, kann man zu einem Explikationismus übergehen, der zwar in Maßen eine "erkenntnisunabhängige Realität" in Form von nackten Tatsachen zugesteht, jedoch bei der Vielfältigkeit der Weltfüllungen bleibt und damit ebenso eine relativistische Position in der Erkenntnistheorie vertritt.

Siehe: Introjektionismus, Projektionismus

Explikationismus

Im Unterschied zum Realismus und Konstruktivismus geht der Explikationismus als Erkenntnistheorie nicht von dem Bild einer Höhle aus, aus der der Höhlenbewohner entweder doch heraus kommt (Realismus) oder darin im Dunkeln als Ersatzbefriedigung Dinge konstruiert (Konstruktivismus), sondern von dem Bild eines Ackers, auf dem wir als Bauern leben und wovon wir ernten können. Der Acker ist gemäß der Situationsontologie als zuständliche Situation zu verstehen, in der wir uns als Bauer befinden und aus der wir schöpfen können.[4] Der Explikationismus setzt der Erkenntnismetapher des Besuchs der der Ernte entgegen, um deutlich zu machen, dass er sowohl die introjektionistische Annahme des Konstruktivismus als auch die singularistische Annahme des Realismus nicht teilt. Wir müssen uns daher nicht entscheiden, ob wir aus der Höhle ausbrechen oder nicht, weil wir gar nicht in der Höhle leben, sondern immer schon auf dem freien Feld, das geerntet werden kann. Der Explikationismus bietet daher eine Alternative zu den singularistischen und introjektionistischen Vorannahmen der bekannten erkenntnistheoretischen Positionen. Das Leitbild des Explikationismus ist weder der in sich gekehrte Denker noch der reisende Entdecker, sondern ein bodenständiger Bauer. Erkenntnis ist kein Suchen oder Besuch von etwas, sondern eine Art und Weise in der Welt zu sein.
Einig sind sich Realismus und Konstruktivismus in der singularistischen Annahme, dass lediglich Einzelnes existiert, entweder innerhalb oder außerhalb der Höhle. Auf die Idee, dass es Einzelnes überhaupt nicht gibt, was man erkennen könnte, kommen sie nicht. Der erkenntnistheoretische Explikationismus ist in diesem Sinn daher noch systemischer als der Konstruktivismus, wenn er davon ausgeht, dass Einzelnes nicht per se existiert, sondern das Identifizieren von Einzelnem eine nachträgliche Erkenntnis- und Explikationsleistung ist. Der Explikationismus geht also daher davon aus, dass ganzheitliche einbettende Situationen und nicht Einzelnes Grundlage unserer Wahrnehmung ist.
Vertreter des erkenntnistheoretischen Explikationismus sind: Hegel, Dilthey, Heidegger, Schmitz. Hegel lehnte das Modell des Besuchs oder der Berührung an sich (substantiell) seiender Partner für die Erkenntnis ab und ersetzt es durch die Totalität einer spannungsreich gegliederten Situation namens "Geist" oder "Bewusstsein".[5] Dilthey ist Hegels Erbe in der Erkenntnistheorie, und hat sich der Arroganz überfliegender idealistischer Erkenntnisansprüche entledigt.[6] Heidegger schärft das Profil des erkenntnistheoretischen Explikationismus und thematisiert die Situationen, in denen wir uns befinden und aus denen wir zugleich schöpfen, als die „Seinsart des ‚In-der-Welt-seins.’“[7].
Der Explikationismus erkennt an, dass es trotz der Relativität von Tatsachen auch eine Geltung für alle möglich sein kann: „Die Relativierung einer Tatsache durch ihre Subjektivität für jemand impliziert keine Abschwächung der Geltung für alle, sondern verweist auf die besondere Zugehörigkeit der Tatsache zu einem Bewussthaber, auf ihre Intimität."[8] Subjektive Tatsachen können daher auch Geltung für alle fordern, wie z.B. ein gebrochenes Bein, dass als nackte Tatsache so manche optimistische Konstruktion eines Fußballspieles zerstören kann. Schmitz spricht hier von nackte Tatsachen, „die ihre Legitimation als solche lediglich der Wirklichkeit verdanken und nicht der Eignung für irgend welche theoretischen oder praktischen Zwecke“[9]. Die Legitimation von nackten Tatsachen ist nicht relativierbar auf Perspektive und Standpunkte. Er sieht sich zu dieser Abgrenzung genötigt, gerade weil er gegen den radikalen Konstruktivismus Stellung bezieht: "Der Rückgang auf ein sicheres Fundament ist aber schon deshalb angezeigt, weil der idealistische Gegenspieler des Realismus in Gestalt des radikalen Konstruktivismus jede Vorgegebenheit abschaffen will."[10] Der erkenntnistheoretische Explikationismus schließt also keine Vorgegebenheit der Welt prinzipiell aus, sondern erkennt nackte Tatsachen in dem Sinn an, „... dass ihre Tatsächlichkeit bloß von dieser Stellung zum Sein abhängt, nicht von irgend einer anderen Eignung oder Zweckdienlichkeit und nicht von einer relativierenden Einschränkung auf diesen oder jenen Standpunkt“[11]
Konstruktionen können angesichts von nackten Tatsachen zusammenbrechen. Gleichzeitig ist der Explikationismus nicht auf der Suche nach einer möglichst getreuen Abbildung oder strukturellen Isomorphie mit der Realität. Der Explikationismus geht davon aus, dass wir nicht umhin können, als in Situationen zu leben, die uns zwingen können, nackte Tatsachen gelten lassen müssen, die wir nicht ernsthaft leugnen können.

Diskussion

Der Explikationismus ist bislang in der sytemischen Welt weitgehend unbekannt, was dazu führte, dass man den in den Alternativen von Realismus und Konstruktivismus dachte. Wie beim Neurokonstruktivismus gezeigt, gibt es sogar häufig seltsame Kombinationen beider Positionen, wie eine realistische Begründung einer konstruktivistischen Position. Oder es gibt Versuche, eine vermittelnde Kombination beider zuzulassen, angelehnt an der kritischen Rationalismus.[12] Der Explikationismus muss daher zeigen, dass er für systemische Denker mehr bringt, also nur eine Vermittlung. Das Neue am Explikationismus ist gegenüber einem reinen Kombinationslösung: das Infragestellen und Ablösung des Singularismus[13], Reduktionismus und Projektionismus. Das Neue am Explikationismus ist gegenüber einem Pendeln zwischen Realismus und Konstruktivismus die eindeutige Positionierung jenseits der genannten "Ismen" und ohne immunisierungsstrategisches Pendeln wie beim Neurokonstruktivismus.
Die Frage bleibt, in welchen Varianten sich der Realismus und Konstruktivismus an den Explikationismus annähern können. Der Konstruktivismus rückt dann in die Nähe vom Explikationismus, wenn er als sozialer Konstruktivismus verstanden wird, bei dem die Teilnehmer aus gemeinsamen Situationen schöpfen statt nur innerlich zu konstruieren.[14] Wohingegen der Realismus dann in die Nähe vom Explikationismus rückt, wenn er als lebensweltlicher Realismus verstanden wird, der einseitige Reduktionen auf Dinge oder bestimmte Merkmalsklassen unterlässt. Wenn beide zudem die singularistische Annahme fallen lassen, dass es nur Einzelheiten gibt, schaffen sie die Ablösung von ursprünglich unvereinbaren Positionen und münden in den phänomenologischen Explikationismus, der das Schöpfen aus ganzheitlichen Situationen zum Thema macht. Mit dem Explikationismus ist damit auch eine Synthese von zwei systemischen Positionen möglich, die sich als systemisch-konstruktivistische und systemisch-phänomenologische Ansätze häufig unvereinbar gegenüberstanden.

Konstruktivismus und Phänomenologie

Bisherige Ansätze Konstruktivismus und Phänomenologie zu verbinden, in: In: Weber, Gunthard (Hrsg.) (2001): Derselbe Wind lässt viele Drachen steigen. Carl-Auer.

  • Siegfried Essen: Die Ordnungen und die Intuition. Konstruktivismus und Phänomenologie im Einklang? S. 98-111
  • Insa Sparrer: Konstruktivistische Aspekte der Phänomenologie und phänomenologische Aspekte des Konstruktivismus. S. 68-97
  • Oliver König (2004): Familienwelten. S. 205f.

