Atmosphäre: Unterschied zwischen den Versionen

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Wirksamkeit auf Unbelebtes: In der Physiognomie einer Atmosphäre findet sich nichts, was auf eine notwendige Bindung an [[affektives Betroffensein]] hinwiese. (S-WNP 204)
 
Wirksamkeit auf Unbelebtes: In der Physiognomie einer Atmosphäre findet sich nichts, was auf eine notwendige Bindung an [[affektives Betroffensein]] hinwiese. (S-WNP 204)
 
Grundsätzlich brauchen Atmosphären des Gefühls (gefühlsträchtige Atmosphären) so wenig auf menschliches Gewahrwerden abgestimmt sein wie Farben. (S-WNP 204)
 
Grundsätzlich brauchen Atmosphären des Gefühls (gefühlsträchtige Atmosphären) so wenig auf menschliches Gewahrwerden abgestimmt sein wie Farben. (S-WNP 204)
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Version vom 19. März 2012, 21:45 Uhr

Eine Atmosphäre ist in der Regel mit Gefühlen beladen. Eine Atmosphäre ist ein Gefühl.

Ursprung von Atmosphären

Atmosphären darf man nicht von Beziehungen zwischen einzelnen Sachen abhängig machen, denn dafür sind Situationen und mit ihnen sie füllenden Atmosphären schon vorausgesetzt. (S-WNP 200)

Mit Ausgangspunkt

Wenn Atmosphären von etwas ausgehen, dann von impressiven Situationen. (Vgl: S-WNP 251)

Ohne Ausgangspunkt

Ergreifende Atmosphären des Gefühls brauchen keineswegs von etwas auszugehen, sondern können auch unvermittelt, ohne den Hintergrund einer sie tragenden und motivierenden Situation, auftauchen. (S-WNP 252) (Siehe Mörikes Gedicht Verborgenheit)

Fühlen von Atmosphären

Als "Fühler" für Atmosphären, die Gefühle sind, können

fungieren, sei es, dass sie vom ergreifenden Gefühl dem Ergriffenen

  • direkt eingegeben werden (wofür ich gern dessen erstaunliche Gebärdensicherheit bei Darbietung des Gefühls als Zeugnis anführe)
  • oder dass sie sich in der Wahrnehmung gegenständlich darbieten und dann eventuell das von ihnen transportierte Gefühl in der Einleibung auf den wahrnehmenden Leib übergehen lassen, wie die erotische Faszination durch Brechts "Hallo!" auf Ruth Berlau ... (S-WNP 189)

Das Fühlen der Atmosphäre kann mit oder ohne Ergriffenheit stattfinden:

Ohne Ergriffenheit

Das Fühlen von Atmosphären braucht keineswegs immer direkte Ergriffenheit von ihr zu sein. (S-WNP 251) Bsp: Wenn ein ernsthafter Beobachter in ein albernes Fest gerät, fühlt er die Albernheit als Atmosphäre, wird aber deswegen keineswegs selbst gleich albern, sondern eher traurig zum Kopfschütteln gestimmt. (Vgl: S-WNP 251)

Mit Ergriffenheit

Wenn aber eine Atmosphäre als ergriffen erlebt wird, dann wird sie erlebt als etwas, das auf mich einstrahlt, worin ich ein- oder untertauche wie in eine Flut. In diesem Sinn kann die Atmosphäre überpersönlich sein. (Vgl: S-WNP 185)

Unmittelbare Ergriffenheit von einem Gefühl ist immer ... leiblich. (S-WNP 251)

Individuelles Ausstrahlen oder überpersönliches Ergreifen

Von einem Ausstrahlen der Atmosphäre kann man immer nur in der Sicht der Zuschauer reden, und da gibt es das ebenso bei der Trauer wie bei der Scham; der vom Gefühl Betroffene, der Ergriffene erlebt die Atmosphäre eher als etwas, das auf ihn einstrahlt, worin er ein- oder untertaucht wie in einer Flut. In diesem Sinn ist für ihn die Atmosphäre überpersönlich, als eine ihm zustoßende Macht, ihn überkommend wie die reißende Schwere. (S-WNP 185)

Wirksamkeit

Wirksamkeit auf Unbelebtes: In der Physiognomie einer Atmosphäre findet sich nichts, was auf eine notwendige Bindung an affektives Betroffensein hinwiese. (S-WNP 204) Grundsätzlich brauchen Atmosphären des Gefühls (gefühlsträchtige Atmosphären) so wenig auf menschliches Gewahrwerden abgestimmt sein wie Farben. (S-WNP 204)

Atmosphäre als Feldkräfte

Atmosphären wirken als Feldkräfte. (F-LuR 215)

Beispiele

  • die optisch-klimatischen Atmosphären typischer Tageszeiten (Morgen, Mittag, Abend, Nacht) und Jahreszeiten (Frühling, Sommer, Herbst, Winter)
  • einprägsame (feierliche, drückende, zarte) Stille
  • kollektive Albernheit, Verlegenheit, Niedergeschlagenheit, Aufgeregtheit
  • Atmosphäre einer Wohnung
  • Eindruck eines Menschen

Wenn wir eine fremde Wohnung betreten, nehmen wir zunächst diffus ganzheitlich eine Atmosphäre wahr, spüren diese an unserem leiblichen Befinden, ob es gemütlich, kalt, oder chaotisch ist, und erst danach registrieren wir vielleicht Einzelheiten.

Und wenn wir einen Menschen kennen lernen, gewinnen wir zuallererst einen vielsagenden Eindruck, der uns Sympathie oder Antipathie oder Vorsicht abnötigt, lange bevor wir Einzelheiten nennen könnten, aus denen sich dieser Eindruck zusammensetzt.

Auch Gebäude oder Landschaften können uns leiblich berühren mit ihren Atmosphären, lassen es uns weit oder eng werden ums Herz, ebenso wie Klänge oder auch die Stille, die uns als räumlich ergossene Atmosphäre ergreifen kann.

Kollektive Atmosphären

Beispiele für kollektive Atmosphären allgemeiner Aufgeregtheit:

  • Goethes "Kanonenfieber"
  • Gespanntheit
  • Niedergeschlagenheit
  • Verlegenheit
  • Feierlichkeit

(Vgl: S-WNP 181)

Person als Verdichtungsbereich ohne Gefühl

Es kann geschehen, dass die Atmosphäre [des Schams] von jemand ausstrahlt, der sich überhaupt nicht schämt, aber mit seinem beschämenden Verhalten den Anwesenden entsetzlich peinlich auffällt, indem sie in Bann einer Atmosphäre von Scham geraten, deren Verdichtungsbereich der affektiv von Scham unbetroffene Übeltäter ist, und sich statt seiner schämen. (S-WNP 184)