Systemische Praxis im Lichte der Phänomenologie

Waren die letzten beiden Kapitel der Versuch unternommen worden, die Begriffe der Neuen Phänomenologie einzuführen um erkenntnistheoretische und ontologische Positionen der Systemiker darin zu verorten, soll jetzt der Blick auf die systemische Praxis in Therapie und Beratung gelegt werden, um die Frage zu beantworten, wie sehr sich diese Praxis neophänomenologisch beschreiben lässt. Mit der Verbindung von Psychotherapie und Phänomenologie wird an eine Tradition erinnert, die auf eine reiche Geschichte zurückblicken kann:

Viele psychotherapeutische und psychologische Leitfiguren der 50er-, 60er - und 70er-Jahre haben den Rekurs auf die Phänomenologie genutzt, um sich gegen eine als einseitig objektivistisch empfundene Sicht auf den Menschen abzugrenzen. Genannt seien hier Carl Rogers und Alber Marrow sowie Viktor Frankl, und mit ihm die gesamte existenzialistische Tradition der Psychotherapie bis hin zu Irvin Yalom. Manche, wie Viktor Frankl interessierte mehr die Entwicklung einer therapeutischen Philosophie und Haltung, andere am deutlichsten Carl Rogers, wollten auch einen wissenschaftlich orientierten Beitrag zur Psychotherapie leisten und damit eine Alternative formulieren gegenüber der deterministischen und mechanistischen Weltsicht des damaligen Behaviorismus und gegen die pessimistische und biologistisch ausgerichtete Sicht der orthodoxen Freudianer. (OK-F 203)

An diese Tradition soll hier angeknüpft werden, wenn der Versuch unternommen wird, Kernthemen der systemischen Therapie und Beratung neophänomenologisch zu reflektieren. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass die Neue Phänomenologie zur theoretischen Positionierung von systemischen Praktikern hilfreich sein kann, und zugleich interessante Impulse erhält, über Phänomene nachzudenken, die bisher noch nicht neophänomenologisch reflektiert wurden.
Die folgende Gegenüberstellung von systemisch-konstruktivstisch und systemisch-phänomenologischen Ansätzen ist aus praktischer Sicht nicht gerechtfertigt, da die große Mehrzahl der Therapeuten integrativ arbeiten, und Methoden und Haltungen aus beiden Ansätzen übernehmen, da sie sich häufig gar nicht widersprechen. Da hier aber der Fokus auf der theoretischen Legitimation und Reflektion der therapeutischen Praxis liegt, scheint es mir erlaubt die scheinbar konträren Selbstbezeichnungen zu übernehmen und hier im folgenden gegenüber zu stellen.

Systemisch-konstruktivistischer Ansatz

Der systemisch-konstruktivistische Ansatz (geläufig als "systemisch" abgekürzt und vertreten durch die Fachverbände SG und DGSF) bezeichnet ein psychotherapeutisches Verfahren, "dessen Fokus auf dem sozialen Kontext psychischer Störungen liegt."[15] Die systemische Therapie wird insbesondere als Weiterentwicklung der frühen Familientherapie der 50er und 60er Jahre in den USA begriffen und setzt sich insbesondere ab zu allen Ansätzen, die ihren therapeutischen Blick auf die einzelnen Personen als Symptomträger beschränken und deren Kontext nur nachrangig behandeln. Die systemische Therapie beruft sich auf verschiedene, historisch zeitgleich entstandene theoretische Ansätze zur Erklärung der wechselseitigen psychischen Beeinflussung von Menschen und ihrer unmittelbaren sozialen Umgebung (wie z.B. Anderson, Boszormenyi-Nagy, de Shazer, Haley, Minuchin, Satir, Selvini-Palazzoli, Stierlin, Watzlawick).

Systemischer Kontext als Situation

Die besondere Rolle des Kontextes in der systemischen Therapie führt dazu, dass Symptome als systemisches Beziehungsgeschehen beschrieben werden und nicht als statische Eigenschaft einer einzelnen Person. Diese Hervorhebung des systemischen Kontextes im Kontrast zu den Eigenschaften eines Einzeldings kann man neophänomenlogisch als eine Abkehr von der Dingontologie verstehen: Die Eigenschaften werden nicht einer Person als Ding zugesprochen, sondern eher einem prozessualen Geschehen (wie in der Prozessontologie) oder einer Situation (wie in der Situationsontologie). Ziel eines systemischen Beraters ist es die Eigenschaftsverdinglichungen als Konstrukte des Klienten zu verflüssigen und alternative zieldienlichere Beschreibungen anzubieten. Systemische Beratung ist daher nie eine direkte Einflussnahme, sondern das Anregen über Kontexte, "das Zur-Verfügung-Stellen eines für das Klientensystem möglichst anregungsreichen »Rahmens«" (BH-sysH).
Die Kontextorientierung geht so weit, dass im systemischen Denken Symptome auch als situative Kompetenz mit hohem Preis beschrieben werden können, was unterstreicht, dass alle Phänomene aus der Situation heraus entstehen, und dort auch ihren Platz haben.

Geschlossenheit als subjektive Tatsächlichkeit

So sehr der systemische Ansatz den Kontext eines Symptoms hervorhebt, so sehr wird andererseits die operative Geschlossenheit jedes einzelnen psychischen Systems betont, was von Kritikern zumeist als Widerspruch gedeutet wird. Ein Großteil der Erklärung im systemischen Modell versucht diesen vermeintlichen Widerspruch zu plausibilisieren, in dem Konzepte wie "strukturelle Kopplung" etc. verwendet werden. Indem die Geschlossenheit des psychischen Systems so stark betont wird, wird individuelles Erleben als nicht direkt veränderbar betrachtet und damit einen besonderen Status gegeben. Dieser besondere Status könnte man neophänomologisch als eigene Tatsächlichkeit bezeichnen, die neben der objektiven Tatsächlichkeit eingeführt wird. Es gibt demnach nicht nur objektive Tatsachen, die jeder aussagen kann, wenn er genug weiß, sondern auch subjektive Tatsachen, die ihre Quelle im leiblichen Befinden des subjektiv Betroffenen haben. Subjektive Tatsachen lassen sich demnach nicht durch ein objektiven Eingriff einfach ändern, sondern haben ihre subjektive Eigenlogik. Die vom Konstruktivismus behauptete Geschlossenheit psychischer Systeme hat daher eine Nähe zu der neophänomenologisch festgestellten subjektiven Tatsächlichkeit leiblichen Befindens.

Bedeutungsgebung und Projektionismus

  • Der Konstruktivismus betont, dass Bedeutsamkeit nachträglich sei, und bloß von Lebewesen auf Grund vitaler oder anderer Bedürfnisse und Interessen auf eine Welt aus lauter einzelnen Daten oder "Elementen" (Mach) projiziert wird.
  • Die Neophänomenologie benennt diese These als "Projektionismus" und vertritt dagegen die Überzeugung: "Bedeutsamkeit, bestehend aus Sachverhalten, Programmen und Problemen, ist primär, auch als binnendiffuse, in Situationen ganzheitliche Bedeutsamkeit - primär in dem Sinn, dass Einzelnes nur auf dem Hintergrund solcher Bedeutsamkeit möglich ist." (Vgl: S-SuK 127)

Beratungssystem als Atmosphäre

Der systemischen Therapie unterscheidet streng zwischen dem Beratungs- und Kliententensystem. Das Beratungssystem ist die Situation, in der sich der Klient und Therapeut gemeinsam aktuell befinden. Der systemische Fokus liegt mit Begriffen wie Empathie, Pacing und Joining darauf, zuallererst dieses Beratungssystem so zu optimieren, damit eine therapeutische Interaktion für den Klienten überhaupt sinnvoll und zieldienlich erlebt werden kann. Die besondere Aufmerksamkeit für das Beratungssystem lässt sich neophänomenologisch als Herstellung einer gemeinsamen als zieldienlichen erlebbaren Atmosphäre deuten, in der man sich befindet. Neophänomenlogisch sind Atmosphären wirkmächtige Halbdinge, die den Menschen unwillkürlich ergreifen und so affektive Veränderungen auslösen können. Auch verweist die systemische Therapie darauf, dass lösungsorientierte Techniken nur dann funktionieren können, wenn eine gemeinsame Atmosphäre bereits hergestellt ist, und der Klient das Gefühl hat, seinem Problem wurde ausreichend Raum gegeben.
Bei allem empathischem Pacing legt die systemische Therapie Wert darauf, dass es nicht hilfreich ist, wenn man vor lauten Empathie in der Problemtrance des Klienten versinkt, sondern dazu förmlich Stellung nehmen und Richtung Lösung vorstoßen kann. Neophänomenlogisch spricht man davon, dass affektives Betroffensein von vorn herein nicht nur ein Geschehen und Geschehenlassen ist, sondern ebenso aktive Stellungnahme, eigener Einsatz und Eingehen auf etwas. Diesen eigenen Einsatz im Betroffensein, wodurch Sachverhalte, Programme und Probleme für jemand subjektiv sind, bezeichnet man als dessen Gesinnung[16]. Die Gesinnung des Therapeuten ist also ein zentrale Ressource für den lösungsorientieren Umgang mit therapeutischen Atmosphären.

Hypnosystemik als Anwalt der unwillkürlichen Phänomene

Die systemische Therapie wird häufig ergänzt von hypnotherapeutischen Verfahren, wodurch sich ein hypnosystemischer Ansatz herausgebildet hat. Dieser legt besonders viel Wert auf die tranceartigen unwillkürlichen, automatisch ablaufenden Prozesse im systemischen Kontext. Mit dieser Betonung der Unwillkürlichkeit knüpft er an das neophänomenologische Programm an, "das Sprechenlernen mit Bezug auf die unwillkürlichen Erfahrungen"[17]. Schmitz sieht den historischen Bruch, wo das Unwillkürliche in der europäischen Geistesgeschichte verdrängt wurde, im 4. vorschristlichen Jahrhundert bei Demokrit und Platon:

Demokrit und Platon haben den Menschen eine Ideologie eingepflanzt, die sie glauben lässt, sie verfügen über eine souveräne Instanz, genannt "Vernunft" oder "freier Wille", mit der sie ihren unwillkürlichen Regungen wirksam gebieten könnten, wenn sie nur wollten. (S-EP 116)

Mit der gemeinsamen Ausrichtung auf die Wiederentdeckung und Zur-Sprache-bringen des Unwillkürlichen weißt insbesondere der hypnosystemische Ansatz ein große Nähe zur Neuen Phänomenologie auf.
Unterschiede gibt es sicherlich bei dem Punkt, wie sehr wir unser unwillkürliches Erleben verändern können. Die Neue Phänomenologie ist mit Beispielen meist dort unterwegs, wo man unwillkürlichem Erleben nichts oder wenig entgegen zu setzen hat. Die wenigsten Beispiele betonen die aktive Seite des affektiven Betroffenseins, die als Gesinnung bereits thematisiert wurde. Die Neue Phänomenologie hebt unwillkürliche Prozesse gegenüber den willkürlich besonders hervor, da diese in ihrer Mächtigkeit auch ernst genommen werden können. In der Geschichte der Psychotherapie gibt es mehrere Interpreationen des Unwillkürlichen, die teilweise daran anschließen. Übersicht:

Systemisch-phänomenologischer Ansatz

Als systemisch-phänomenologische Ansatz in der Therapie wird die systemische Aufstellungsarbeit verstanden, die sich aus der Familienrekonstruktion entwickelt hat. Meist im Gruppensetting durchgeführt wählt der Klient für sich und relevante Elemente oder Personen seines Problems Stellvertreter aus der Gruppe und platziert sie in den Raum. Dann steuert der Aufstellungsleiter das Geschehen meist durch Befragungen oder Platzänderungen der Stellvertreter, bis alle einen guten Platz gefunden haben. Meist kommt relativ zum Schluss der Aufstellung, der Klient selbst wieder ins Bild, der bis dahin eher die Position des Beobachters eingenommen hat.
Zu Anfangszeiten der systemischen Therapie gab es Verwirrung darüber, wieso die Aufstellungsarbeit auch systemisch genannt werden darf, da insbesondere die konstruktivistische Annahmen nicht geteilt und eher von einer phänomenologischen Haltung heraus operiert wurde, die dazu im Widerspruch schien. Diese Doppelbelegung des Wortes "systemisch" führte schließlich dazu, dass sich "systemisch-konstruktivistisch" und "systemisch-phänomenologisch" als zwei Attribute herausbildeten, um beide Ansätze konzeptuell klar zu unterscheiden, obwohl in der Praxis beide Methoden parallel nebeneinander ausgeübt werden können.
Praktizierende der Aufstellungsmethode nennen selbst verschiedene Gründe, wieso diese Methode "systemisch" genannt werden sollte und man auch von Systemaufstellungen sprechen sollte:[18]

  • Aufstellungsarbeit betrachtet den Klienten und "sein" Symptom als eingebunden in soziale Kontexte. Noch mehr als im systemisch-konstruktivistischen Ansatz wird der Fokus auf transgenerationale Kontexte und Loyalitäten gelegt.
  • Die Aufstellungsarbeit ist als bildgebendes und leiblich erlebbares Verfahren besonders dafür geeignet, systemische Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zu verdeutlichen, die linear-sprachlich nur schwer abbildbar sind.
  • Indem die Aufstellungsarbeit den Bezug zum Ganzen sucht und versucht das Ausgeschlossene wiederzufinden, ist sie systemisch, bzw. genauer formuliert "systemischer" zumindest als andere Methoden, die diesen Bezug nicht herstellen.[19]

Das Attribut "systemisch" wird aber von Aufstellern nicht nur der Methode zugewiesen, sondern auch insbesondere der Haltung, mit der Methoden angewendet werden. Insbesondere Sparrer bekennt sich als Aufstellerin auch zu einer systemischen Haltung:

Eine Methode kann systemisch und unsystemisch verwendet werden; sie kann als systemisch angelegt sein, doch ob sie so auch wirkt, bestimmen die Haltung der Therapeutin und die Empfangsbereitschaft der Klientin mit. (In: IS,MVvK (2000), S. 21)

Im Folgenden soll der Versuch gemacht werden, bestimmte Aspekte des Geschehens in Systemaufstellungen neophänomenologisch zu hinterfragen, um Grundzüge einer systemischen Phänomenologie zu gewinnen, die sich diesem offenen Dialog verdankt. Meine Erfahrungen mit Systemaufstellungen in mehr als hundert Fällen und meine Begeisterung für die Neue Phänomenologie möchte ich dazu gerne einbringen.

Systemaufstellung als unwillkürliches Phänomen

Mehr noch als der systemisch-konstruktivistische Ansatz betont die systemische Aufstellungsarbeit die pathischen Seite der unwillkürlichen Erfahrung, die man als Teilnehmer in einer Aufstellung machen kann. Gerade die Erfahrung, dass man nur durch die Beteiligung in einer Aufstellung intensive Wahrnehmungen und Gefühle haben kann, die man bisher nicht für möglich gehalten hat, beeindruckt viele, die zum ersten mal eine Aufstellung erleben. Von außen betrachtet sieht es aus wie ein Rollenspiel, obwohl ganz offensichtlich Gefühle nicht gespielt, sondern von den Teilnehmern am eigenen Leibe erlebt werden. Es hat den Anschein, als ob sich im Erleben eines Teilnehmers in Aufstellungen etwas zeigt, das mehr ist als nur das rein individuell-konstruierte Erleben auf Basis von bekannten Vorerfahrungen. Inwiefern dieses Aufstellungs-Phänomen im gleichen Setting reproduzierbar und objektiv messbar ist, soll hier außen vor gelassen werden, da es für die phänomenologische Analyse genügt, sich mit den Bedingung der Möglichkeit eines solchen Phänomens zu beschäftigen.
Es fällt schwer, diesen hohen unwillkürlichen Erfahrungsanteil in Aufstellungen als aktive Konstruktion eines operational-geschlossenen psychischen Systems zu betrachten, insbesondere wenn von den Teilnehmern übereinstimmend Wahrnehmungen geschildert werden, die erstaunlich genau übereinstimmen. Indem sich die Aufstellungsarbeit immer wieder einen Raum für die direkt leibliche Erfahrbarkeit dieser unwillkürliche Phänomene eröffnet, wird eine phänomenologische Haltung praktiziert, die dem dem neophänomenologischen Ansatz sehr nahe ist, dem es ebenso um die Rehabilitation des Unwillkürlichen geht.

Unwillkürliche Räumlichkeit der Gefühle

In der Aufstellungswelt herrscht Uneinigkeit, wie dieses unwillkürlichen Phänomene zustande kommen. Gibt es über die vorhandenen Sinne hinaus einen eigenen Wahrnehmungskanal (Ruppert 2000) oder sind die Körper der Stellvertreter selbst Wahrnehmungsorgan für das aufgestellte System (Varga von Kibèd 2010)? Oder lässt sich das Phänomen mit der phänomenologischen Unterscheidung zwischen Leib und Körper erkären? Hier herrscht noch Uneinigkeit, aber die Neue Phänomenologie könnte hier ein neues Forschungsfeld öffnen.
Neophänomenologisch ist es möglich, die Rede von Gefühlen zu rechtfertigen, "in die man hineintritt", und aus denen man wieder "austreten" kann. Die Rede von Ein- und Austreten gibt den Gefühlen etwas Räumliches. Die Räumlichkeit der Gefühle ist das große Thema von Hermann Schmitz und seiner Neuen Phänomenologie. Er schreibt in der Einleitung zu seinem Buch "Der Gefühlsraum":

Dieses Buch ist das Kernstück meines Systems der Philosophie. Schon in der Vorrede zum 1. Band habe ich darauf hingewiesen, welche entscheidende Bedeutung ich dem "qualitativen Sprung" im menschlichen Selbstverständnis beimesse, der darin besteht, die Introjektion der Gefühle durch die Einsicht in deren Räumlichkeit abzulösen. (S-III2, XIV)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das teilnehmende Erspüren in Aufstellungen ein gutes Beispiel dafür, dass man in Gefühle eintreten kann, wie es Hermann Schmitz in seiner Neuen Phänomenologie formuliert. Dennoch gibt es an dieser Vorstellung von Gefühlen als einer Art räumlicher Atmosphäre, in die man hineintritt, dennoch auch viel Kritik an der Neuen Phänomenologie.
Christoph Demmerling beleuchtet in acht Punkten die These von der atmosphärischen Objektivität der Gefühle und kommt zu dem Schluss, dass Gefühle keinen objektiven Dinge wie z.B. Räume sind, in die man hineintreten kann, sondern intersubjektive Phänomene, die wesentlichen von der sozialen Qualität der Situation abhängen, wie z.B. den Erwartungshaltungen, in der man steht. "Gefühle sind intersubjektive Phänomene." (CD in AE-GfA 52)
Auch Gernot Böhme hebt im Gegensatz zu Schmitz den sozialen und zugleich privaten Anteil von Gefühlen hervor: "Was aber verloren geht, ist die Anerkennung der Tatsache, dass Gefühle in unserem Lebenszusammenhang in der Tat in der Regel als Zustände der Innerlichkeit erfahren werden, und zwar insbesondere solche Gefühle, die durch das Leben im sozialen Kontext ausgelöst werden." (B-LaA 52)
Thomas Fuchs ist ebenso skeptisch, gegenüber der Tatsache, ob man in Gefühle hineingeraten kann: "Ich würde sagen, dass Gefühle (im Unterschied zu Atmosphären) primär aus meiner subjektiven, persönlichen Situation resultieren, nicht aber aus einer Situation, in die ich 'hineingerate'." (Fuchs in: S-WNP 191)
Trotz der Kritik bleibt die Neue Phänomenologie jedoch mit seiner Formulierung "in Gefühle hineinzugeraten" relativ nah am phänomenalen Erleben der Stellvertreter in Aufstellungen. Die Neue Phänomenologie rehabilitiert damit die Räumlichkeit der Gefühle, die historisch gesehen am 5. vorchristlichen Jahrhundert verloren gegangen scheint. Diese Wende wird als reduktionistisch, introjektionistisch und psychologistisch zugleich beschrieben. Reduktionistisch, da der Raum wurde auf messbare Entfernungen und Lagen reduziert wurde. Introjektionistisch, da alle anderen Qualitäten als interne Konstruktion der Psyche bezeichnet werden für die es eine Psyche als Behälter geben muss (psychologistisch). Eine systemische Phänomenologie schließt sich dieser neophänomenologischen Ansicht an, und reduziert Gefühle nicht auf die individuelle Zustände eines Einzelnen, sondern nimmt die Räumlichkeit der Gefühle sogar soweit ernst, dass nicht nur die Räumlichkeit in Form von Weite, Enge oder Richtung phänomenologisch relevant wird, sondern es für möglich hält, dass sogar auch Positionen von Stellvertretern in Aufstellungen phänomenologisch relevant werden, und die Räumlichkeit der Gefühle um deren Örtlichkeit ergänzt werden muss.

Aufstellung als spielerische Identifizierung

Das Vorgehen in Aufstellungen für einzelne Elemente Stellvertreter auszuwählen, ist neophänomenologisch betrachtet eine "spielerische Identifizierung". Mit dem Ausdruck "spielerisch" ist nicht an ein verspieltes Benehmen zu denken, das etwa den nötigen Ernst vermissen ließe.[20] Spielerische Identifizierung gibt es in tiefem, ergriffenem Ernst so gut wie in loser Schelmerei"[21]
Spielerische Identifizierungen sind möglich, weil wir ohne Verwechslung etwas als anderes nehmen können. Zum Beispiel ein Bild: Wir sehen ein Bild als das Abgebildete, ohne dass wir das flächige Bild mit der dargestellten Person oder Landschaft verwechseln. Beim Reden nehmen wir die Mitteilung für den dargestellten Sachverhalt und auch Symbole werden als etwas genommen, ohne das sie damit verwechselt werden. Bild, Rede und Symbol sind nur durch spielerische Identifizierung möglich, "kraft deren etwas in einem anderen und als ein anderes gegenwärtig ist"[22], so dass man in dem Bild das Abgebildete findet, in der Rede das Beredete, in dem Symbol das Symbolisierte.
Nicht die Übereinstimmung oder Ähnlichkeit beider Seiten ist relevant, sondern die Umdeutung alleine. So kann auch in einer Aufstellung ein Mann für eine Frau, eine Institution, einen Gegenstand oder für Konzepte oder Ideen stehen, alleine abhängig davon ob diese Umdeutung vollzogen wird. Umdeutung alleine genügt um etwas leiblich gegenwärtig und räumlich präsent werden zu lassen.
Die spielerischen Identifizierung ist neophänomenologisch deshalb eine so besondere Leistung, weil nur der Mensch sie initiieren kann. Tiere bleiben stets im "tierischen Ernst", da sie nicht in der Lage sind, etwas als etwas anderes zu nehmen: "Die spielerische Identifizierung, ... ist eine der höchsten Gaben, der reifsten Möglichkeiten des Menschseins; durch sie bezeugt sich und wächst in seine Chancen gestaltend hinein, was den normalsinnigen Menschen hauptsächlich vom Tier unterscheidet: die Entfaltung der Gegenwart." (S-III4 462) Spielerische Identifizierung ist Entfaltung der Gegenwart, also die Weitung der Gegenwart aus der Enge des Leibes heraus, die neophänomenologisch als "primitive Gegenwart" bezeichnet wird. Die Entfaltung der Gegenwart ist keine Tätigkeit, sondern ein Vorgang, bei der Einzelheit nach fünf Seiten freigesetzt wird:

  • räumlich durch Einbettung des absoluten Ortes, des Hier der primitiven Gegenwart, in ein System relativer Orte, die sich durch Lagen und Abstände gegenseitig bestimmten;
  • zeitlich durch Einbettung des absoluten Augenblicks des plötzlichen Betroffenseins in ein System relativer Augenblicke, eine modale Lagezeit;
  • der Identität nach durch Ergänzung der Identität durch Bestimmtheit als Fall von etwas zur Einzelheit
  • dem Sein nach durch Paarung von Sein und Nichtsein (über bloßes Nichtmehrsein oder Vorbeisein der zerrissenen Dauer im plötzlichen Betroffensein hinaus) mit Export von Identität und Einzelheit ins Nichtseiende;
  • der Subjektivität nach durch personale Emanzipation." (S-F 111)

Die Entfaltung der Gegenwart macht überhaupt erst möglich, dass ich Einzelnes Benennen kann, welches ich mit einem Stellvertreter spielerisch identifizieren kann und relativ im Raum zueinander im Raum aufstellen kann.
Erfahrungsbericht: "Ich stehe zum ersten Mal in einer Familienaufstellung. Ich spiele einen mir unbekannten jungen Mann. Ich sehe keine Ähnlichkeiten zwischen ihm und mir. Plötzlich werde ich vom Leiter aufgefordert, etwas zu tun: Ich soll einem andern Mann, – ich hab ihn noch nie gesehen, aber jetzt spielt er meinen Vater, -in die Augen schauen. Ich schaue nicht gern so lange in die Augen von Leuten. Ich denke noch, es wird mir unendlich peinlich sein. Aber ich tu´s halt. Es ist ja nicht mein Problem. Und zu meiner Überraschung muss ich feststellen, dass es mir überhaupt nicht peinlich ist, sondern dass ich Tränen in die Augen bekomme, und mich sagen höre: „Ich hab dich vermisst.“ Und es stimmt. Etwas in mir weiß, dass das genau die Wirklichkeit zwischen diesem Sohn und diesem Vater ausdrückt, ihre und nicht meine. Wie konnte ich das wissen und spielen und sein, mit meiner ganzen Figur? Dass ich so was tue, das passt nicht zu mir. Vielleicht war es Zufall oder ein seelischer Ausrutscher oder etwas Unbewusstes. (Das Unbewusste soll ja zu allem Möglichen gut sein.) Aber dann passiert es mir ein zweites und ein drittes Mal in ganz unterschiedlichen Rollen, einmal sogar muss ich eine Frau spielen, was ich wirklich nicht erlebt haben kann, auch noch so unbewusst nicht. Und jedes Mal habe ich etwas Neues und mir bisher Fremdes ganz in mir selbst gefühlt. Wer bin ich denn überhaupt? Bin ich so leer, dass ich beliebige fremde Eigenschaften aufnehmen und die eigenen ebenso beliebig loslassen kann?" (Siegfried Essen: Leibliches Verstehen, S. 3)

Das Fühlen fremder Gefühle

In der systemischen Literatur wird das Stellvertreter-Phänomen damit "erklärt", dass der Mensch naturgemäß in der Lage ist "fremde Gefühle" zu fühlen. Diese Aussage ist für konstruktivistisch denkende Systemiker ein Unding, da Gefühle dort stets nur Eigenleistungen des operativ geschlossenen psychischen und körperlichen Systems sind, und man zu fremden Gefühlen eines Anderen keinen Zugang haben kann, außer durch Beobachtung der körperlichen Erscheinungen. Die Neue Phänomenologie hingegen ist für das Stellvertreter-Phänomen aufgeschlossener, denn sie unterscheidet zwischen Gefühl und dem Fühlen eines Gefühls und bezeichnet die Vorstellung, dass man die eigenen Gefühle besitzt, als possesorisches Missverständnis: "Wenn die Rede von 'meinem Gefühl' ist, darf das adjektivistische Personalpronomen 'mein' nicht im possessiven Sinn als Besitzanzeige verstanden werden, sondern im subjektivierenden Sinn."[23] Die Neue Phänomenologie unterscheidet also scharf zwischen dem Gefühl und dem Fühlen des Gefühls, und stellt damit historisch gesehen in gewissem Sinn das urchristliche Gefühlsverständnis wieder her.[24] Mit diesem neophänomenologischen Gefühlsverständnis könnte man ebenso wie in der systemisch-phänomenologischen Arbeit dass Stellvertreter-Phänomen als Fühlen von fremden Gefühlen bezeichnen.
Varga von Kibèd kritisiert die Rede von "fremden Gefühlen"[25] aus verschiedenen Gründen: Zum einen sollte das Stellvertreter-Phänomen wegen dem "hohen Maß an Übereinstimmung der mitgeteilten Körperempfindungsveränderungen und anderen Mitteilungen der RepräsentantInnen mit Muster des dargestellten Systems"[26] nicht als Gefühl sondern als eine Wahrnehmungsform bezeichnet werden, auch weil das Wort Gefühl "ein höheres Maß an Irrtumsmöglichkeiten"[27] suggeriert als die Bezeichnung als Wahrnehmung. Varga von Kibèd zieht daher den Ausdruck "repräsentierende Wahrnehmung" dem Ausdruck "fremde Gefühle" vor, wenn er auf das Stellvertreter-Phänomen verweist.

Resonanz statt Repräsentanz

Das Phänomen, dass man als Stellvertreter in Aufstellungen unwillkürliche Wahrnehmungen hat, die mit dem Muster des dargestellten Systems scheinbar übereinstimmen, verblüfft immer wieder und gibt Rätsel auf. Ohne es selbst erlebt zu haben, ist es nur schwer vermittelbar.
Das Stellvertreter-Phänomen hat daher auch zu verschiedenen Interpretationen geführt: Oliver König spricht in Unterscheidung von individueller Übertragung, wie sie bei der Psychoanalyse bekannt ist, von einer "strukturelle Übertragung" in Aufstellungen.[28]. Matthias Varga von Kibèd spricht von einer "repräsentierenden Wahrnehmung" als der "Fähigkeit von Menschen, Beziehungsstrukturen fremder Systeme angemessen widerzuspiegeln."[29]. Die Interpretation Varga von Kibèds, dass es sich dabei um eine repräsentierende Wahrnehmung handelt, soll im Lichte der Neuen Phänomenologie kritisch hinterfragt werden. Eine repräsentierende Beziehung zwischen den Stellvertretern und den Strukturen fremder Systeme würde prinzipiell voraussetzen, dass es (Struktur-)Abbildungen der realen Wirklichkeit geben könnte. Die Neue Phänomenologie lehnt jedoch diese Repräsentationsmetapher ab und kritisiert das dahinterliegende Isomorphiedogma. Die Begründung: Eine Isomorphie kann es nur zwischen numerisch-mannigfaltigen Ganzen geben, nicht aber zwischen numerisch und chaotisch Mannigfaltigem. Die Repräsentationsmetapher setzt also eine singularistische Ontologie voraus, die ohne zugrundeliegende Situationen nicht denkbar ist. Die Welt besteht gemäß Situationsontologie nicht primär einzelnen Dingen oder daraus gebildeten Strukturen sondern aus chaotisch-mannigfaltigen Situationen, aus der Einzelnes erst expliziert werden muss.
Hauptvertreter der Isomorphiedogmas ist Wittgenstein, der den Repräsentationsbegriff von Leibniz für die abbildende Beziehung übernimmt, "die zwischen Sprache und Welt besteht".[30]Es ist daher vielleicht kein Wunder dass der Begriff "repräsentierende Wahrnehmung" von dem bekennenden Wittgenstein-Fan Varga von Kibèd mit ins Leben gerufen wurde. Er übernimmt Wittgensteins Bildtheorie des Satzes und fasst Aufstellungen als nicht- oder transverbale Sprache, in denen die Aufstellungsbilder durch eine isomorphe Abbildung die Struktur von Sachverhalten oder Tatsachen getreu wiedergeben.[31] Damit unterstellt Varga von Kibèd eine strukturellen Isomorphie der Darstellung mit dem Dargestellten und geht davon aus, dass die Welt aus Relationen und daraus gebildeten Strukturen besteht (Strukturenrealismus). So systemisch dieser Ansatz in Sachen von Bezogenheit auch zu sein scheint, so sehr verdeckt er damit die systemische Einbettung alles Seins in einen situativen chaotisch-mannigfaltigen Kontext, in dem es mangels Identität und Verschiedenheit noch keine Relationen und Strukturen geben kann. Das Repräsentationskonzept führt letztlich immer in eine Spiegelung und damit Verdopplung der Wirklichkeit.
Eine Möglichkeit, diese Verdoppelung der Wirklichkeit zu vermeiden, ist es Aufstellungen nicht als Repräsentations- sondern als Resonanzgeschehen zu verstehen. Bei der Resonanz geht es im Unterschied zur Repräsentation nicht um eine abbildhafte Dopplung von Repräsentandum und Repräsentat, sondern um eine aktuelle Verknüpfung von "Resonandum" und "Resonans". Statt von einer "repräsentierenden Wahrnehmung" wäre es passender von einer "präsentischen Wahrnehmung in leiblicher Resonanz" zu sprechen. Es geht demnach nicht darum, nach den richtigen Strukturen zu suchen und diese in Aufstellungen abzubilden, sondern Situationen herzustellen, in denen Resonanzen hilfreiche Veränderungen einleiten können.
Auch in der Neuen Phänomenologie taucht der Begriff der Resonanz prominent auf, wenn Schmitz betont, dass es die Filterfunktion des leiblichen Subjektes ist, "aus unzähligen, gleich Radiowellen überall ergossenen und sich durchdringenden Atmosphären jeweils einzelne auszuwählen und durch Resonanz zu verstärken."[32]
Worin liegt der Beitrag für eine systemische Phänomenologie: Gerade um den systemischen Aspekt der Einbettung alles Seienden ernst zu nehmen, ist es entscheidend, die Repräsentationsmetapher abzulösen und von einem situativen Resonanzgeschehen zu sprechen. Der Begriff der Resonanz legt zudem Nahe, dass ein Resonanzraum vorhanden sein muss, wie er bei der Räumlichkeit der Gefühle oben bereits erläutert wurde. In Unterscheidung zu "repräsentierenden Wahrnehmung" wird im Rahmen einer systemischen Phänomenologie von einer "resonierenden Wahrnehmung" und deren Bedingung der Möglichkeit zu sprechen sein.

Aufstellung zwischen Abbild und Antwort

Varga von Kibed interpretiert die Aufstellung als transverbale Sprache[33], und fasst Sprache in Anlehnung an Wittgenstein als System von Regeln[34]. Doch ebenso wie Wittgenstein verwechselt er Rede und Sprache. Auf diese Unterscheidung zwischen Rede und Sprache legt die Neophänomenologie deutlich Wert:

Gesprochen wird in Reden; in der Sprache wird nicht gesprochen, sondern mit der Sprache wird gesprochen: Sie wird zur Regelung der Rede beim Sprechen verwendet oder gebraucht ("Sprachgebrauch"). (S-DRdN 207)

Reden ist eine Tätigkeit, Sprache hingegen eine zuständliche Situation, die man gebrauchen kann. Rede ist neophänomenologisch definiert als gestaltender Umgang mit Situationen durch Aktivierung eines geeigneten Mediums, das nicht notwendig stimmlich sein muss.[35] Eine Rede muss also nicht notwendig sprachlich oder gar stimmlich geschehen, sondern kann auch ohne Sprache stattfinden, wie z.B. im Bienentanz, wo der ganze Körper als Medium für eine Rede zum Einsatz kommen kann.
Neophänomenologisch betrachtet kann der Vollzug einer Aufstellung daher als eine Form der Rede bezeichnet werden, aber nicht als Sprache. Eine Aufstellung ist möglich, auch ohne dass man dafür eine Sprache beherrschen oder gar voraussetzen müsste. Die umgekehrte Schlussfolgerung, dass weil Aufstellungen möglich sind und diese als Sprache zu verstehen sind, es eine eigene Aufstellungssprache sowie -grammatik geben muss, die jeder implizit beherrsche, ist neophänomenologisch unzulässig. Die Aufstellung ist allein dadurch möglich, weil wir mittels leiblicher Intelligenz (die Tieren ebenso möglich ist) ein Medium aktivieren können, dass uns einen gestaltenden Umgang mit Situationen erlaubt. Die These, dass es eine eigene Aufstellungsprache und -grammatik gibt, ist neophänomenologisch nicht haltbar.
Eine Rede wurde stets verstanden als eine gliedernde Aufzählung des Was, als eine abbildende Beziehung. Dieser Ansatz lässt sich als linguistische Inventartheorie bezeichnen und reicht von Platon bis zu Wittgenstein. Der Unterschied zwischen Platon und Wittgenstein besteht lediglich darin, dass Wittgenstein statt einer bloßen Aufzählung eine Konfiguration verlangt, aber andererseits über Platon hinaus sogar den Singularismus verschärft, wonach alles ohne weiteres einzeln sei. Dem Ansatz von Platon und Wittgenstein steht steht der Ansatz von Aristoteles gegenüber, der eine Rede nicht als Abbildung sondern als Antwort auf eine Frage versteht.[36]

Die Frage hat ein lockereres Verhältnis zum Gegebenen als das Abbild; daher gibt die Kategorienlehre Aristoteles die Chance, die Rede aus der Fesselung an das Vorliegende so weit abzuheben, dass die Sprache zum Gegenstand kritischer Besinnung auf ihre vielleicht zweideutige Rolle für das Erkennen werden kann. (S-DWdeP2 258)

Die Funktion der Rede ist demnach nicht primär darstellende Abbildung sondern antwortende Explikation, nämlich die Abhebung von Sachverhalten aus Situationen, und die dazu gegengerichtete implizierende Einbettung der Sachverhalte zurück in Situationen. Die Kunst der antwortenden Explikation besteht darin, wie in Dichtung und Aufstellungsarbeit, durch gezielte Sparsamkeit der Elemente, die zu explizierende Situation stetig durchscheinen zu lassen und nicht mit Gerede oder der Vielheit von Elementen zu verdecken und den Kontakt zur Situation zu verlieren.
Eine Aufstellung als antwortende statt darstellender Rede zu begreifen, hat zudem den Vorteil, dass die Frage in den Mittelpunkt rückt, für was die Aufstellung ein antwortgebendes Mittel sein soll. Der Fokus rückt also stärker auf die der Aufstellung vorgelagerte Anliegenklärung, die wie in jedem therapeutischen Setting erst über Sinn und Unsinn aller nachgelagerten Angebote entscheidet. Die Aufstellung selbst ist neophänomenologisch eine sich durch leibliche Stellvertreter vollziehende Antwort auf ein konkretes Anliegen einer Person und keine objektive Darstellung von realen Dingen oder Strukturen.

Aufstellung zwischen Konstellation und Situation

Aufstellungen heben aus einer für den Klienten häufig als diffus erlebten Situation Einzelnes hervor. Diese Vereinzelung wird zwischen Klient und Aufstellungsleiter meist dialogisch ausgehandelt, kann aber ebenso stillschweigend oder zufällig geschehen. Durch Auswahl und Aufstellung der Stellvertreter entsteht eine Konstellation, deren Herausforderung darin besteht, den Kontakt zur zugrundeliegende Situation nicht zu verlieren, trotzdem die Freiheit für neue Anordnungen zu behalten. Nur wenn die Konstellation der einzelnen Stellvertreter und die zugrundeliegende Situation des Klienten aufeinander bezogen bleiben, kann sich ein Wechselspiel einstellen, das mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem Klienten als stimmig erlebt werden kann. Stellvertreter werden müde und kraftlos, wenn der Bezug zur Situation brüchig wird, und die Konstellation nur als Technik praktiziert wird. Die Gefahr bei einer Aufstellung ist, wie die beim Sprechen, dass man vor lauter Reden und Explizieren den Bezug zur Situation verliert, und die Konstellation sich von der erlebten Situation entkoppelt (Konstellationismus). In der Aufstellung bleibt daher die Aufgabe, bei aller Arbeit an Konstellationen, immer wieder die Situation erfahrbar werden zu lassen, nicht nur die des Klienten oder der Stellvertreter, sondern auch die eigene sowie die der Gruppe. Gerade die Spannung zwischen einer gehaltenen Nähe zur Situation und der Möglichkeit verschiedene Konstellationen auszuprobieren, macht die Aufstellung zu einem Balanceakt zwischen Situationsnähe und Konstellationsmöglichkeiten und erlaubt schließlich durch neue Konstellationen neue Situationen heraufzubeschwören, die hilfreich erlebt werden.

Fazit: systemisch, systemischer, situativ

So sehr die systemisch-konstruktivistische und systemisch-phänomenologische Ansätze bisher getrennt behandelt wurden, so sehr macht es Sinn darüber nachzusinnen, was das Gemeinsame am Attribut "systemisch" sein kann. Varga von Kibèd fasst den Begriff des Systemischen als "Aspektwechselprädikat"[37] und definiert es wie folgt:

Eine Theorie ist systemischer als eine andere, wenn sie bei einem umfassenderen Phänomenbereich als diese die Zuschreibung der Effekte als Eigenschaften an die Systemelemente zugunsten eines Verständnisses aus der Gesamtdynamik erlaubt. (VvK 59, in W)

Die angeblich scharfe Trennung der unterschiedlichen therapeutischen Schulen, die sich heute systemisch nennen, kann unseres Erachtens überwunden werden, indem einerseits nützliche Verbindungen der Formen der verschiedenen Schulen erprobt werden und andererseits ein geeigneter übergeordneter Begriff des Systemischen an die Stelle der vielen unvereinbaren Charaketerisierungen gesetzt wird. ( Vom Familienstellen zur systemischen Strukturafustellungsarbeit: IS+MVvK 404in W)

Ich möchte einen Schritt weiter gehen und behaupten: Das Gemeinsam am "systemischen" ist, dass man sich von einer dingontologischen Sichtweise verabschiedet, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Will man in der konstruktivistischen Variante den Fokus auf die sozialen Kommunikationssysteme und psychische Konstruktionen legen, so liegt der Schwerpunkt der phänomenologischen Varianten bei der Entwicklung aus systemischen Loyalitäten jenseits von Kommunikation und Konstruktion. Das Gemeinsame bleibt der Fokus auf relationalem Denken und Erleben, die Unterschiede liegen darin, für welche erkenntnistheoretische Position man sich stark macht und welche Position man als theoretische Legitimation für seine praktische Arbeit nutzt. Das Prädikat systemisch scheint immer noch in Mode, und wird sich sicher auch nicht so schnell durch ein anderes Modeattribut ersetzen lassen. Neophänomenologisch wäre es jedoch angebrachter von "situativ" statt "systemisch" zu sprechen, da damit besser zum Ausdruck kommt, dass auch das systemisches Denken nur auf Basis einer Situationsontologie möglich sein kann. Alle Systemmodelle teilen die Auffassung, dass Systeme eine Menge, Struktur oder Konfiguration von einzelnen Elementen und Relationen sind. Doch solange man voraussetzt, dass es in Systemen letztlich immer die Einzelheit und Identität der Elemente und Relationen gibt, setzt man die ontologische Position des Singularismus schon voraus. Wenn man den Grundgedanken des systemischen Denkens ernst nimmt, dann entwickelt er sich zu einem situativen Denken, dass Situationen zumindest für möglich hält, wo es noch keine Einzelheit und Identität gibt. Je systemischer etwas ist, desto mehr liegt der Schwerpunkt auf chaotisch-mannigfaltigen Ganzheiten noch vor jeglicher explikativen Leistung, durch die Einzelheit und Identität erst möglich wird. Dieses Agieren im situativ Unbestimmten hat seinen besonderen Reiz und rückt in die Nähe von allen philosophischen Schulen, die sich mit dem "Nichts" beschäftigen, wie es vorallem in asiatischen Philosophien der Fall ist.

Systemische und phänomenologische Haltungen

Von der Methode zur Haltung. David Brooks: Charakter: Die Kunst, Haltung zu zeigen (Kindle)

Haltung des Nicht-Wissens

Kontextuelle Umschaltung von Experte zu unbedarftem Jungem vom Land

  • Kompetenzorientierung / Utilisierung

Neu: jemand handelt irgendwie, aus einer Situation heraus, in der es sich befindet

Hybris des Wissens

  • Be-rat-ung beinhaltet den Rat. Wissende Berater als Experte
  • Beratung mit Ratschlag

Expertise des Nicht-Wissens

  • Fokus auf subjektive statt objektives Tatsachen
  • Insofern handelt es sich beim Nichtwissen nicht um weniger, sondern um mehr Wissen: Wissen um die Relativierung objektiver Tatsachen
  • systemisch-konstruktiver Prozessberater: Sich einlassen auf den Prozess, Fragen
    • Fragen als Einstreutechnik
  • Aufstellungsleiter: freien Bewegungen folgen lassen

Trotzdem Expertenwissen:

  • wie solche Prozesse gewöhnlich ablaufen,

Phänomenologie des Nicht-Wissens

  • Buddhismus
  • japanische Philosophie


Haltung des Nicht-Verstehens

Haltung des Eingebundenseins

Systemisches Denken fokussiert stark auf die Eingebundenheit der Menschen im Kontext.

systemisches Auswirkungsbewusstsein: teleologisch?

  • Nicht das Phänomen an sich, sondern die Wirkung des Phänomens bestimmt die Wirkung
  • mit Einschränkung zu nackten Tatsachen wie eine Gewehrkugel

Haltung des Vertrauens

  • Zeugenschaft
  • Anerkennen, was ist
  • Zeugenschaft
  • Nackte Tatsachen

Zwischen Logo- und Topozentrismus

Systemische Phänomenologie als Lebenskunst

systemisch: Gestaltung von Kontexten

  • Gestaltung von sinnvoll und zieldienlich erlebten Kontexten: Beziehung zum Klienten, Überweisungskontext etc.
  • Pacing, Joining, Bonding
  • Einladungskultur
  • Gestaltung von implantierenden Situationen?
  • Machbarkeit von Atmosphären?
  • macht es Sinn?

systemisch-konstruktivistisch: Wertschätzung von Multivalenzen

  • Seitenmodell
  • Ambivalenz ist normal
  • PEP, Selbstakzeptanz: auch wenn ich ..., liebe und akzeptiere ich mich ...
  • In meiner Zerrissenheit bin ich ganz
  • Situation als Einheit in Vielheit
  • "Ich" als Einheit in Vielheit bei Zhuangzi, Plotin
  • Elberfeld: Polyphonie der Bestrebungen
  • Multivalenz verschiedener Bedürfnisse: Autonomie, Bezogenheit


  • Akzeptanz des Ist-Zustandes, und wenn dann Fokus auf Verbesserungen (nicht absolute Werte)
  • wertschätzende Selbstbewertungen
  • Theorie X / Y

hypno-systemisch: Fokussierung von Aufmerksamkeit

Der hypnosystemische Beitrag zu einer systemischen Phänomenologie als philosophischer Disziplin, liegt darin, darauf hinzuweisen, dass nicht das Phänomen an-sich, sondern die Beziehung zum Phänomen über die Wirkung bestimmt. Eine systemische Phänomenologie versucht also nicht Phänomene möglichst akkurat zu beschreiben, sondern macht die Beziehungsgestaltung zum Phänomen zu ihrem wichtigsten Thema. Auch wenn in einem die Wut hochsteigt, dann wird nicht über die Natur der Wut philosophiert, sondern über die Möglichkeiten, mit dieser Situation so umzugehen, dass sie weniger leidvoll erlebt wird. Der Umgang des Menschen mit seiner eigenen unwillkürlichen Natur wird damit wieder zum Thema von philosophischer Reflektion und lässt Philosophie wieder näher an Lebenskunst heranrücken. Die Art der Aufmerksamkeitsfokussierung hat also wesentlich darauf Einfluss, was und wie wir erleben. Hier bietet der hypnosystemische Ansatz eine Integration von hypnotherapeutischen mit systemische Verfahren, wodurch die Palette des Möglichkeitsraumes enorm vergrößert wird.
Dabei geht es nicht darum das Kind mit dem Bade auszuschütten und die Macht des Unwillkürlichen so einzuschränken, dass man sie als atmosphärische ausklammert und stattdessen die Vernunft als Herr im eigenen Haus platziert.

  • Bedürfnis: Entwicklung
  • hypno-systemisch: Fokussierer von Aufmerksamkeit, Kontakt mit welchem Ego-State
  • Erweiterung des Bewusstseinsfeldes, Möglichkeitsraumes, der Wahlmöglichkeiten
  • Brücke bauen von der Problemtrance zur Lösungstrance
  • Fokussierung auf Auswirkungen (statt auf absichtsvolle Konzepte)
  • Nicht die Struktur (einer Organisation), sondern der Umgang damit macht die Wirkung
  • Fokus auf unwillkürliche Musterbildung
  • Anbieten von Unterschieden
  • Beziehung zum Phänomen entscheidet über Wirkung
  • WOOP: Aufmerksamkeit auf Ziel und dann Hindernisse

systemisch-phänomenologisch: Anerkennen was ist

  • Anerkennen von nackten Tatsachen
  • Umgang mit Restriktionen: Schade
  • Anerkennung der eigenen Endlichkeit, des begrenzten eigenen (Zeit-)Raumes
  • phänomenologisch-systemisch: Stellvertreter-Phänomene
  • Auflösen von parafunktionalen Loyalitäten

Haltung zum Nichts

...

Vergleich

Sonst?

  • (vorsprachliche) Beziehung: guter Draht zum Kienten
  • (vorsprachliche) Haltung: ressourcenorientierte Haltung, selbst wenn verbal provokativ


  • systemisch: systemisch-konstruktivistisch & systemisch-phänomenologische Therapie
  • phänomenologisch: Neue Phänomenologie
bisher systemisch phänomenologisch systemisch-phänomenologisch
Kompetenz eher auf Pathologie fokussiert jemand zeigt sich irgendwie (als Kompetenz) jemand ist so (als Typ) (eher pathologisch) als kompetent bezeichnetes Verhalten, dass jemand in einer Situation zeigt
Utilisierung Symptom wird abgewertet Symptom wird aufgewertet Symptom wird aufgewertet Symptom wird aufgewertet
Unwillkürlich / Willentlich - / + +- / + + / - +- / +-
Bedürfnisse Todes- und Sexual-Trieb etc. starke Betonung auf systemischer Bezogenheit keine Bedürfnisse thematisiert, aber gegen den Sozialapriorismus Bezogene Individuation & Entwicklung
Wirkung Fokus auf Sachthemen: richtig/falsch Fokus auf Auswirkungen kein Fokus auf Auswirkungen, lediglich beschreibend Fokus auf Auswirkungen
(Nicht-)Wissen Wissende Therapeut der nicht-wissende Therapeut der wissende Therapeut (als Gefahr) der anbietende Therapeut
(Nicht-)Verstehen Ich verstehe dich Ich kann dich nicht verstehen Ich kann dich verstehen (?) Ich kann dich verstehen
Eingebundenheit eher auf Autonomie fokussiert Bezogenheit spielt große Rolle (obwohl wir operativ geschlossen sind) wir leben in und aus Situationen wir leben in und aus Situationen
Vertrauen Vertrauen ist nicht nötig Vertrauen wichtig als Beziehung Vertrauen nicht entscheidend, da Phänomen an-sich wichtiger Vertrauen ist wichtig als Atmosphäre
Humor Kein Humor mehr Humor etwas Humor viel Humor
therapeutische Raum keine Rolle Raum als Beziehung Raum als Weite- + Richtungsraum Raum als Atmosphäre wo Verortung möglich ist
Anerkennen was ist Etwas ist einfach so Möglichst Reframen Anerkennen was ist Anerkennen was ist, mit Selbstakzeptanz
Innen / Außen Innen und Außen getrennt Innen und Außen getrennt Innen und Außen nicht getrennt Innen und Außen teilweise getrennt
Aktiv / Passiv Fokus auf passiven Erleiden von Krankheit & Therapie Konstruktion ist aktiv Phänomen ist ergreifend (eher pathisch) Mediale Handlungsformen: In Resonanz gehen

Grenzen der systemischen Phänomenologie?

  • was ist systemisch? Nur Loyalitäten? Alles Relationale? Alle Big5?
  • Klopfen als Induktion von Leibesinseln oder Arbeit mit Körperflächen?

Fazit

Glossar

  • Absolutismus: Eine erkenntnistheoretische Position, die einen eindeutig festgelegten Weltinhalt behauptet, der sich die Erkenntnis anzupassen habe.
  • Introjektionismus: Die Vorstellung, das alle qualitative Sinnesqualitäten Introjektionen, also innenweltliche Konstrukte, sind. (Avenarius)
  • Konstellationismus: Die Vorstellung, dass im Ideal die ganze Welt nichts anderes ist, als ein Netzwerk einzelner Faktoren.
  • Projektionismus: These, die alles Bedeutungshafte der Außenwelt auf nachträgliche Zuschreibung aus Innenwelten zurückführt. (Wilhelm von Ockham, Nietzsche)
  • Realismus: Eine erkenntnistheoretische Position, der die Aufgabe der Erkenntnis in die möglichst genaue Beschreibung einzelner Sachen (auch im strukturellen Zusammenhang, siehe Strukturenrealismus), also in eine repräsentierende Wiedergabe verlegt, die sich der eingehenden Abbildung nähert.
  • Singularismus: Die ontologische Vorstellung, das alles was ist, einzeln ist. Die Welt bestünde aus lauter Einzelheiten, die man zwar in Beziehung setzen kann, aber die einzelnen Dinge wären auch ohne Beziehung zueinander vorhanden. Diese These wird vorallem von einer Ding- und Prozessontologie vertreten. (Thomas von Aquin, Wilhelm von Ockham, Kant)
  • Strukturenrealismus: Die erkenntnistheoretische Position, dass die Wissenschaft wahre Erkenntnis von Strukturen liefern kann. Als ontologische Position geht er davon aus, dass es Strukturen mit Relationen und Relata gibt (nichteleminativer Strukturenrealismus), oder ganz und gar nur Relationen auch ohne Relata (eleminativer Strukturenrealismus). Objekte wären nur als Stellen in einer Struktur möglich.

Fußnoten

  1. Luhmann 1992a, 140; Luhmann 1994a, 478: „Die Weiche wird mit der Annahme eines operationsbasierten Ansatzes der Systemtheorie gestellt.”
    Luhmann 1997d, 901: „Aus der Sicht einer operativen Systemtheorie, wie sie hier vertreten wird, ...”
  2. Luhmann 1997c, 171
    Sowie weitere Belege: "Mit dem Wort Beziehung hab’ ich einen Terminus, der systemtheoretisch ganz blaß ist."[Luhmann 1997c, 172]
    "Es gibt daher auch keine Sondersphäre des ‚Dazwischen’, der Relation oder des‚Inter...’ – [...]."[Luhmann 1990a, 24]
    "Der Beziehungsbegriff bildet oft den Ausweg aus einem schon verkorksten Theorieanfang. Der Begriff hat nach alter Auffassung etwas ontologisch Minderwertiges (und doch Ontologieabhängiges) an sich, da er Substanzen (hier eben: Menschen) voraussetzt, die nicht in den Beziehungen aufgehen und auch nicht durch die Beziehungen definiert sind, die 'zwischen' ihnen bestehen." [Luhmann 1988a, 76 (Fußnote 2].
  3. "Wissen heißt fähig sein, in einer individuellen oder sozialen Situation adäquat zu operieren." Humberto B. Maturana: Erkennen. Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit, Braunschweig 1985. S. 76. Maturana gilt als Stifterfigur des Radikalen Konstruktivismus.
  4. “Die angemessene Metapher zur Versinnlichung der Erkenntnis ist von diesem Standpunkt aus nicht mehr die Reise, sondern die Ernte; die Situation ist der Acker, die durch Explikation für das Wissen abfallende Tatsache die Frucht und das personale, erkennende Subjekt der Bauer, der auf diesem Acker zu Hause (glebae adscriptus) ist.“ S-NGE 219f
  5. Vgl.: S-HL 363
  6. Vgl.: S-HL 373
  7. H-SuZ 61
  8. S-GedW 55
  9. S-GedW 33
  10. S-GedW 33
  11. S-GedW 38
  12. Unger, Fritz (2005): Kritik des Konstruktivismus. Heidelberg.
  13. S-SaP 342: "Eine verhögnisvolle Naivität der traditionellen Ontologie mit der Folge grober Missverständnisse in Theorie und Praxis der Erkenntnis ist die leichtsinnige Voraussetzung, dass alles selbstverständlich und von vorn herein einzeln sei, z.B. ein einzelner Blitz, ein einzelner Schmerz, eine einzelne Zahl, Gattung oder Menge; das chaotische Mannigfaltige wurde ignoriert und die Kette der Voraussetzungen dafür, dass überhaupt etwas einzeln sein kann, nicht in Betracht gezogen."
  14. "Dem sozialen Konstruktivismus entspricht in meiner Terminologie der erkenntnistheoretische Explikationismus" (Hermann Schmitz: Replik Phänomenolgie als Anwalt der unwillkürlichen Lebenserfahrung, Pos 200)
  15. Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie, 14. Dezember 2008: Gutachten zur wissenschaftlichen Anerkennung der Systemischen Therapie (PDF), S. 2.
  16. Vgl.: (S-DuG 357)
  17. S-NP 25
  18. Vgl: JS-DF 202
  19. Sparrer, Insa: Aspekte des Systemischen – Wie systemisch ist die Aufstellungsarbeit. In: IS,MVvK (2000): Klare Sicht im Blindfug. S. 20-25.
  20. Vgl.: S-III4 454
  21. S-III4, S. 454-455
  22. S-III4 468
  23. Vgl: S-WNP 181
  24. Vgl: S-WNP 4
  25. VvK 2010, In: Klare Sicht im Blindflug, S. 195
  26. s.o.: S. 195
  27. s.o.: S. 195
  28. "Nach meinem Verständnis ist es nun für die Aufstellungsarbeit notwendig, bei den Teilnehmern ihre Fähigkeit zur strukturellen Übertragung freizulegen, die es ihnen ermöglicht, Gefühlslagen und dynamische Prozesse zu erspüren, die mit bestimmten familiären Positionen und Rollen in Verbindung stehen, so wie sie in ihrer räumlichen Darstellung zum Ausdruck kommen." König, Oliver (2004): Familienwelten. Theorie und Praxis von Familienaufstellungen. Stuttgart. S. 152.
  29. Varga von Kibèd, Matthias (2000): Bemerkungen über philosophische Grundlagen und methodische Voraussetzungen der systemischen Aufstellungsarbeit. In: Weber, Gunthard (Hrsg.): Praxis des Familien-Stellens. Heidelberg. S. 51.
  30. T4.014. Vgl.: S-DWdeP2 581
  31. "Die einzelnen Bilder einer systemischen Strukturaufstellung können in Analogie dazu als Sätze einer nichtverbalen Sprache aufgefasst werden. Ein Familienaufstellungs-Bild ist dann z.B. ein derartiger nichtverbaler Satz, der eine bestimmte Beziehungsstruktur in einer Familie darstellt." Varga von Kibèd, Matthias (2000), S. 54
  32. Vgl.: S-LuG 321
  33. Matthias Varga von Kibèd & Insa Sparrer (2009): Ganz im Gegenteil, S. 234: "Da Strukturaufstellungen eine außerordentlich allgemeine Modellierungsform darstellen, die die verbale Sprache wie die nonverbale Sprache umfaßt, betrachten wir die SySt als transverbale Sprache, eine Sprache, bei der die entscheidenden sprachlichen Strukturaspekte zwischen den Personen liegen, und die über die verbale/ nonverbal-Unterscheidung hinausreicht. Ein einzelnes Aufstellungsbild entspricht dann einem Satz der transverbalen Sprache, bei der die RepräsentantInnen zu Namen von Systemelementen werden, die räumlichen Relationen und Körperempfindungen als Prädikate und Relationsbegriffe fungieren, das Anfangsbild einen Indikativsatz bildet, während die Umstellungen unterschiedliche Konjunktivformen durchlaufen, usw." "Zugleich folgt auch für die Art der erforderlichen Lernprozesse bei SySt die Notwendigkeit langjähriger Übung für eine Vervollommnung dieser Sprache, die andererseits so natürlich ist, dass fast jeder Mensch der in einigen Aufstellungen als Repräsentant stand, passenden Wahrnehmungsunterschiede berichtet. Die Sicht von Aufstellungen als transverbaler Sprache erweitert den Sprachbegriff vom Einzelpersonenspezifischen auf Gruppen von Menschen. Für Strukturaufstellungen als Sprache sind ganze menschliche Systeme die Spreche."
  34. VvK 54 in Weber (2000): Praxis des F.
  35. Vgl.: S-DRdN 211f
  36. Vgl.: S: Die Ideenlehre des Aristoteles, Band I Teil 2, 1985. S. 104-108.
  37. VvK 59 in W